Eine App von Microsoft, die Excel beerben könnte

Warum hat Microsoft nebst Onenote und der To-do-App mit Lists auch eine App für Daten­samm­lungen im Angebot? Um Infor­ma­tionen struk­tur­iert zu ver­walten – und viel­leicht auch, um einer moder­nen Office-Suite den Weg zu ebnen.

Microsoft hat drei Apps im Angebot, die sich alle mit Notizen, Aufgaben und Listen beschäftigen. Da ist Onenote als umfangreiche Anwendung, mit Funktionen fürs Sammeln von Informationen aus dem Web, mit Handschrift-Erkennung, Audio-Kommentaren und noch viel mehr. Es gibt die To-Do-App – und neulich bin ich Microsoft Lists begegnet.

Ich schätze es, die Auswahl zu haben. Trotzdem stellt sich die Frage: Ist das nicht zu viel des Guten? Oder unterscheiden sich diese Apps in der Tat sosehr, dass sie alle ihre Daseinsberechtigung haben?

Um das herauszufinden, habe ich mir überlegt, wozu Microsoft Lists besser taugen würde als die anderen Apps – bzw. die Notiz-App meiner Wahl. (Was trotz einer Panne nach wie vor Simplenote ist.) Und ich bin in der Tat auf einen solchen Einsatzzweck gestossen.

Bevor ich den erkläre, der Hinweis, dass es Microsoft Lists als App fürs iPhone und für Android gibt. Verblüffenderweise gibt es keine App für Windows. Um die Listen auf dem Desktop zu verwalten, müssen wir mit der Web-Variante vorliebnehmen, die über lists.live.com zugänglich ist.

Daten auf strukturierte Weise verwalten

Also, der Vorteil gegenüber klassischen Notiz-Apps liegt darin, dass wir Listen in strukturierter Weise verwalten – im Grund haben wir es mit einer simplen Datenbank zu tun. Ein Eintrag hat einen Titel, und kann darüber hinaus mit zusätzlichen Feldern ausgestattet werden. Wir können folgende Elemente (Spalten) ergänzen:

  • Datum und Uhrzeit
  • Mehrere Textzeilen
  • Person
  • Zahl
  • Ja/Nein
  • Hyperlink
  • Bild
  • Nachschlagen

Die dürften alle einleuchtend sein, bis auf der letzte Spalten- bzw. Datentyp. Mit Nachschlagen geben wir eine Auswahl von Elementen vor, die in einer anderen Liste gespeichert sind: Man könnte sagen, dass hier die rudimentäre Form einer relationalen Datenbank entsteht.

Die Themenverwaltung in Lists, bei der Themen für einzelne Medien eingeplant werden.

Der Clou ist jetzt, dass sich die Listen ohne Aufwand nach einzelnen Spalten sortieren und filtern lassen. Es ist möglich, gefilterte und sortierte Ansichten abzuspeichern und mit Regeln zur bedingten Formatierung auszustatten, sodass bestimmte Elemente besonders ins Auge stechen. Es ist auch möglich, solche Ansichten nicht nur in Listenform (als Raster) darzustellen, sondern in zwei weiteren Ansichten:

  • In der Kartenansicht erscheint jeder Eintrag als separate Box.
  • Als Kalenderansicht. Bei dieser Option können wir eine Spalte mit Datum und Uhrzeit als Start- und/oder Enddatum auswählen, oder aber auf das Erstellungs- oder Änderungsdatum eines Eintrags Bezug nehmen.

In beiden individuellen Ansichten dürfen wir einzelne Felder ausblenden, und es ist möglich, die ganze Liste oder aber nur einzelne Ansichten für andere Leute freizugeben.

Der Karten-Designer erlaubt es, Datenfelder ein- und auszublenden.

Eine Liste statt vier

Mein Experiment mit Lists bezog sich auf die Themenplanung. Und ja, das ist mein Standard-Testszenario in solchen Fällen – weil ich etwas einfallslos bin und weil das in der Tat das ist, wofür ich auch meine klassische Notiz-App meistens brauche. Für diesen Zweck hat Lists einen klaren Vorteil: Bei der herkömmlichen Notiz-App verwende ich separate Listen fürs Blog, die Tamedia-Artikel, meine Sonntagszeitungs-Rubrik und die Nerdfunk-Radiosendung

Mit Lists ist es kein Problem, alle Themen in einer einzigen Liste zu verwalten. Damit ich sehe, wo ich ein Thema abhandeln will, habe ich für jedes Medium eine Ja/Nein-Spalte eingerichtet. Auf diese Weise ist es ein Klacks, ein Thema umzuplatzieren oder auch für mehrere Medien einzuplanen. Wenn ich die Themen sehen will, die ich z.B. für mein Blog vorgesehen habe, dann filtere ich die Liste oder verwende eine vorgefertigte Ansicht. Ausserdem habe ich eine Spalte für die Priorität eingerichtet. Mit deren Hilfe lassen sich die drängenden Themen an den Anfang sortieren. Und es gibt ein Notizen-Feld. Das macht die Liste übersichtlicher, als wenn ich die Anmerkungen einfach hinter die Themenidee schreibe, wie das bisher der Fall ist.

