Eine Nebelpetarde von Mozilla

Mozilla hat das Ver­spre­chen zu­rück­ge­nom­men, nie jemals User-Daten zu ver­kaufen. Der Grund sei rein ju­ris­tisch, lautet die Be­grün­dung – trotz­dem ist das eine wei­tere Be­lastungs­probe in der Be­zie­hung zu Fire­fox.

Mozilla bewegt sich auf einer Gratwanderung zwischen alten Idealen und der Notwendigkeit, Geld zu verdienen. Ein Ansatzpunkt ist das eigene Werbenetzwerk, das viele kritisch sehen. Es gibt Bedenken, dass sich das nicht mit dem bisherigen Versprechen vereinbaren lässt, die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer hochzuhalten.

Die Verunsicherung geht tief; zumindest bei den aktiven Usern der Firefox-Gruppe bei Reddit, die ich regelmässig besuche: Dort wurde letzte Woche auf einen Tweet verwiesen, der eine bemerkenswerte Änderung im Datenschutz-FAQ dokumentiert. Die Frage «Verkauft Firefox deine persönlichen Daten?» ist zusammen mit der Antwort «Nein, niemals, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. (…) Das ist ein Versprechen.» verschwunden.

Alles nur ein Missverständnis?

Nicht nur das. Die neuen Nutzungsbestimmungen von Ende Februar implizierten, dass man die Inhalte, die bei Firefox eingegeben werden, an Mozilla lizenziere. Das klingt unglaublich übergriffig, doch ich hatte schnell den Verdacht, dass es sich um das alte Missverständnis im Zusammenhang mit solchen Nutzungsbestimmungen handelt: Die Unternehmen fordern das Recht ein, mit den Nutzerdaten in den Softwareprogrammen zu arbeiten, was im Juristensprech so klingt, als ob sie sich die gleich komplett aneignen würden.

Ein «ewiges» Versprechen löst sich in Luft auf.

Mozilla hat zwei Tage später Klarheit geschaffen, und in den Nutzungsbestimmungen steht jetzt klar, dass Mozilla durch die Akzeptierung der Nutzungsbestimmungen «keinerlei Eigentumsrechte an den Inhalten» der User erwirbt. Hätte man die Verwirrung nicht voraussehen müssen? Wir Nutzerinnen und Nutzer müssen bei derlei Änderungen genau hinschauen; das haben uns frühere Fälle bei Instagram oder auch Adobe gelehrt.

Schuld sind die Kalifornier

Die Änderungen im Datenschutz-FAQ will Mozilla nicht zurücknehmen; das Versprechen, niemals Daten zu verkaufen, ist endgültig passé. Und das ist die Begründung:

Der Grund dafür, dass wir von der pauschalen Behauptung «Wir verkaufen niemals Ihre Daten» Abstand genommen haben, liegt darin, dass die rechtliche Definition des «Verkaufs von Daten» an einigen Stellen weit gefasst ist und sich weiterentwickelt. Das kalifornische Verbraucherschutzgesetz (CCPA) beispielsweise definiert «Verkauf» als «Verkauf, Vermietung, Freigabe, Offenlegung, Verbreitung, Zurverfügungstellung, Übertragung oder anderweitige mündliche, schriftliche, elektronische oder sonstige Übermittlung der persönlichen Daten eines Verbrauchers durch [ein] Unternehmen an ein anderes Unternehmen oder einen Dritten» im Austausch gegen «Geld»oder «andere wertvolle Gegenleistungen».

In den Datenschutzbestimmungen gibt es nun folgende Passage:

Mozilla verkauft keine dich betreffenden Daten (wie sich es die meisten Leute vorstellen, wenn es um «Datenverkauf» geht), und wir kaufen keine Daten über dich. Da wir transparent sein möchten und die rechtliche Definition von «Datenverkauf» an einigen Stellen sehr ungenau ist, mussten wir davon Abstand nehmen, die absoluten Aussagen zu treffen, die ihr alle von uns kennt und liebt. Wir arbeiten immer noch intensiv daran, dass die Daten, die wir an unsere Partner weitergeben (und das müssen wir, um Firefox kommerziell tragfähig zu halten), von identifizierenden Informationen bereinigt oder ausschliesslich aggregiert weitergegeben wird oder unsere Datenschutztechnologien durchläuft (wie OHTTP).

