Liebe Grafiker, ihr habt euren Job vorerst auf sicher

Microsoft Designer tritt an, um aller­hand Ge­stal­tungs­auf­ga­ben zu über­neh­men. Was taugen die Resul­tate? Ich stelle die KI auf eine harte Pro­be.

Mein Chef – also der Chef aller Blogger, der sich unbescheiden auch so nennt – verkündet seit Jahren auf Twitter, der Job des Grafikers sei «ab sofort überflüssig». «Chefblogger» begründet diese Behauptung mit Photoshop CC, wo er die Möglichkeit gefunden hat, einen langweiligen Himmel durch einen interessanten auszutauschen.

Lieber Chef, obwohl ich deine Argumentation schwach finde, hat die These eine gewisse Berechtigung. Inzwischen haben wir nämlich KI, und die gebärdet sich tatsächlich so, als könnte sie einen ganzen, traditionsreichen Berufsstand einfach ausradieren.

Nehmen wir Microsoft Designer: Das ist eine KI-Anwendung, die von sich behauptet, einer Vielzahl an Gestaltungsaufgaben gewachsen zu sein: Poster, Grusskarten, Foto-Beiträge für die soziale Medien, Flyer, Anzeigen oder auch «Motion Posts», also animierte Grafiken für Instagram und Co. lassen sich basteln. Und zwar ohne jegliche eigene Grundkenntnisse – einfach, indem man dem Designer ein paar Anweisungen gibt und grob umreisst, was einem so vorschwebt.

«Liebe KI, gestalte mir ein Buchcover!»

Aber was taugt Microsofts künstlicher Grafiker (oder künstliche Grafikerin, ganz wie ihr wollt)?

Als Aufgabe habe ich mir ein Buchcover ausgedacht. Einerseits deswegen, weil ich als Grafiker lieber solche Aufträge ausführen würde, also ein Poster, eine Grusskarte oder einen Insta-Post zu fabrizieren. Andererseits aber vor allem deswegen, weil diese Aufgabe anspruchsvoll ist: Ein gutes Buchcover springt ins Auge.

Aber nicht nur: Es vermittelt auch ein Gespür für den Inhalt des Werkes, und es widerspiegelt seine Tonalität und den Anspruch. Darum haben Thriller meist eine klotzige Typografie und plakative Symbolik. Und Liebesgeschichten sind in Pastell gehalten – oder auch etwas lasziv, je nachdem, wie explizit die Story denn ist.

Das lässt sich mehr oder weniger stereotyp erledigen; und auch das macht die Sache spannend. Meine Aufgabe ist ein Buchcover für einen Band mit meinen besten Blogposts¹. Ich gebe Autor, Titel und Untertitel vor und formuliere meine Anforderungen absichtlich etwas widersprüchlich: Die Gestaltung sollte gleichzeitig modern, verspielt und etwas geeky sein. Schwierig, aber lösbar, z.B. durch nüchterne Typografie und eine schräge Illustration. Und ich mache auch ein paar Vorgaben zur Farbgebung.

Leider durchgefallen!

Und das sind die 14 Entwürfe, die mir Microsoft Designer unterbreitet:

Würdet Ihr ein Buch mit einem solchen Cover kaufen?

Mehrere Dinge fallen auf:

  1. Obwohl das Buch nach meiner Vorgabe «Wer beherrscht hier eigentlich wen?» lauten sollte, setzt Microsoft Designer stattdessen «Evergreen Blog Posts» als Titel. Der Untertitel ist korrekt, aber in Englisch, nicht in Deutsch. Und es fehlt die Autorenzeile.
  2. In der Aufgabenstellung ist klar von einem Buchcover die Rede. Trotzdem gibt es drei animierte Varianten. Weiss Microsoft Designer womöglich nicht, was ein Buch ist? Wohlwollend, wie ich bin, gehe ich davon aus, dass die Animation für die Buchwerbung in den sozialen Medien gedacht ist.
  3. Es gibt Varianten mit allen Formaten bzw. Seitenverhältnissen. Zugegeben, ich habe das gewünschte Format nicht angegeben und man könnte es über die Schaltfläche Size auswählen. Es stehen jedoch nur Hochformat, Querformat und Quadratisch zur Verfügung². Das ist viel zu ungenau – ganz abgesehen davon, dass ein Buch auch einen Buchrücken und eine Hinterseite hat.
  4. Die Gestaltung basiert auf Standardvorlagen, die so abgenutzt sind, dass man keine KI sein muss, um sie anzuwenden.
  5. Die Anweisung zur Farbgestaltung (dunkler Hintergrund, heller Vordergrund) hat Microsofts KI weitestgehend ignoriert.

