Vor vier Jahren habe ich eine Software getestet, die eigenmächtig Logos gestaltet. Meine Reaktion damals war verhalten: «Logojoy» hat keinen Geniestreich produziert. Keines der Signete hätte ich verwenden wollen. Aber ich habe immerhin attestiert, dass man die Beispiele nutzen könnte, um einem Grafiker aus Fleisch und Blut eine Richtung vorzugeben.
Aber vielleicht ist das inzwischen alles anders? Denn in den letzten Jahren und vor allem 2022 hat die künstliche Intelligenz bzw. das maschinelle Lernen Fortschritte gemacht – also drängt sich die Frage auf, ob diese Entwicklung auch Leuten zupass kommt, die gerne ein Logo nutzen würden, dafür aber keine zwei- oder dreistellige Summe auf den Tisch legen möchten.
Und natürlich: Es existieren längst Dienste, die die Verheissungen der KI auf den Bereich der Logo-Gestaltungen übertragen haben. Einer ist – und das kommt jetzt wenig überraschend – logoai.com. Dieser Algorithmus fabriziert nicht nur Logos, sondern verspricht noch mehr: Sie liefere auch passendes Briefpapier, Merchandising-Artikel und eine Marke, «die Sie lieben werden».
Werde ich es lieben? Spoiler: Nein
Da mein Blog noch immer ein Favicon hat, das ich in fünf Minuten selbst gebastelt habe, probiere ich es mit einem Logo für diese Website hier:
Für den Kreationsprozess geben wir den Namen und optional einen Slogan an. In einem zweiten Schritt wählen wir die Branche, wobei 24 Kategorien zur Auswahl stehen¹. Dann geben wir ein Farbschema an, wobei wir sechs Varianten zur Auswahl haben² und entscheiden uns dann für einen Schriftstil, wiederum mit sechs Varianten³. Und das wars auch schon: Beim nächsten Klick werden die Logos erzeugt, wobei wir in einer ersten Auwahlsendung 21 Varianten erhalten.
Diese können nun manuell modifiziert werden und es ist möglich, sie mit Symbolen anzureichern. Bei meinem zweiten Versuch mit einem Logo für unseren Nerdfunk-Podcast ergänze ich auf diese Weise ein schematisches Radio, sodass wenigstens ein kleiner optischer Bezug zum Audio-Bereich entsteht.
Und damit sind wir auch schon beim Fazit: Das ist kein Deut besser als seinerzeit bei «Logojoy». Die Vorschläge sind derartig unoriginell und abgelutscht, dass sie eigentlich nur eins vermitteln: Wer dieses Logo verwendet, hat kein Geld und/oder kein Selbstwertgefühl. Das in fünf Minuten selbst gebastelte Werk bleibt die bessere Wahl, weil es in seiner ganzen Unzulänglichkeit immerhin eine persönliche Note des Erstellers enthält. Man könnte sagen, dass es wenigstens authentischer Trash ist.
Das war nicht anders zu erwarten
Klar, das war nicht anders zu erwarten: Mit so wenigen Eingangs-Parametern kann nur maximale Beliebigkeit entstehen. Denn auch die grossartigste Gestaltungs-KI kann kein individuelles Werk erschaffen, wenn sie nichts über die Organisation weiss, die es zu repräsentieren gilt. Wenn wir einen Grafiker mit der Gestaltung eines Logos beauftragen würden, dann würde der ein ausführliches Gespräch mit uns führen wollen: Er würde verstehen wollen, wie unsere Organisation tickt, was unsere Werte sind, ob eine Tradition haben oder uns als junges, disruptives Start-up verstehen und vieles mehr.
Mit anderen Worten: Eine KI, die tatsächlich eine Chance hätte, ein brauchbares Logo zu gestalten, müsste nach einem gänzlich anderen Prinzip funktionieren. Statt nach Farbvorlieben und Schriftarten zu fragen, bräuchte es einen offenen Dialog, bei dem sie so viele Informationen sammelt, wie sie benötigt, um so etwas wie eine Essenz herauszuarbeiten, die sich grafisch repräsentieren lässt.
