So baue mich mir das kuscheligste Homeoffice aller Zeiten

Wer kein geborener Innen­archi­tekt ist, der lässt sich von Planner 5D auf die Sprünge helfen: Die App hilft, das Inte­rieur (und Exte­rieur) von Woh­nungen und Häusern zu planen.

Das iPhone ist ein tolles Vermessungsinstrument. Wie hier und hier erklärt, lassen sich damit Pläne oder 3D-Modelle von Wohnungen und Häusern anfertigen. Das ist nützlich, aber doch vor allem Mittel zum Zweck. Darum die Frage, ob sich auch etwas Konkretes damit anstellen lässt – zum Beispiel, ein solches 3D-Modell virtuell zu möblieren. Das würde vor einem Umzug helfen, wenn ein Möbelkauf ansteht. Oder aber, wenn es darum geht, eine in die Jahre gekommene Inneneinrichtung zu erneuern.

Planner 5D ist eine der Apps, die genau das verspricht: Es gibt sie für Android und fürs iPhone. Um mit einem Projekt zu starten, haben wir drei Möglichkeiten: Wir können einen Grundriss von Grund auf neu zeichnen, über die Scan-Funktion erfassen oder einen Grundriss hochladen. Ich habe die Methode übers Scannen gewählt, wobei die App am iPhone anscheinend kein Lidar verwendet: Der Scanvorgang erscheint mir fehleranfälliger als bei Roomscan Lidar. Ich musste für das Büro, das einen simplen rechteckigen Grundriss hat, zwei Anläufe nehmen.

Der Raum ist erstellt, jetzt darf er möbliert werden.

Auch etwas verwirrend: Wenn wir einen Raum gescannt haben, scheint es nicht möglich zu sein, einen Raum hinzuzufügen – zumindest nicht über die Scanfunktion. In der Hilfe wird erklärt, dass die Räume manuell ergänzt werden müssen. Es scheint mir aber sowieso kein Vorteil zu sein, ein einziges grosses Modell der Wohnung anzufertigen. Stattdessen legen wir für jeden Raum ein eigenes Projekt an.

Beim Scan entsteht ein Grundriss, den wir manuell mit Türen und Fenstern versehen. Bei diesem Vorgang zeigt sich eine Einschränkung der kostenlosen Version: Die erlaubt es nicht, die platzierten Objekte zu bearbeiten, und sie erlaubt Zugriff auf einen kleinen Teil des virtuellen Inventars. Für die ernsthafte Verwendung ist ein Abo unumgänglich. Für die Premium-Funktionen zahlen wir 73 Franken im Jahr oder aber 6.10 Franken im Monat. Da die meisten von uns nicht andauernd innenarchitektonisch tätig sind, scheint mir das Monatsabo die bessere Wahl, das nach Abschluss des Projekts locker gekündigt werden kann.

Ist das Modell fertig, fangen wir an, es mit Möbeln zu bestücken. Die App hält laut Eigendeklaration um die 6400 Gegenstände bereit: Von Polstermöbeln über Betten zu Tischen, Stühlen, Kindermöbeln, Küchenausstattung, Badezimmer, Elektronische Geräte, Beleuchtung, Steckdosen, Lampen, Haushaltsgeräte, Fernseher und Computer und einiges mehr. Wir können die Innenwände mit Farbe oder Tapeten versehen. Auch Pflanzen, Vorhänge, Teppiche, Personen, Musikinstrumente und sogar Haustiere gibt es im Angebot – und auch Aussenbereiche dürfen mit dieser App virtuell bestückt werden.

Das zeigt schon: Der Detailtiefe sind kaum Grenzen gesetzt: Wer mag, kann sich ewig und drei Tage damit beschäftigen, die passenden Deko-Gegenstände auf die virtuellen Möbel zu platzieren, die Bewohner in die Wohnung zu setzen und sich vorstellen, wie sich das Leben in diesem Umfeld anfühlen würde.

Ich finde das theoretisch spannend – praktisch fehlt mir aber die Zeit für derlei Experimente. Ich will nicht ausschliessen, dass ich, wenn ich dereinst pensioniert bin, mich ausgiebig mit dieser App vergnügen werde. Aber ich gehe davon aus, dass wir dann KI-Innenarchitekten auf unserem Telefon haben werden, die uns erst die richtigen Fragen stellen und dann entsprechende Interieurs zur Auswahl unterbreiten werden – natürlich inklusive Kostenvoranschlag.

Darum kann ich an dieser Stelle leider nicht behaupten, die App habe mir den Weg in ein tolleres, schöneres und individuelleres Zuhause geebnet. Aber einige Feststellungen habe ich dennoch gemacht:

Der Katalog ist das grösste Manko

Eigentlich eine gute Idee: Den Katalog gemäss unseren Vorlieben anzupassen. Allerdings gefällt mir keiner der Stile hier sonderlich gut.

