Wie man Dinge sagt, ohne sie zu sagen

Was bringt es, mit einem Verschwörungstheoretiker zu diskutieren? Ein Anschauungsbeispiel.

Falls das ein Schweizer Berg sein soll, schwenkt der Mann die falsche Flagge. (Bild: Dio Hasbi Saniskoro/Pexels, CC0)

Ich habe es wieder getan. Diese Sache, von der ich gesagt habe, dass ich sie nicht mehr tun werde. Nämlich, auf Wespennester zu schlagen. Bzw. mit Verschwörungstheoretikern zu diskutieren.

Dieses Mal bin ich in die Diskussion hineingestolpert und in einen längeren Facebook-Thread verwickelt worden, obwohl ich eigentlich nur kurz meine Meinung habe abgeben wollen. Es geht um Roger Schawinskis Buch über Verschwörungstheorien (Amazon-Affiliate). Die Medienwoche hat eine Besprechung dazu veröffentlicht, die ich nicht stehen lassen wollte. Ich schätze die Medienwoche aufrichtig, nicht zuletzt, weil sie immer mal Themen von mir aufgreifen 😊.

Doch in dem Fall hat sich die Medienwoche verrannt. Sie haben nämlich Schawinskis Buch über die Verschwörungstheoretiker von Stefan Schaer besprechen lassen, der mit den Worten «Er publiziert auf seinem Blog stefan-schaer.ch Inhalte, die andere als Verschwörungstheorien bezeichnen» vorgestellt wird. Das ist eine seltsame Distanzierung, die ich als Autor nicht so akzeptieren würde: Entweder publiziert ein Medium einen Beitrag, weil es hinter dem Autor und seiner Meinung steht. Oder es publiziert den Beitrag, um explizit einer Gegenposition Ausdruck zu verleihen. Dann sollte man das aber auch so deklarieren: «Wir lassen hier Roger Schawinskis Buch über Verschwörungstheoretiker von einem Verschwörungstheoretiker besprechen.»

Nicht nachzuvollziehen

Falls das die Intention gewesen sein sollte, stellt sich allerdings die Frage, was man sich davon verspricht. Natürlich werden die Kritisierten das Buch nicht gut finden. Das ist offensichtlich, und deswegen ist die Stossrichtung eines solchen Artikels von vornherein klar. Vielleicht ist die Argumentation gelungen. In dem Fall finde ich das nicht. Der Artikel ist viel zu lang und wenn man das Buch noch nicht gelesen hat, kaum nachzuvollziehen.

Und eben, es bleibt das Problem, dass die Medienwoche mit diesem Artikel einem Mann eine Plattform und damit Legitimation gibt, der Dinge publiziert, «die andere als Verschwörungstheorien bezeichnen». Da das nur «andere» tun, scheint die Medienwoche damit kein Problem zu haben. Will sie etwa diese Positionen normalisieren und sie in der Mitte der Gesellschaft positionieren? Das ist meiner Ansicht nach nicht sinnvoll. Medien wie die Medienwoche sollten Leuten kommentieren lassen, die Verschwörungstheorien explizit abschwören. Besonders dann, wenn es um ein Buch geht, das Verschwörungstheorien behandelt.

Denn, damit das auch noch gesagt ist, ich verstehe Verschwörungstheorien gemäss der Definition von Wikipedia als «Verschwörungsideologien», die «ihre stereotypen und monokausalen Vorstellungen über Verschwörungen gegen kritische Revision immunisieren». Will heissen: Die Theorien sind so vereinfachend gestrickt, dass sie nicht wahr sein können. Und gleichzeitig ist es unmöglich, sie zu widerlegen – so wie man eine wissenschaftliche Theorie falsifizieren können muss. Das ist einer Diskussion nicht zuträglich.

Zum Scheitern verurteilt

Im Gegenteil: Die Sache ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sie ist zermürbend und sogar kontraproduktiv. Denn wie der SWR hier erklärt, stärken Gegenargumente den Irrglauben oft nur noch:

Die bisherige Forschung zeigt, wenn jemand wirklich von einer Verschwörungstheorie überzeugt ist, dann kriegen sie den oder die auch nicht mehr davon ab. Es gibt empirische Untersuchungen, die nahelegen, dass jemand der mit schlüssigen Gegenbeweisen konfrontiert wird, danach noch stärker an diese Verschwörungstheorie glaubt. Von daher ist die Empfehlung, die die meisten meiner Kollegen derzeit aussprechen würden: Gar nicht diskutieren!