Dieses Verfahren lässt sich nicht formalisieren, weil es ein kreativer Prozess ist: Es findet eine Übersetzungsleistung statt, bei der immaterielle Dinge in eine bildliche Form übertragen werden. Und dass sich dieser Vorgang mittels Algorithmen abbilden liesse, ist derzeit nicht absehbar.
Ein Totalausfall
Das liegt auch daran, dass es keine richtige oder falsche Lösung gibt, sondern nur Resultate, die den einen gefallen und den anderen nicht. Eine solche schöpferische Leistung ist derzeit etwas, das uns Menschen vorbehalten bleibt. Das maschinelle Lernen basiert darauf, dass es so etwas wie richtige oder falsche Lösungen gibt – oder zumindest solche, die nach einem nachvollziehbaren Schema als gut oder schlecht eingestuft werden. Aber genau diese Einteilung ist bei einem künstlerischen Akt nicht gefragt.
Also, als Software-Tipp ist Logo-AI ein Totalausfall – leider nicht zu empfehlen⁴. Aber die Web-Anwendung ist überaus hilfreich, wenn es darum geht, die Grenzen der künstlichen Intelligenz zu verstehen. Ich versteige mich an dieser Stelle zur Behauptung, dass das ein zeitgemässer Nachfolger des Turing-Tests sein könnte: Wenn eine KI ein Logo hinbekommt, das Tyler Brûlé ein zustimmendes Nicken abringt, dann hat sie eine menschliche Eigenschaft gemeistert, nämlich die gestalterische Kreativität – die bekanntlich schon unsere Vorfahren in den Höhlen für sich entdeckt haben.
Bis dahin sollten wir uns hüten, den KIs irgendwelche hellseherischen Fähigkeiten zu attestieren – denn darauf basiert meines Erachtens das Geschäftsprinzip von Logo-AI: Denn angesichts der KI-Hypes in den Medien könnte man schon auf die Idee verfallen, dass diese Algorithmen in irgendeiner Weise magische Dinge vollbringen können. Vor diesem Trugschluss gilt es zu schützen⁵.
Fussnoten
1) Reisen, Sport, Fitness, Einzelhandel, Religion, Immobilien, Recht, Internet, Technologie, Haus, Familie, Veranstaltungen, Medizin, Zahnmedizin, Restaurant, Finanzen, Non-Profit, Unterhaltung, Bauwesen, Bildung, Beauty Spa, Automobil, Haustiere und andere. ↩
2) Warm, Kalt, Kontrast, Pastell, Graustufen, Farbverlauf. ↩
3) Modern, Elegant, Slab, Handschriftlich, Verspielt, Futuristisch. ↩
4) Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Erzeugung der Logos kostenlos ist. Wenn ein Logo weiterverwendet werden soll, muss man es kaufen: Für 29 US-Dollar erhält man es in einer Auflösung von 800 auf 600 Pxeln. Für die hochauflösende Variante bezahlt man 59 US-Dollar und für 99 US-Dollar gibt es zusätzlich eine animierte Variante. In diesem «Brand» genannten Paket ist auch die Möglichkeit enthalten, Briefpapier, Visitenkarten, Poster und Mockups zu generieren. ↩
5) Weswegen ich von der Lektüre von Artikeln abraten würden, in denen z.B. eine künstliche Intelligenz «in die Sterne schaut»: Das ist dann gleich doppelt abergläubisch, weil man einerseits die Astrologie propagiert und andererseits die KI in die Rolle eines übersinnlichen Mediums versetzt. ↩
Beitragsbild: Hässliche, computergenerierte Logos bitte hier entsorgen (Jonathan Wilkins, Pixabay-Lizenz).
Schlimm wird es, wenn Grafiker auf solche Lösungen zurück greifen 🙂
Ein wichtiger Punkt fehlt:
Was ist mit den Nutzungsrechten?
Gute Frage! In den Nutzungsbestimmungen heisst es wie folgt:
Allerdings muss nach Schweizer Urheberrecht ein Design eine gewisse Schöpfungshöhe haben, um einen urheberrechtlichen Schutz zu geniessen. Ich bin kein Jurist, aber mir scheint fraglich, ob diese Bedingung hier gegeben ist.