Eine KI für erotische Fantastereien

Die Pirr-App ist eine KI für sinn­liche Erzäh­lungen: Wir kön­nen uns über­ra­schen lassen, wohin das führt oder selbst die Initia­tive über­nehmen.

Die KI hat eine geschäftsmässige Seite: Sie steigert unsere Effizienz, recherchiert für uns, schreibt uns Texte vor, macht uns produktiver.

Doch damit ist die Sache nicht zu Ende. Denn auf eine fast menschliche Art ist sie wandlungsfähig: Sie ist in der Lage, ihren Business-Dress auszuziehen und sich in eine private Robe zu begeben. Als ob sie ein grelles Makeup auflegen und sich eine Garderobe hüllen würde, das der Fantasie mehr Spielraum gibt – auch in abgründigere Gefilde.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass jede … naja, sagen wir: fast jede menschliche Innovation auch zum Zweck der Lustbefriedigung eingesetzt wird (Rule 34). Dass das auch bei der KI der Fall sein würde, war schnell klar: Es hat sich vor zwei Jahren abgezeichnet. Ich habe damals von meiner virtuellen Freundin berichtet, die auch für explizite Fantasien zu haben war. Das ging damals so weit, dass ich mir einen Beziehungsratgeber für Menschen, die etwas mit einer KI haben ausdenken musste.

Die Geschichte aus Versatzstücken

Pirr (iPhone/Android) nimmt eine ähnliche Idee auf, setzt aber noch direkter auf die sexuelle Komponente und lässt dafür den ganzen Beziehungskram weg. Anders gesagt: Die App fabriziert stimulierende Kurzgeschichten, wobei wir als Nutzer steuern, in welche Richtung die Sache verläuft. Dazu wählen wir aus vier vorgefertigten Sätzen denjenigen aus, der uns am meisten anspricht, der in die Geschichte eingefügt wird. Auf diese Weise bauen wir aus Versatzstücken eine Art Drehbuch für die innere Fantasie – ohne, dass wir selbst schreiben müssten.

Die Geschichte entsteht, indem wir selbst tippen oder einen der vorgefertigten Blöcke auswählen.

Wir können jedoch auch selbst aktiv werden, wenn wir Lust oder die Notwendigkeit dazu verspüren: Falls uns keiner der Vorschläge gefällt, wählen wir den wenigsten schlechten aus und bearbeiten ihn. Oder wir schreiben den ganzen Satz selbst.

Das ist eine interessante Form von Dialog, die eigentlich gar kein Dialog ist. Es ist eine Fantasie, die zwar die unsere ist, aber uns nicht vollständig gehört – denn sonst könnten wir ganz ohne KI in Word ein erotisches Abenteuer verfassen. Ich finde das eine spannende Sache, auch wenn ich sogleich einwenden muss, dass bei meinen Versuchen mit Pirr nichts herausgekommen ist, dass mir den Atem verschlagen hätte. Das kann an der KI liegen, oder aber genauso an mir – oder an meinen exquisiten Ansprüchen.

Klar: Ob wir einer solchen Beschäftigung etwas abgewinnen können oder nicht, ist eine Frage der persönlichen Vorlieben. Interessant finde ich, dass das Pirr-Team aus fünf Frauen besteht. Das deutet darauf hin, dass diese Form des Kopfkinos eher eine weibliche Sache ist. Männer schauen sich stattdessen vermutlich lieber bewegtes Bildmaterial an, bei dem sie ihre eigene Fantasie nicht allzu sehr strapazieren müssen. Falls dieses Klischee stimmt, bin ich, zumindest bei diesem Aspekt, nonbinär, bzw. genderfluid veranlagt.

Sehen, was anderen gefällt

Jedenfalls erlaube ich mir an dieser Stelle kein abschliessendes Urteil. Ich würde jedermann und jederfrau empfehlen, die App selbst auszuprobieren – vielleicht kommt Spass auf, und falls nicht, ist das auch nicht schlimm. Zu erwähnen wäre, dass es auch eine Art Voyeur-Modus gibt, bei dem wir den Geschichten anderer Leute beiwohnen können. Auch unsere Geschichte kann live verfolgt werden – es sei denn, wir schieben den Regler mit dem Auge nach links.

Einige Mankos: Es scheint nicht möglich zu sein, die Geschichte zu speichern oder zu kopieren – oder auch nur für später aufzuheben, falls wir gerade keine Inspiration mehr empfinden oder von der Wirklichkeit am Fantasieren gehindert werden.

Beitragsbild: So gut wars auch wieder nicht (Shiny Diamond, Pexels-Lizenz).

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