Würde man einen Grafiker anstellen, der sich so wenig um die Vorgaben kümmert?

Den Kern der Profession beherrscht die KI nicht

Was die Gestaltung angeht, gehen die Geschmäcker bekanntlich auseinander. Aber falls ich jemals auf die Idee kommen sollte, ein Buch mit meinen besten Blogposts zu machen, dann verspreche ich euch, dass es nicht derartig einfallslos, banal, abgeschmackt und hausbacken daherkommen wird.

An dieser Stelle ist ein Fazit fällig: Natürlich war meine Aufgabenstellung unfair. Dieser Designer ist nicht für die Königsliga gedacht, sondern für die «niedere» Gestaltungsarbeit: mehr Handwerk, weniger Kunst.

An der ernsthaften Aufgabe ist er krachend gescheitert. Und ich komme nicht umhin, meinem Chef (dem «Chefblogger») dezidiert zu widersprechen: Seine Behauptung, Grafiker müssten sich einen neuen Job suchen, ist haltlos.

Wie auch schon beim Test einer KI für Logos festgestellt: Ein Grafiker, Designer – oder wie auch immer diese Profession heute heisst – ist vor allem ein Übersetzer, der immaterielle und schwer zu beschreibende Dinge in eine bildliche Form überführt. Ein Mensch würde ein paar meiner Blogposts lesen, um ein Gespür dafür zu bekommen, wie ich schreibe und mit welcher Haltung ich das tue.

Er würde sich sicher auch mit mir unterhalten wollen. Und wenn er überzeugt ist, dass meine Arbeit und ich in irgendeiner Weise fassbar geworden ist, dann würde er versuchen, ein Layout, eine Illustration und die passende Typografie zu finden.

Zum Warmlaufen sollte die KI ein Banner fürs Blog gestalten. Der Slogan «Hier bloggt der Chef persönlich» hat sie eigenmächtig abgeändert.

In einen kurzen Prompt lässt sich all das nicht fassen. Und selbst wenn ich alle meine Blogposts an Microsoft Designer übergeben könnte, würde das Resultat dadurch vermutlich nicht viel besser. Ganz abgesehen davon, dass auch der Verlag eine Linie hat, was die Gestaltung angeht.

Darum, liebe Grafikerinnen: Macht euch keine Sorgen. Aber seid um Himmelswillen origineller als dieses Software-Erzeugnis hier!

Fussnoten

1) Gestalte ein schickes Buchcover für mein Blog clickomania.ch, mit einer Sammlung der Dauerbrenner-Blogbeiträge. Name des Autors: Matthias Schüssler. Titel: «Wer beherrscht hier eigentlich wen?» Untertitel: «16 Jahre Tech-Blogging auf Clickmania.ch». Es sollte modern, aber dennoch verspielt und geeky und ein wenig technoid aussehen, mit einem dunklen Hintergrund und einem hellen Vordergrund. (Create a fancy cover of a book for my blog clickomania.ch, with a collection of my evergreen blog posts. Author name: Matthias Schüssler. Title: Wer beherrscht hier eigentlich wen? Subtitle: 16 Jahre Tech-Blogging auf Clickmania.ch. It should look modern, yet playful and geeky and a little technoid, with a dark background and a bright foreground.)

2) Wenn wir mit einem leeren Design (blank design) starten, können wir Höhe und Breite in Pixeln spezifizieren, aber anscheinend die KI nicht für einen Entwurf bemühen.

Beitragsbild: Sie hätte mein Vertrauen verdient (Antoni Shkraba, Pexels-Lizenz).

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