Aus diesem Grund hat die Medienwoche einen Fehler begangen, den sie korrigieren sollte.

Und aus dem Grund wirkt es umso seltsamer, wenn ich hier einen Teil der (öffentlich einsehbaren) Facebook-Diskussion mit Stefan Schaer zitiere und den kritisierten Fehler der Medienwoche auch begehe, indem ich dem Mann hier eine Plattform gewähre.

Doch ich tue es mit einer kritischen Würdigung und aus zwei Gründen: Erstens, weil ich einen Modus Operandi aufzeigen will. Stefan Schaer bringt sich nämlich als freundlichen und offnenen Gesprächspartner in die Diskussion ein:

Ich bin in Ihren Augen ein Truther und ein Verschwörungstheoretiker, wie ich gerade gesehen habe. Sie schreiben, Verschwörungstheoretiker seien nicht an einem konstruktiven Dialog interessiert.

Damit liegen Sie bei mir falsch. Ich bin interessiert. Also: Über was würden Sie gerne konstruktiv mit mir reden?

PS: Konstruktiv heisst: keine Beleidigungen, keine Pauschalurteile, belegbare Aussagen machen.

Daraufhin habe ich jene Frage gestellt, die ich für überaus wichtig halte: Nämlich die nach der Verantwortung:

Mich würde interessieren, ob Sie sich der zersetzenden Wirkung Ihres Tuns bewusst sind. Gesellschaften funktionieren IMHO nur, wenn man sich grosso modo vertraut – Bürger ihrer Regierung und umgekehrt. Wenn Sie nun, beispielsweise mit den Zweifeln an der offiziellen Erklärung zu 9/11 aber ohne echte Beweise konstant die Unterstellung am Leben halten, dass die Amerikaner und die Weltbevölkerung aufs massivste hintergangen wurden, dann treibt das einen Keil mitten in die Bevölkerung. Sehen Sie die damit verbundenen Gefahren? Und übernehmen Sie die Verantwortung dafür?

Die Antwort darauf lautete wie folgt:

Das heisst, Regierungen dürfen grundsätzlich nicht kritisiert werden, weil das «zersetzende Wirkung» hat? Oder wollen Sie von Fall zu Fall festlegen, ob etwas hinterfragt werden darf? Ist es Ihrer Ansicht nach z.B. richtig, das Tun einer Regierung zu hinterfragen, die eine Krieg führen will? Oder hat das zersetzende Wirkung, weil damit suggeriert wird, dass die Regierung lügen könnte?

Bezüglich 9/11: Will heissen, Sie sind der Meinung, dass man einen 3000-fachen Mord, der mehrere Kriege und zahllose Menschenrechtsverletzungen nach sich gezogen hat, einfach so in die Geschichte eingehen lassen soll? Nicht ich muss irgendwelche Beweise bringen, nein, die US-Regierung muss beweisen, dass ihre Version der Ereignisse richtig ist. Das hat sie bisher nicht getan. Wie ich schon hundert Mal gesagt habe: Viele wesentliche Aspekte der offiziellen Version beruhen auf Aussagen, die unter Folter gemacht wurden. Haben Sie kein Problem damit?

Auf meine Frage nach der Verantwortung ging Schaer nicht ein. Und gleichzeitig zeigt sich eine Schwierigkeit, die ich bei der Diskussion hatte. Stefan Schaer ist nämlich das, was ich einen «gemässigten Verschwörungstheoretiker» nennen würde. Anders als der Mann, auf den ich im Beitrag Wenn es unterm Aluhut hervorknistert bezug nehme, sagt er nämlich nicht, dass alle Terroraktionen grundsätzlich als «false flag» ablaufen. Er als Betreiber von 911untersuchen.ch stellt den offiziellen Untersuchungsbericht in Frage. Er hat Zweifel, denen er Ausdruck verleiht. Und obwohl er sich nach eigenen Aussagen seit 15 Jahren mit 9/11 beschäftigt, hat er, Zitat, «keine Ahnung», wer es denn war, wenn die offizielle Darstellung nicht zutreffen sollte.

Verschwörungstheoretische Kampftechnik

Der zweite Grund für den Blogpost hier ist die interessante und durchaus wirkungsvolle Technik, mit der Stefan Schaer es geschafft hat, ein Diskussionsangebot zu machen und darauf mit sehr vielen Worten nicht einzugehen. Er hat meine Frage nach der Verantwortung offen gelassen – und das mit einer Technik, die ich inzwischen auch schon des öfteren erlebt habe. Es handelt sich um die Technik, Dinge zu sagen, ohne sie wortwörtlich zu sagen. Das ist letztlich eine sehr klare und deutliche Antwort auf meine Frage nach der Verantwortung: Es ist eine Methode, sich der Verantwortung zu entziehen.

