King ist auch auch nicht vom Himmel gefallen

«Carrie» stammt aus dem Jahr 1974 und ist eines der ersten Bücher von Stephen King. Und obwohl es seinen Ruhm als Schriftsteller mitbegründet hat, fand ich es nur mässig gelungen.

Ich bin in meinem Bestreben, irgendwann sämtliche Bücher von Stephen King gelesen und hier besprochen zu haben, ganz am Anfang angelangt: Bei Carrie von 1974. Natürlich wegen der Neuverfilmung, die letztes Jahr entstanden ist. Die Lektüre brachte mich zu zwei Erkenntnissen:

Dieser Vergleich lässt keinen Zweifel daran, welches die bessere Verfilmung ist. Links: Sissy Spacek im Film von Brian De Palma (1976), rechts Chloë Grace Moretz in der Variante von Kimberly Peirce (2013).

Das Buch hat mich vergleichsweise kaltgelassen. Es ist eine reichlich banale Geschichte: Mädchen wird geplagt, Mädchen entwickelt telekinetische Fähigkeiten, Mädchen übt schreckliche Rache. Die Stärken, die King in seinen späteren Werken entwickeln wird, fehlen hier weitgehend. Das reiche Innenleben der Figuren, ihr psychologischer Werdegang. Die Mutter in ihrem religiösen Fanatismus ging mir vor allem auf den Wecker. Das gleiche Thema der fundamentalistischen Verblendung hat King in Under the Dome prägnanter abgehandelt. Übrigens: Die Verfilmung von «Under the Dome» ist grässlich und unbedingt zu meiden – lest stattdessen das Buch!

King musste sich erst warm schreiben

Die zweite Erkenntnis ist, dass manche Autoren bei ihrem Erstlingswerk alle Ideen und Emotionen herausschreiben und so ein grossartiges Werk hinlegen, und dass King nicht in diese Kategorie gehört. Er musste sich offenbar warm schreiben, um zur heutigen Grösse zu gelangen.

Bei seiner ersten Veröffentlichung (laut der englischen Wikipedia ist «Carrie» seine vierte Geschichte, aber die erste, die publiziert wurde) hat er sich noch nicht gefunden. Die Ansätze sind da, etwa bei der starken Einstiegsszene in der Schuldusche, bei der Carrie von ihrer ersten Periode überrascht wird. Es sind Anzeichen da, dass King das Talent hat, Versatzstücke meisterhaft zu einer natürlich fliessenden Handlung zu verweben – aber noch zu viel stimmt nicht, als dass sich der Sog entwickeln würde, der einen gnadenlos in die Geschichte hineinzieht.

King wollte die Geschichte offenbar in den Papierkorb werfen, heisst es im erwähnten Wikipedia-Artikel. Gut, dass er es nicht getan hat. Vielen anderen Lesern hat sie trotzdem gefallen, und auch der Erfolg, die mehrfachen Verfilmungen und das «Carrie»-Musical geben ihr recht.

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