Der iTunes-Store ist zum Aschenputtel verkommen

Apples Online-Laden für Musik und Filme ist nicht mehr das, was er einmal war: Er hat dras­tisch an Benutzer­freund­lich­keit ver­loren und scheint nur noch dazu da zu sein, Werbung fürs Strea­ming-Angebot zu machen.

Neulich habe ich ein privates Video von einer Geburtstagsfeier gedreht. Das sollte mit Musik unterlegt werden. Denn wie jeder weiss, wertet der richtige Soundtrack jede Produktion auf: Er verstärkt Emotionen und hält, falls nötig, die Langeweile in Schach.

Da sich nicht alle vorgesehenen Titel in meiner Musiksammlung befanden, habe ich mich dem iTunes Music Store zugewandt. Natürlich, man könnte sie auch von Youtube rippen oder ab Spotify aufnehmen. Aber ich verwende gern Musik in der optimalen Qualität und via Store geht es einfach schneller. Dachte ich zumindest.

Doch wenn man – wie ich – aus alter Gewohnheit – am Mac iTunes öffnen will, dann läuft man ins Leere. Mit einer gewissen (ferienbedingten) Verzögerung ist mir der Grund dafür eingefallen: iTunes musste 2019 über die Klinge springen. Für Windows gibt es die Software noch, aber bei Apples eigenen Computern wurde sie mit Mac OS 10.15 (Catalina) durch die Musik-App abgelöst. Na gut, starte ich also die Musik-App. Dort gibt es die Rubrik iTunes Store, und ich wähne mich am Ziel.

Auf der Suche nach einer Suchmöglichkeit

Doch halt: Wie gelange ich nun zu den gesuchten Titeln, um sie zu erwerben? Auf der Seite des Stores werden ein paar Dutzend Titel angezeigt, u.a. Neuerscheinungen, Titel nach Rubrik, Top-Titel, Today’s Hits und Vorbestellungen. Ich stelle aber fest, dass die von mir gesuchten Titel nicht auf dieser Startseite zu finden sind. Das ist nicht ganz unerwartet, da sie nicht zu den Neuerscheinungen und den heutigen Top-Titeln gehören. Doch ein Suchfeld, um sie aufzustöbern, gibt es auf dieser iTunes-Store-Seite nicht.

Wenn man sich an den neuen Namen der App erinnert, wird man fündig.

Ich versuche es über das Feld Suchen, das in der Menüleiste der Musik-App links oben zu finden ist. Das führt tatsächlich ans Ziel – aber nur, wenn man schnallt, dass rechts bei den Suchbereichen von Deine Mediathek auf iTunes Store umgestellt werden muss.

Das habe ich erst beim zweiten Versuch kapiert. Beim ersten Versuch kam ich stattdessen auf die Idee, die Songs am iPhone zu erwerben. Ich habe dort die Musik-App aufgestartet und festgestellt, dass hier kein Store vorhanden ist. Aber gibt es den am Smartphone und Tablet gar nicht mehr?

Eine seltsame Inkonsistenz

Der iTunes Store am iPhone: Vor lauter Werbung ist die Musik kaum zu sehen.

Nachdem ich gegoogelt und mich wie ein Trottel gefühlt hatte, bin ich auf den iTunes Store gestossen. Beim Smartphone und Tablet gibt es für Medienkäufe eine separate App. Sie hält die Rubriken Musik, Filme und Töne – d.h. Klingeltöne – bereit.

Das ist eine seltsame Inkonsistenz zwischen dem Mac auf der einen und iPhone/iPad auf der anderen Seite. Was die Filme angeht, ist die Sache noch seltsamer: Am iPhone und iPad gibt es eine Kaufmöglichkeit in der TV- als auch in iTunes Store-App. Noch störender ist allerdings, dass die Hauptaufgabe der Store-App nurmehr darin zu bestehen scheint, Werbung für Apples Streamingangebote zu machen. Die Store-Seite für die Musik ist durchseucht von Bannern für Apple Music und Apple Music Classical.

Bloss noch ein Marketing-Vehikel?

Und ja, ich bin auch selbst daran schuld: Wie viele andere nutze ich die Kaufmöglichkeit für Musik nur noch sporadisch – etwa dann, wenn ich Filme schneide.

Trotzdem finde ich es traurig zu sehen, wie dieses einstmalige Vorzeigegeschäft heute ein Schattendasein fristet. Erinnern wir uns: Der iTunes Music Store war einer der grossen Coups von Steve Jobs. Er war es, der die Musikbranche dazu zwang, sich neu zu erfinden. Und auch wenn es heute so wirkt, als ob der Download nur eine Zwischenstation zum Streaming gewesen wäre, so hat er die digitale Transformation dennoch überhaupt erst ermöglicht. Allein deswegen sollte Apple den Store in Ehren halten. Und vielleicht, wer weiss?, gäbe es auch noch Möglichkeiten zur Weiterentwicklung.

Es steht völlig ausser Frage, dass nebst dem Streaming die Kauf-Medien weiterhin ihre Berechtigung haben. Erstens natürlich, weil nicht alle Leute Streaming-Fans sind und es nach wie vor gute Gründe gibt, eine herkömmliche Musiksammlung zu pflegen – sei es auf Musikträgern, sei es in Form von Audiodateien.

Zweitens aber vor allem auch wegen der Unabhängigkeit: Denn wie wir wissen, bestimmen die Streamingdienste über das Angebot. Titel kommen und gehen, und nur was wir gekauft und auf einer eigenen Festplatte liegen haben, steht uns jederzeit zur Verfügung.

Beitragsbild: Die grosse Vernachlässigung (Quirkjunkjournals, Pixabay-Lizenz).

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