Meine Schwierigkeit bei der Diskussion war nämlich, dass ich Schaer nicht gut genug kenne (wieso sollte ich auch), um zu wissen, ob der Mann 9/11 jemals explizit als hausgemacht, als «Operation unter falscher Flagge» bezeichnet hat. Ich habe ihm das unterstellt und genau an dieser Stelle hat er sich festgebissen. Das sieht man schon bei seiner allerersten Bemerkung, wo er «belegbare Aussagen» fordert.

Also, ich nehme an, er hat es tatsächlich nie gesagt, weswegen ich ihm den geforderten wortwörtlichen Beleg nicht liefern kann. Das Problem ist allerdings, dass man Dinge, die man nicht klar sagt, auch insinuieren kann. Man lässt sein Gegenüber zum gewünschten Schluss kommen, ohne dass man die entsprechenden Worte ausspricht. Das ist eine raffinierte Taktik, wie sich zeigt: Man kann nicht behaftet werden und sich einer Anklage – wie ich sie formuliert habe – entziehen. Und trotzdem steht diese Sache im Raum und ist Thema der Diskussion – genauso, wie wenn einer es klar und deutlich ausgesprochen hätte.

Andeutungen über Andeutungen

Ich werde die Technik an dieser Stelle nun einmal selbst anwenden: Sage ich, dass Stefan Schaer gesagt hat, 9/11 sei ein «Inside Job»? Nein, das sage ich nicht. Im Gegenteil, ich würde eidesstattlich aussagen, dass ich vermute, dass das nicht der Fall ist.

Doch was halte ich von Stefan Schaers Antwort auf meine Frage, ob er denn glaubt, dass 9/11 ein Inside Job war? Ich halte sie persönlich für unzureichend. Und zwar für genauso unzureichend, wie der Untersuchungsbericht der US-Regierung zu 9/11 in Stefan Schaers Augen ist. Konkret meine Frage: «Sie glauben also nicht, dass 9/11 ein Inside Job war?». Seine Antwort: «Was ich persönlich glaube, tut überhaupt nichts zur Sache.»

Das ist natürlich ein Irrtum: Denn seine persönliche Motivation ist ein entscheidender Faktor bei meiner ursprünglichen Frage nach der Verantwortung. Will er einfach nur einen besseren Untersuchungsbericht zu 9/11, der auch zum genau gleichen Resultat kommen könnte wie der alte? Oder geht es halt doch um die alte These, dass wir von den Evil Overlords von hinten bis vorne beschissen werden?

Ich werde hier im Blog meine persönliche Ansicht dazu nicht kundtun. Aber die Leserinnen und Leser, die gerne zwischen den Zeilen lesen, werden meine Position womöglich erahnen.

Im «Alle lügen»-Milieu

Und damit ich doch noch etwas deutsch und deutlich gesagt habe, sage ich, dass man sich heute ganz klar von der Theorie der False-Flag-Operation distanzieren muss, wenn man einen besseren Untersuchungsbericht zu 9/11 fordert und nicht für einen Verschwörungstheoretiker gehalten werden will. Denn wenn man die letzten 15 Jahre nicht unter einem Stein gelebt hat, muss man sich im Klaren sein, wie weit die Theorie inzwischen verbreitet und wie gross die Gefahr ist, sich ins «Alle lügen uns an»-Milieu zu begeben.

Also, hier noch die leicht gekürzte Diskussion, in Gänze bei Facebook nachzulesen. Schaer hatte mir in seiner Antwort ja unterstellt, ich würde mit der Frage nach seiner Verantwortung die Kritik an Regierungen unterbinden wollen. Das ist natürlich Unsinn; schliesslich kann man auch verantwortungsbewusst kritisieren. Meine Antwort also:

Selbstverständlich dürfen Regierungen kritisiert werden. In einer Demokratie kann man sie sogar abwählen. Und nein, ich bin kein Fan von George W. Bush und seiner Politik, im Gegenteil. Aber selbstverständlich müssen Sie Ihre Behauptungen beweisen. Eine Umkehr der Unschuldsvermutung ist nicht zulässig – Sie ist die Grundlage auch der Menschenrechte, die ich auf keinen Fall abschaffen will.

