Beitragsbild: Kara Swisher am 21. Mai 2019 an der Collision Conference in Toronto (Collision Conf/Flickr.com, CC BY 2.0 Deed).
Falls es unter den Tech-Journalistinnen und -Journalisten so etwas wie Prominenz geben sollte, dann ist Kara Swisher das Aushängeschild dieses Grüppchens.
Sie hat, zusammen mit Walter Mossberg, die Tech-Berichterstattung geprägt und zur Einsicht beigetragen, dass das nicht ein abseitiges Themengebiet ist, das für Berufsleute übrigbleibt, die nichts von Politik, Wirtschaft, Sport und dem Regenbogen verstehen. Swisher ist es gelungen, jegliche Zweifel zu beseitigen, wie wichtig diese Arbeit für Gesellschaft und alle Individuen ist, die in ihrem Leben mit «Tech» zu tun bekommen – was inzwischen wir alle sind.
Darum habe ich mich gefreut, über Swishers Autobiografie einen Einblick in ihre Arbeit zu bekommen. Und ja, ich gebe eines gern zu: dass nicht nur Vorfreude und Neugierde mit dabei waren. Als Berufskollege wandle ich in ihren Fussstapfen, wenngleich meine Schuhsohlen viel kleiner als ihre sind. Es hilft nichts, darum herumzueiern, auch wenn es das Ego womöglich schmerzt: Aber ich bin tatsächlich nicht per Du mit Elon, Mark, Satya, Sergey, Larry und Sundar.
Die Autobiografie heisst Burn Book (Amazon Affiliate); auf Deutsch ist es meines Wissens bisher nicht erschienen.
Alles wie erwartet
Leider war das Buch eine Enttäuschung. Warum dieses Gefühl dominiert, fällt mir schwer, präzise in Worte zu fassen. Ein Aspekt ist mein nicht ausreichend gestillter Wissensdurst – ich habe einfach nicht sehr viel Neues erfahren.
Das könnte eine Beruhigung für mich sein: Das Gefühl belegt, dass ich, auch wenn ich nicht im Silicon Valley stationiert bin und kein vergleichbares Adressbuch besitze, mir über die Jahre dennoch ein stimmiges Bild der Branche angeeignet habe.
Vielleicht schürft dieses Buch auch nicht so tief, wie es möglich gewesen wäre. Und fraglos ist es ein eitles Buch.
Es gibt viel Namedropping. Swisher lässt auch keinen Zweifel daran, dass die Handynummer von jedem in ihren Kontakten hat, der im Silicon Valley Rang und Namen hat – und dass die Leute ihre Enthüllungen fürchten:
Die grössten Leaks kamen natürlich von den am schlechtesten geführten Unternehmen. Die Yahoo-Chefin Carol Bartz hasste es, dass ich so viele Scoops bekam, und drohte einmal damit, einen Mitarbeiter zu feuern, von dem sie glaubte, dass er mich mit Informationen versorgte. Dieser Mitarbeiter war nicht meine Quelle, also rief ich den PR-Chef an, um die Sache richtig zu stellen: «Ich mache so etwas nie», erklärte ich, «aber das ist nicht die Person, die mir Informationen zuspielt. Und wenn Sie sie feuern, werde ich einen Artikel darüber schreiben, dass Sie jemanden zu Unrecht gefeuert haben. Und übrigens, warum verbringt Ihr Boss seine Zeit mit solchem Kleinkram und kümmert sich nicht um Yahoo?»
Alles Kindsköpfe
In der Summe erfahren wir ungefähr das, was wir schon zu wissen glaubten: Marc Andreessen ist einer der manipulativsten Thaumaturgen des Valley. Elon Musk schreibt Mails, in denen er Leute als «Arschloch» tituliert. Mark Zuckerberg trägt gern Hoodies, auch wenn er in denen schwitzt wie ein Ferkel. Und die allermeisten dieser Leute dort sind Kindsköpfe:
(…) Viele dieser Gründer und Innovatoren waren unvorsichtig. Eine Haltung, die sich am besten mit dem Motto auf den frühen Facebook-Büroplakaten zusammenfassen lässt: «Move fast and break things». Ich weiss, dass es sich um eine Parole für die Software-Entwicklung handelte, die später geändert wurde (Facebook-CEO und Mitbegründer Mark Zuckerberg tauschte ihn 2014 scherzhaft in «Move fast with stable infra» um, wobei das «Infra» für Infrastruktur steht), aber ich denke immer noch, dass er eine tief sitzende Kindlichkeit widerspiegelt. Kinder lieben es, Dinge zu ruinieren. An und für sich hätte ich «Move fast and change things» bevorzugt. Oder, noch erwachsener, «Move fast and fix things».
Zu oberflächlich? Vielleicht muss die Erkenntnis an dieser Stelle auch lauten, dass dieses vage Gefühl der Unbefriedigung nicht die Schuld des «Burn Book» ist, sondern der Tech-Branche selbst. Vielleicht handelt es sich um ein so oberflächliches Geschäft, in dem um Macht und Geld die Hauptrolle spielen und in das wir darüber hinaus nicht zu viel hineininterpretieren sollten.
Damit diese Rezension dennoch ein versöhnliches Ende findet …
… halt, bevor es so weit ist, muss ich doch noch eine Kritik anbringen: Es ist ein Fehler, dass Kara Swisher das Hörbuch selbst liest. Sie prescht manchmal in einem Tempo durch die Sätze, dass die Artikulation leidet. Das macht sie in ihren Podcasts besser.
Halt – ein paar nette Menschen gibt es doch!
So, jetzt aber zum versöhnlichen Ende. Das besteht in der Erkenntnis, dass es in der Tech-Branche auch ein paar umgängliche Menschen gibt: Kevin Systrom, Brian Chesky oder Tony Hsieh, um einige zu nennen, denen Swisher ein eigenes Kapitel widmet.
Und einem, einem einzigen, widmet die Autorin so etwas wie eine Liebeserklärung: Dave Goldberg ist 2015 gestorben. Er war der Ehemann von Facebooks Co-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg. Swisher schreibt Folgendes über ihn – und das Wort Mensch, das sie braucht, lautet auch im englischen Original auf Jiddisch «mensch»:
Ich vertraute darauf, dass Dave – Spitzname Goldie – mir die Wahrheit sagte, wann immer ich ihn anrief, und das kann ich nicht von vielen Leuten behaupten, über die ich berichte. Es war schwer, für jemanden, der so ein mensch war, keine Zuneigung zu empfinden. In einer Lobrede auf ihn bemerkte ich: «Das ist genau das Wort, mit dem man Dave beschreiben würde – ein jiddischer Begriff, der eine Person von Integrität und Ehre bedeutet, ein aufrechter Kerl, jemand, den man bewundern und nachahmen sollte, ein Fels in der Brandung der menschlichkeit.»