So gross er auch ist: Wir haben es mit universellen Gegenständen zu tun, nicht mit den konkreten Objekten, die unser Lieblingsmöbelhaus oder unser bevorzugter Dekoladen bereithält. Wir können nicht mit realen Produkten planen. Wenn wir eine Kommode irgendwohinstellen möchten, dann verwenden wir eine generische Variante. Wenn uns die Kommode dort gefällt, fängt die eigentliche Arbeit erst an: Wir müssen ein passendes Gegenstück suchen, das sich ähnlich gut ins Gesamtbild einfügt.

Oder – und das ist vermutlich sogar besser – wählen wir die umgekehrte Herangehensweise: Wir suchen uns im Laden oder Netz ein Möbelstück aus, das uns gefällt und bilden das in der virtuellen Umgebung durch jenen Gegenstand aus dem Katalog ab, der im am nächsten kommt.

Beides scheint mir nicht sonderlich befriedigend. Es liegt auf der Hand, dass eine solche App eigentlich realen Kataloge der Möbelhäuser zur Verfügung stellen müsste. Das wäre technisch nicht unmöglich. Aber mir scheint, dass die meisten Anbieter lieber eine eigene, vergleichbare App entwickeln. Die gibt der Nutzerin und dem Nutzer zu verstehen, dass er gefälligst die ganze Einrichtung aus einer Hand kaufen soll.

Ich erwarte, dass eine App wie Shopify demnächst mit einer solchen App herausrücken wird. Doch auch dann ist anzunehmen, dass die App nur die vertretenen Händler, nicht aber die grossen Anbieter wie Ikea oder (hierzulande) Möbel Pfister abdecken wird.

Wir können festhalten, dass diese grossen Anbieter durch ihr Gärtchendenken eine riesige Chance vergeben.

Die Objekte platzieren

Das Platzieren der Gegenstände ist einfach: Wir wählen ein Objekt aus dem Katalog aus und ziehen ihn an die gewünschte Stelle. Danach würden wir wohl die Eigenschaften anpassen, insbesondere Abmessung und Farbe. In meinem Test habe ich das nicht verifiziert, weil dafür wiederum ein Premium-Abo notwendig wäre.

Das Werk begutachten

Wenn wir fertig sind, können wir die App in einer 3D-Ansicht begutachten. Die finde ich alles andere als gelungen: Wir haben eine Aufsicht aus einer Beobachterperspektive oberhalb der Decke. Das ist nutzlos, denn ich würde das Resultat aus der normalen Augenhöhe oder auch sitzend oder liegend sehen wollen.

Die App rendert fotorealistische Ansichten – aber das kostet extra.

Ein weiteres Problem: In der 3D-Ansicht ist meistens die vordere Wand im Weg. Warum die App diese nicht ausblendet, damit wir einen ungehinderten Blick auf die Wand gegenüber haben, ist mir ein Rätsel.

Wir können unser Werk auch in einer AR-Ansicht begutachten, Das liegt natürlich auf der Hand, doch so ungewohnt, wie die ist, werden die meisten Nutzerinnen und Nutzer Mühe haben, sich daraus einen konkreten Eindruck abzuleiten.

Hilfreich fände ich die Option, wenn wir automatisch einige Renderings aus den üblichen Perspektiven generieren könnten, die sich dann gross am Bildschirm ansehen lassen. Vermutlich geht das sogar: Unter Profil bei Renderings erwerben wir Rendervorgänge, die mit präziser Beleuchtung und realistischen Schatten operieren. Dafür zahlen wir aber extra; zwanzig Stück kosten zehn Franken, hundert 29 Franken. Das finde ich teuer – aber wenn es hilft, Fehlkäufe bei den Möbeln zu verhindern, ist es okay.

Wie mit Varianten umgehen?

Eine Frage, die sich mir sofort gestellt hat, ist die nach Varianten: Wenn wir keine so klare Vorstellung haben, dass eine Lösung die ultimativ richtige ist, dann würden wir verschiedene Möglichkeiten ausloten wollen. Toll wäre natürlich, wenn verschiedene Zustände als «Snapshots» gespeichert werden könnten. Eine offizielle Methode dafür habe ich nicht gefunden – falls jemand eine kennt, freue ich mich über einen Kommentar.

Alternativ können wir via Startseite und Meine Projekte ein Projekt duplizieren. Ich empfehle, das fleissig zu tun. Ein erstes Duplikat ist fällig, nachdem wir die Wohnung erfasst haben. Dann machen wir jedes Mal eines, wenn wir uns unschlüssig sind und unterschiedliche Dinge ausprobieren möchten. Allerdings sollten wir auch daran denken, verworfene Ideen und die dazugehörenden Projekte wieder zu löschen.

Fazit: Eine solide App mit noch viel Luft nach oben. Aber ich bin überzeugt, dass die allgemeine Metaversums-Euphorie Entwicklungen in diesem Bereich befeuern wird.

Beitragsbild: Hier lässt es sich arbeiten. Aber würden wir die lesende Frau vertreiben oder nicht? (Cottonbro Studio, Pexels-Lizenz)

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