Umkehr der Unschuldsvermutung? Ich nehme mal an, Sie meinen eine Umkehr der Beweislast. Da sind wir uns einig: Wer jemandem vorwirft, 3000 Menschen getötet zu haben, der soll das beweisen. Daraus folgt: Die USA sollen beweisen, dass die offizielle Version richtig ist. Ich habe gar niemandem gar nichts unterstellt. Ausser: Ich und viele andere haben gezeigt, dass die offizielle Version von befangenen Leuten geschrieben worden ist, dass sie viele Lücken aufweist und zum Teil nicht funktioniert. Und vor allem, dass sie in weiten Teilen auf Folter beruht.

Selbst wenn es so sein sollte, dass die offizielle Version falsch ist, heisst das noch lange nicht, dass Ihre Theorie deswegen richtig ist. Es bleibt auch dann dabei, dass Sie Beweise erbringen müssen: Wer den Auftrag gab, die Finanzierung ermöglichte, die Sache ausführte. So lange Sie das nicht tun, sind Sie einfach nur einer, der Zweifel sät und das Klima vergiftet. Und damit Leuten wie Trump den Weg ebnen, die das Potential haben, noch viel grösseren Schaden anzurichten.

Zeigen Sie mir bitte, wo ich eine «Theorie» äussere. Merci!

«Was ich glaube, tut nichts zur Sache»

Sie glauben also nicht, dass 9/11 ein Inside Job war?

Was ich persönlich glaube, tut überhaupt nichts zur Sache. «Glauben» ist ohnehin nicht der richtige Ansatz. Es geht um Beweise.

Also: Sie schreiben, ich würde Theorien verbreiten. Bitte zeigen Sie, wo ich das tue. Sonst möchte ich sehr darum bitten, dass Sie aufhören, solche Sachen zu verbreiten.

Wenn Sie hier sagen, dass es keine ausreichenden Beweise gibt, um 9/11 für einen Inside Job zu halten, entschuldige ich mich hier offiziell für meine Unterstellung.

Nein, ich sage, dass es keine ausreichenden Beweise für die offizielle Darstellung gibt.

Ich schlage vor, Sie hören jetzt auf, mir jede Menge Zeugs in den Mund zu legen. Belegen Sie konkret, dass ich Theorien verbreite.

Wer war es denn, wenn die offizielle Darstellung nicht zutrifft?

Ich habe keine Ahnung. Ich verlange einfach Beweise für die offizielle Darstellung. So wie man das bei jedem Kioskraub im Nachbardorf auch macht. Ist das soooo schwierig zu verstehen?

Warum sagen Sie das dann nicht klipp und klar? Sie hätten eine schöne Entschuldigung von mir bekommen.

Ich habe es Ihnen zirka 7 Mal klipp und klar gesagt. Ich sage es seit zirka 15 Jahren klipp und klar. Zum Beispiel hier: http://www.stefan-schaer.ch/…/09/zehn-geschichten-zu-911/

Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie irgendwo eine «Theorie» oder sogar eine «Verschwörungstheorie» finden.

Bei Ihrem Artikel für die Medienwoche steht, dass Sie auf stefan-schaer.ch Inhalte publizieren, «die andere als Verschwörungstheorien bezeichnen». Auf 911untersuchen.ch, einer Website, die Sie laut Impressum betreiben, kommt Doktor Daniele Ganser zu Wort, der den «false flag terrorism» überall wittert. Ihn verteidigen Sie im Artikel auch mit glühenden Worten. Und Sie haben sich in der Diskussion hier nicht von der 9/11-Inside-Job-Theorie distanziert. Wie sollte ich da nicht auf die Idee kommen, dass Sie genau die Idee vertreten – sich aber einfach nicht darauf behaften lassen wollen?

Ich verteidige niemanden mit glühenden Worten. Ich verlange Belege für Behauptungen. Wer anderen Pauschalisierungen und Behauptungen vorwirft, sollte nicht pauschalisieren und behaupten. Darum gehts.

Selbstverständlich dürfen Sie meine Texte interpretieren, wie Sie möchten. Da Sie aber offenbar nicht vorhaben, konkret zu werden, sondern lieber über Ihre Ideen reden, wünsche ich jetzt einen schönen Abend.

Sie hätten nur meine Frage beantworten müssen. Wie gesagt, wenn ich Ihnen Unrecht getan haben sollte, würde ich mich entschuldigen. Ihnen ebenfalls einen schönen Abend.

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