Wer der Cloud vertraut, hat auf Sand gebaut

Neulich wären mir fast alle meine ganzen digit­alen Notizen abhan­den­gekom­men. Das wäre nicht passiert, wenn ich meine eigenen guten Rat­schläge befol­gt hätte.

Obwohl ich gerne über die Risiken der Cloud-Nutzung predige, verwende ich für meine Notizen ein Progrämmchen, das ganz auf die Datenwolke setzt: nämlich Simplenote, eine schnelle Notiz-App ohne Schnickschnack.

Nun habe ich vor ein paar Tagen erlebt, wie lohnenswert es wäre, wenn ich selber auf mich hören würde. Simplenote hatte einen Aussetzer, der sich darin äusserte, dass wir Nutzer ausgeloggt wurden und uns nicht mehr anmelden konnten. Mit anderen Worten: Wenn ich gerade in dem Moment dringend auf meine Notizen hätte zugreifen wollen, wäre ich angeschmiert gewesen.

Statt der Notizen erscheint bloss ein unüberwindliches Login-Fenster.

Das Problem hat von Montag bis Donnerstagmorgen gedauert. Das ist für eine missionskritische Software unakzeptabel lange.

Die Frage stellt sich, ob ich nach diesen Erfahrungen Simplenote den Rücken nicht den Rücken kehren sollte. Denn wie ich festgestellt habe, gibt es auch keine Rückfallebene: Simplenote legt keinen lokalen Cache an, der es einem erlauben würde, offline auf den letzten Stand seiner Notizen zuzugreifen¹.

Daraus ergeben sich folgende Erkenntnisse:

Der Support ist wichtig

Wenn eine solche Panne auftritt, ist es wichtig, dass der Hersteller schnelle Hilfe anbietet. Im Fall von Simplenote ist das Resultat durchzogen: Auf der Website wurden keine Informationen zum Ausfall angeboten, was ein unverzeihliches Versäumnis darstellt. Das wurde wenigstens teilweise durch die Unterstützung auf Twitter via @simplenoteapp wettgemacht. Dort habe ich auch den (von Erfolg gekrönten) Tipp bekommen, das Passwort via app.simplenote.com/forgot zurückzusetzen.

Keine Verknüpfung von Nutzerkonten!

Neuerlich gelange ich zu der Feststellung, dass es klug wäre, wenn ich auf mich selbst hören würde: Nach entsprechenden Erfahrungen mit Spotify habe ich unmissverständlich und mehrfach festgehalten, dass es keine gute Idee ist, Dritt-Dienste zur Anmeldung zu benutzen.

Und was tue ich? Ich habe bei Simplenote kein separates Konto angelegt, sondern mich über mein Nutzerkonto von WordPress.com angemeldet. Das hat die Lösung des Problems in die Länge gezogen, weil die vorgeschlagene Massnahme, das Passwort zurückzusetzen, fürs Konto bei WordPress.com nichts gebracht hat. Offenbar hat Simplenote das Problem auch nur lösen können, indem meine Accounts auseinanderdividiert worden sind.

Es braucht ein lokales Backup

Und auch das predige ich andauernd: Es braucht von wichtigen Daten ein lokales Backup. Wer als Cloudnutzer nicht von einem Moment auf den nächsten dumm dastehen will, der muss so aufgestellt sein, dass eine Weiterarbeit auch offline möglich ist. Denn der Zugang zu den Konten von Google, Microsoft oder zur iCloud von Apple kann schlagartig verloren gehen.

Bei Simplenote gibt es die Möglichkeit, via File > Export notes eine lokale Kopie anzulegen. Diese Datei ist, auch wenn ihr die Endung fehlt, eine ZIP-Datei, die alle Notizen, inklusive der im Papierkorb befindlichen, gelöschten Erinnerungsstützen enthält. Damit lässt es sich arbeiten. Allerdings bräuchte es einen Automatismus, der die Daten regelmässig, d.h. mindestens einmal am Tag sichert.

Fazit: Man ist erst hinterher schlauer

Das Problem mit diesen Cloud-Lösungen ist, dass wir als Nutzer im Voraus nur erahnen können, welche Risiken die Nutzung beinhaltet. Die Zuverlässigkeit ist nicht abschätzbar. Von der bekommen wir erst eine Ahnung, wenn tatsächlich etwas schiefgegangen ist. Das müssen wir dringend im Hinterkopf behalten …

Fussnoten

1) Ich habe nachgeforscht: Mithilfe des guten alten Ressourcenmonitors (Herausfinden, warum Windows ächzt und stöhnt) finden wir heraus, dass Simplenote unter Windows seine Daten im Verzeichnis C:\Users\matth\AppData\Local\Packages\22490Automattic.Simplenote_9h07f78gwnchp speichert. Es gibt hier eine weit verzweigte Ablage, in der man unter \LocalCache\Roaming\Simplenote\databases die Datei Databases.db vorfindet.

Die lokal gespeicherte Datenbank scheint keine handfesten Informationen zu enthalten.

Sie wird als SQLite format 3 ausgewiesen, weswegen ich sie aus reiner Spass an der Freude mit einem passenden Programm (DB Browser for SQLite) geöffnet habe. Das zeigt eine Datenstruktur, aber keine Nutzdaten. Wenn die Notizen in sinnvoller Form auf der Festplatte gecacht sind, dann anscheinend nicht hier. Wir könnten an dieser Stelle noch etwas weiterforschen – oder aber zum Schluss gelangen, dass wir davon ausgehen müssen, dass ohne Cloud die Notizen nicht zugänglich sind.

Beitragsbild: Bits und Bytes, zu einer Cloud-Ablage aufgeschichtet (Hello I’m Nik, Unsplash-Lizenz).

4 Kommentare zu «Wer der Cloud vertraut, hat auf Sand gebaut»

  1. Die alte Krux mit der Cloud halt. Aber als Anregung. Hast du dir mal Obsidian.md angeschaut? Basiert alles auf Markdowndateien, die auch lokal abgelegt werden können. Ich habe mir das ganze System in OneDrive aufgebaut und sichere dies lokal an zwei Orten. Auf dem Handy synchronisiert eine App den Ordner von OneDrive mit einem lokalen Ordner.
    Sollte also was mit den Daten passieren, verliere ich, wenn überhaupt was, sicher nicht viel.

      1. Obsidian kannte ich noch nicht. Auf den ersten Blick sieht es aus wie Joplin, welches Du 2019 getestet hast. Aber die Verknüpfung der Notizen soll praktisch sein, es wechseln anscheinend viele Benutzer zu Obsidian. Bin sehr gespannt auf den Test!

        Und da soll noch einer sagen, solche Blogs hätten keinen Nutzwert! 😀

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