Hörbücher auf Spotify: Da ist noch immer Luft nach oben

Der Strea­ming­an­bieter baut sein An­ge­bot für ge­spro­che­ne In­hal­te aus: Kann er jetzt mit dem Platz­hirsch Au­di­ble mi­thal­ten? Ein knall­har­ter Ver­gleich mit einem ein­deu­ti­gen Resultat.

Mitte April kam eine Pressemeldung herein, die mein Herz als Hörbuchfan erfreute:

Heute starten wir ein erweitertes Angebot an Hörbüchern in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein. Berechtigte Premium-Hörer in diesen Märkten erhalten Zugang zu 350.000 Hörbüchern, darunter Titel in Deutsch, Französisch und Italienisch.

Ist das endlich Grund, mein Audible-Abo zu künden? Das läuft seit nunmehr 15 Jahren. In der Anfangszeit gab es viel zu kritisieren. Mit den Verbesserungen über die Jahre bleibt heute nur ein einziger Grund für Unzufriedenheit: Das ist der Besitzer. Audible gehört Amazon und damit Jeff Bezos. Die Beendigung dieser Kundenbeziehung würde zu meiner persönlichen digitalen Souveränität beitragen.

Eine gedeckelte Flatrate

Schauen wir uns Spotifys Neuerungen genauer an: Erstens fragen wir uns, was denn «berechtigte Premium-Hörer» sein könnten. In der Pressemeldung wird es nicht erklärt, aber hier: Es sind Einzelabonnenten und Leute mit einem Duo- oder Familienabo. (Mit der massiven Einschränkung, das bei Abos anscheinend nur der Hauptabonnent die Hörbücher hören darf – siehe Kommentar.)

Zweitens möchten wir wissen, was zum Angebot gehört:

Berechtigte Premium-Abonnenten erhalten jeden Monat zwölf Stunden Hörbuch-Hörzeit, und zusätzliche zehn Stunden können bei Bedarf ab 9,99 Euro erworben werden. Hörer ohne berechtigtes Premium-Abonnement können gegen Bezahlung Zugang zu einzelnen Hörbuchtiteln à la carte freischalten.

Dank der Statistik in der Audible-App kenne ich meinen Konsum auf die Minute genau: In der letzten Zeit weist sie eine Nutzung von zwischen 14 und über dreissig Stunden pro Monat aus. Das heisst, dass ich selbst mit dem Erwerb von den zehn Zusatzstunden nicht über die Runden käme. In dieser Ausprägung ist das Angebot für mich gestorben: Auf die Uhr blicken zu müssen, trübt den Genuss. Dieses Abomodell kommt für mich nicht infrage.

Spotify bietet gemäss der Pressemeldung 350’000 Hörbücher in Deutsch, Französisch und Italienisch an. Bei Audible sind es gemäss dieser Meldung aus dem November 2024 über eine Million Titel. Aber ohne Aufschlüsselung nach Sprache lässt sich das sowieso nicht vergleichen. Aber machen wir die Probe aufs Exempel: Wie viele der zehn Titel, die ich zuletzt auf Audible gehört habe, sind auf Spotify vertreten?

Es gibt Bücher, die extra zu bezahlen sind

Das ist die Auswertung:

Uwe Laub Sturm erhältlich für 18.49 Franken
Uwe Laub Leben erhältlich für 18.49 Franken
Matt Dinniman Dungeon Crawler Carl
Lisa Jewell None of This Is True erhältlich
Suzanne Collins Sunrise on the Reaping vorbestellbar
Marc-Uwe Kling Views erhältlich
Amal El-Mohtar,
Max Gladstone
This Is How You Lose the Time War erhältlich
Tom Hillenbrand Thanatopia erhältlich
Volker Kutscher Rath erhältlich für 20.90 Franken
Marc-Uwe Kling QualityLand 2.0 – Kikis Geheimnis erhältlich

Keine schlechte Ausbeute: Bis auf einen einzigen Titel – der zweifellos auch bei Amazon zu den Exoten zählt – sind alle Bücher erhältlich oder zumindest vorbestellbar.

Dieser positiven Bilanz folgt ein grosses Aber: Drei der zehn Bücher sind nicht im kostenlosen Premium-Katalog enthalten, sondern müssten erworben werden. Und: Auf Audible habe ich die englischsprachigen Bücher im Original gehört. Bei Spotify gibt es nur die deutsche Übersetzung.

Damit kommen wir zum Schluss, dass es aus preislicher Sicht keinen eindeutigen Sieger gibt. Das liegt insbesondere daran, dass sich die Angebote gar nicht direkt vergleichen lassen:

  • Bei Spotify gibt es eine Art auf zwölf Stunden beschränkte Flatrate, innerhalb der die Bücher kostenlos gehört werden können. Wenn man das Abo kündigt, sind keine Inhalte mehr zugänglich.
  • Bei Audible bezahlen Kundinnen und Kunden 9,95 Euro. Dafür gibt es keine Flatrate, sondern einen Credit für den Kauf eines Titels. Dieser gekaufte Titel steht auch nach Kündigung des Abos zur Verfügung.

Damit ist klar, dass sich Spotify für Gelegenheitshörer anbietet und Audible die bessere Wahl für Intensiv-Konsumentinnen darstellt. Für mich würde der Kauf der Bücher fast sechs Monaten bei Audible entsprechen – das ist deutlich teurer.

Das Team, das die Hörbuch-Integration entwickelt hat, war nicht gerade Inspirations-geküsst.

Die Spotify-App ist für Hörbücher ein Schmerz im Hintern

Es kommt ein Punkt hinzu: die Benutzer(un)freundlichkeit.

Die Audible-App ist auf Hörbücher ausgelegt. Spotify hingegen ist und bleibt eine App für Musik. Es gibt zwar einen neuen Reiter für die Hörbücher, aber dort herrscht die maximale Beliebigkeit: Es werden irgendwelche Hörbücher angeboten, die teilweise wohl gerade populär sind, teilweise zu den Vorlieben z.B. bei den Podcasts passen. Eine Erschliessung nach Kategorien oder einem anderen sinnvollen Kriterium ist nicht ersichtlich: Der einzig sinnvolle Weg, mit diesem Chaos zurechtzukommen, besteht darin, sich anderswo zu informieren, bei Spotify die Suchfunktion zu bemühen und zu hoffen, das wir fündig werden.

Das ist aber nicht das grösste Manko der Spotify-App: Das besteht darin, dass es die uns fast unmöglich macht, den Überblick über unseren Hörverlauf zu wahren. Früher hat sich dieses Problem mithilfe von Dritt-Apps umgehen lassen. Doch da Spotify in einem Anfall von Dominanzgehabe es nötig fand, diesen Apps den Stecker zu ziehen, bleiben uns nur Behelfsmethoden.

Fazit: Ich werde Spotify gelegentlich nutzen, wenn ich bei Audible alle meine Credits aufgebraucht habe. Abgesehen davon ist das Hörbuch-Feature leider nicht so toll, wie uns die Pressemeldung glauben lassen will.

Beitragsbild: Für Hörbuch-Fans keine reine Quelle der Freude (StockSnap, Pixabay-Lizenz).

2 Kommentare zu «Hörbücher auf Spotify: Da ist noch immer Luft nach oben»

  1. @Matthias Mich stört daran auch massiv, dass beim Familienabo nur die „Haupt-Abo-Person“ Hörbücher hören kann. Die „Unterabonennten“ müssen extra zahlen.

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