Was soll ich als Firefox-User davon halten?

Ich mag Mozilla noch immer und ich habe Verständnis dafür, dass die Stiftung juristisch auf der sicheren Seite sein möchte. Trotzdem empfinde ich das als Nebelpetarde: Wenn keine Daten an Dritte weitergegeben werden, müsste man sich auch nicht an der Definition des Wortes Verkauf abarbeiten. Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass Mozilla es zwar nicht so nennen möchte, aber halt trotzdem Geld auf eine Weise verdienen will, die irgendwie persönliche Daten beinhaltet.

Firefox in die Wüste schicken?

Es gibt bereits den Aufruf, Firefox den Rücken zu kehren (z.B. auf Youtube). Doch sogleich stellt sich die Frage, welchen Browser Datenschutz-affine Leute stattdessen nutzen sollten. Chrome wird es wohl nicht sein.

Eine Empfehlung, die ich in letzter Zeit oft gehört habe, ist Librewolf: Das ist eine Abspaltung von Firefox, die es seit vier Jahren gibt. Sie liefert die aktuelle Firefox-Version, bei der, salopp gesprochen, alles Störende entfernt wurde: Mozillas Telemetrie fehlt, dafür ist der Werbeblocker uBlock Origin von Haus aus mit dabei und die Standard-Einstellungen werden in Hinblick auf den Datenschutz getroffen.

Librewolf als Ausweg?

Eröffnet Librewolf einen Ausweg aus dem Dilemma? Nein, wenn wir der Analyse von Sören Hentzschel glauben wollen, der sich ausgezeichnet mit der Materie auskennt. Er hat einiges zu bemängeln, u.a., dass es auf der Projektwebsite nicht einmal ein Impressum gibt und dass Librewolf sich nicht automatisch aktualisiert. Es gibt einen Versuch, dieses gravierende Manko auszuräumen. Trotzdem ist es unbestreitbar, dass eine Fork – von denen noch viele weitere existieren – zwar spezifische Probleme adressieren, aber die Abhängigkeit vom Ursprungsprojekt nicht entscheidend verringern.

Es bleibt darum nur eines: Firefox in kritischer Distanz verbunden zu bleiben, zu beobachten, wie sich Mozilla entwickelt und den Finger auf jeden wunden Punkt zu legen, sobald er sichtbar wird.

Beitragsbild: Der Durchblick ist erschwert (Jiarong Deng, Pexels-Lizenz).

7 Kommentare zu «Eine Nebelpetarde von Mozilla»

    1. Gute Frage! Die Besprechung findet sich übrigens hier.

      Zen ist nicht so explizit auf Datenschutz getrimmt wie Librewolf, aber die Entwickler schreiben auf der Website: «We care about your experience, not your data». Details dazu gibt es der Privacy Policy nachzulesen, wo steht, dass z.B. die Telemetrie abgeschaltet ist. Wer Mozilla keine Daten liefern möchte, ist mit Zen nicht schlecht bedient – und selbst würde ich auch eher Zen als Librewolf wählen, allein der Extra-Funktionen wegen.

      Am grundsätzlichen Problem löst leider auch Zen nichts, dass wir mit dem Ausweichen auf eine Fork zwar unsere individuelle Situation verbessern, aber das nichts an der falschen Strategie Mozillas ändert. Sollten die User in Massen zu solchen Forks wechseln, könnte es anders aussehen. Ich hoffe allerdings, dass es nicht si weit kommen muss, weil möchte, dass sich Firefox behauptet.

      1. Danke! Zen habe ich schon eine Weile installiert, mit Erfolg, LibreWolf werde ich mir noch anschauen. Dann gibt es ja auf Linux noch Epiphany 😉

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