Über die bedingten Formatierungen werden die Themen mit der höchsten Priorität farblich hervorgehoben.

Eine gute, aber nicht brandneue Idee

Fazit: Diese Listen sind flexibler als klassische Notizen, und für meine Zwecke eigentlich besser geeignet. Microsoft Lists erinnert an Anwendungen wie Airtable und Spreadsheet.com. Auch Anklänge an Notion sind festzustellen – wenngleich diese Apps allesamt einen deutlich grösseren Funktionsumfang haben und darum vorzuziehen sind, wenn es nicht um banale Anwendungsfälle geht. Ich würde fürs geschilderte Beispiel am ehesten Airtable verwenden, weil bei dieser Anwendung meines Erachtens die Funktionsvielfalt und die einfache Bedienung am besten in Einklang stehen.

Und damit steht ein dicker Elefant im Raum: Vor allem Airtable und Spreadsheet.com sind weniger eine Konkurrenz zu einer klassischen Notizen-App als vielmehr eine Art moderner Nachfolger der Tabellenkalkulation. Ich habe mich seinerzeit bei der Vorstellung der beiden Apps sogar gefragt, ob angesichts der neuen Konkurrenz womöglich ausgedient hat.

Ein Prototyp für die nächste Generation von Excel und Access?

Das wirft die interessante Frage auf, warum Microsoft dieses Instrument zur Listenverwaltung als separate App baut und nicht in Excel oder Access integriert – was naheliegend wäre. Ist die Erkenntnis gereift, dass diese traditionellen Produkte zu wenig «agil» für manche Ansprüche sind? Oder sehen wir hier so etwas wie einen Prototypen für eine modernere Neuauflage von Excel und/oder Access – und damit eine Antwort auf Airtable und Co.?

Darauf wage ich keine Antwort. Auf alle Fälle macht Microsoft Lists einen halbgaren Eindruck: Die App hat zwar spannende Ansätze, ist aber nicht so ausgereift, dass ich sie tatsächlich produktiv würde einsetzen wollen. Warum gibt es beispielsweise nur eine derart dürftige Exportfunktion, die die Daten im CSV-Format exportiert? Eine Verzahnung mit all den anderen Microsoft-Produkten, die in diesem Blogpost erwähnt worden sind, läge auf der Hand.

Es bleibt abzuwarten, ob Microsoft Lists eine glänzende Zukunft in einer modernen Weiterentwicklung der Office-Suite erwartet, oder ob es sich um ein Experiment handelt, das irgendwann sang- und klanglos eingestellt wird. Ich würde eher auf letzteres tippen …

Beitragsbild: Diese Liste braucht keine Software – aber das Filtern und Sortieren wird eine Herausforderung (Glenn Carstens-Peters, Unsplash-Lizenz).

One thought on “Eine App von Microsoft, die Excel beerben könnte

  1. Lists basieren auf SharePoint und sind eigentlich nur (endlich) benutzerfreundlich konfigurierbare SharePoint-Listen. Die Funktionalität ist gewaltig, wenn auch erst auf den zweiten Blick sichtbar. Sie bieten eine Versionierung. Nichts ist einfach weg oder geändert. Man sieht, wer was wann geändert hat.

    Praktisch sind die konfigurierbaren Benachrichtigungen. Man kann sich sofort bei einer Änderung benachrichtigen lassen oder auch nur täglich oder wöchentlich. Dann erhält man einen Bericht in der Form „Status“ bei Element „XY“ wurde von „in Arbeit“ auf „abgeschlossen“ geändert.

    Ich sehe das im Einsatz als ganz einfaches Ticketsystem für kleine Firmen. Die Benutzer können Probleme und Wünsche eintragen, für die Priorität gibt es vorgegebene Werte und wenn ein Eintrag mit „Dringend“ erstellt wird, wird der IT-Dienstleister per E-Mail benachrichtigt. Der Geschäftsführer bekommt Ende Woche eine Zusammenfassung der geänderten Einträge.

    Mit Power Automate lassen sich auch komplexere Workflows abbilden und externe Daten einbeziehen.

    Für Einzelpersonen bringt Lists vielleicht nicht so grosse Vorteile, aber für Teams (und das kann auch die Familie sein) ist es ein gutes Werkzeug.

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