Mr. Spocks Soziologiecomputer

Der Computer in Hollywood­wood­pro­duk­tionen ist ein Geselle, der mit un­seren digi­talen Gerät­schaf­ten wenig gemein hat: Er ist oft all­wis­send, manch­mal besser­wis­se­risch und gele­gent­lich auch ab­grund­tief böse.

Wenn es einen Gegenstand gibt, der in Hollywood ein Dasein als Mauerblümchen fristet, dann ist es der Computer. Andere technische Instrumente wie Autos oder Waffen sind viel häufiger im Einsatz. Sogar Dinge wie Space-Shuttles, die gemessen an der Verbreitung von Personal Computern extrem selten sind, werden actionreich in Szene gesetzt. Computer sind hingegen nur Kulisse. In wie vielen Ami-Sitcoms stehen dekorative iMacs herum, die niemals aufgestartet werden?

Gestern habe ich mir «War Games» angeschaut. Ein noch ziemlich halbwüchsiger Matthew Broderick betätigt sich als Hacker. Er klemmt den Akustikkoppler aufs Telefon und lässt auf der Suche nach dem Computersystem eines Game-Herstellers seinen Rechner aufs Geratewohl Nummern anwählen. 25 Jahre später, im Zeitalter des Internet, wäre das mit einem Portscanner doch ein deutlich komfortablerer Vorgang.

WOPR ist nicht zurechnungsfähig

«War games» ist, was Computer angeht, eine Ausnahme. Hier sind Computer mehr als Kulisse. Einer spielt sogar eine Hauptrolle. Die Figur heisst WOPR. Sie ist ein Computerprogramm und sogar der eigentliche Bösewicht des Films. Sie löst aufgrund ihres antrainierten Spieltriebs fast einen Atomkrieg aus.

Doch der kindliche WOPR gibt einen schlechten Schurken ab. Man sieht von ihm nichts als farbige Lämpchen und helle Buchstaben auf einem Schirm. Ausserdem scheppert bei seinen Auftritten eine künstliche Stimme aus dem Lautsprecher. Das toppt zwar die schauspielerische Leistung von Steven Seagal, haut einen aber trotzdem nicht aus den Schuhen.

Dass Computer fade Leinwandhelden abgeben, ist aber nicht das grösste Problem. Viel schlimmer ist ihre Unglaubwürdigkeit. Dieser WOPR ehrt seinen Vater, als ob er die Bibel gelesen hätte. Er updatet sich selbst und ist lernfähig. Mehr noch: Er hat zwar noch nicht einmal ein GUI, aber dafür das Talent zur Einsicht und zur Erkenntnis.

Windows straft Hollywood Lügen

Eben. Jeder, der für fünf Minuten mit Windows gearbeitet hat, weiss, dass Computer nichts davon haben. Und wer daran zweifelt, sei an Karl Klammer erinnert, Microsofts Word-Assistent, der einem zwanzigmal am Tag mit seiner Hilfe beim Briefschreiben nerven konnte.

Zugegeben: Im Jahr 1983 hatte Microsoft 383 Angestellte, einen Umsatz von 69 Millionen und im Bewusstsein des Durchschnittskinobesuchers noch keinen Platz. Der Plot ist aus damaliger Sicht also durchaus vertretbar, auch wenn man kritisieren kann, dass die Geschichte der kriegführenden Computer schon Jahre mindestens so prägnant erzählt worden ist. Nämlich 1967 in Star Trek in der Folge «A Taste Of Armageddon» (bei «Raumschiff Enterprise» heisst diese Folge «Krieg der Computer»).

Vermenschlichte Computer sind wenig überzeugend

Trotz all der Kritik bin ich aber durchaus der Meinung, dass sich Computer sehr wohl als Komparsen für Film und Fernsehen eignen. Die Drehbuchautoren dürfen es sich nicht zu einfach machen. Vermenschlichen kann man Hunde oder Delphine, bei PCs wirkt es inzwischen nur noch lächerlich. Und wenn man das trotzdem tun will, muss man es richtig tun: Mit Sciencefiction vom Feinsten. Denn wenn Kirk seinem Sicherheitsoffizier Mr. Spock befiehlt, mithilfe des Soziologiecomputers eine Lösung zu finden, kann auch der grösste Nerd von heute nicht wissen, ob es den bei Sternzeit 4598,0 nicht wirklich gibt. Hoffen wir mal, dass seine Software nicht von Microsoft stammt, sondern von der Open-Source-Community.

Siehe dazu auch mein Tagi-Artikel Wenn der Computer die Löcher im Drehbuch stopft.

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