Apple Music ist ein bisschen wie TKKG

Der zweite Teil meines grossen Vergleichs von Spotify und Apple Music: Was haben die Streamingdienste abseits der Musik, bei Hörspielen und Hörbüchern zu bieten?

Letzte Woche habe ich einen knallharten Vergleich von Spotify und Apple Music durchgeführt. Das Fazit ist eindeutig: Apple Music ist brauchbar; und vor allem dann überlegen, wenn man Songs aus der Mediathek mit dem Streaming-Angebot kombinieren möchte.

Nun gibt es bei beiden Streaming-Anbietern nebst der Musik auch ein Zusatzprogramm. Spotify hat eine regelrechte Podcast-Offensive lanciert. Es gibt bei Spotify auch Hörbücher, was ich sehr schätze, aber trotzdem wenig nutze – einfach, weil ich mit Audible trotz aller Kritik (hier, hier, hier oder hier) nach wie vor gut bedient bin.

Apple Music hat seinerseits Beats 1 an Bord. Das ist ein Radiosender, der rund um die Uhr sendet (wobei das Programm der ersten zwölf Stunden während den zweiten zwölf Stunden wiederholt wird). Mit dem kann ich gar nichts anfangen: Jedes Mal, wenn ich mich eingeschaltet habe, kam Hip Hop – worauf ich auch gleich wieder weg war.

Abgesehen davon: Ist ein Streamingdienst nicht gerade dazu da, dass man eben kein Radio hören muss? Dass manche Nutzer die Moderation vermissen, leuchtet mir ein. Das tue ich auch. Aber deswegen höre ich keinen linearen Sender. Den richtigen Ansatz für diesen Zweck habe ich im Beitrag So wird Spotify zum Radio der Zukunft beschrieben.

Es gibt Hörbücher – aber sie führen ein Schattendasein

Podcasts gibt es via Apple Music nicht. Doch Hörbücher und Hörspiele sind zu finden. Sie führen aber ein derartiges Schattendasein, dass ich mich frage, ob sie überhaupt nur durch Zufall ins Repertoire geraten sind. Vielleicht waren sie bei irgend einem Lizenz-Deal als Dreingabe mit dabei?

Jedenfalls hat Apple sie jedenfalls (meines Wissens) nie offiziell angekündigt. Aktiv beworben werden sie nicht, und besonders gut erschlossen sind sie auch nicht. Ich fände es sinnvoll, die gesprochenen Inhalte nicht unter die Musik zu mischen, sondern in einem separaten Katalog anzubieten. Das gilt auch und vor allem für Spotify: Siehe Spotify macht den Kasperli.

Wie gesagt: Auf der Hauptseite tauchen die gesprochenen Inhalte nicht auf. Es gibt, gut versteckt, unter music.apple.com eine Seite, die auf die Hörspiele hinweist und zehn Playlists listet. Dieses Angebot ist allerdings dazu angetan, die meisten Besucher dazu zu bringen, ihm sogleich wieder den Rücken zu kehren. Ausnahmen sind Eltern mit kleinen Kindern und Fans von Sherlock Holmes und Arthur Conan Doyle: Es gibt drei Listen zum berühmtesten aller Detektive. Plus Hörstoff für Kinder: Conni, Bibi und Tina, Bibi Blocksberg, Benjamin Blümchen und Feuerwehrmann Sam.

In Nostalgie schwelgen

Hat man Kinder im passenden Alter, dann weiss man dieses Angebot natürlich zu schätzen: Es ist unglaublich, welche Mengen an Hörspielen ein einziges Kind zu konsumieren vermag. Meine Tochter ist im Eilzugstempo durch all die Asterix-Hörspiele durchgebraust, die es bei Spotify zu hören gibt. Und ich hatte Gelegenheit, in Nostalgie zu schwelgen. Denn auch wenn die Hörspiele nicht ganz an die Comicvorlagen herankommen, so sind sie besser, als ich es im Gedächtnis hatte. Und allemal gut genug, um eigene Jugenderinnerungen heraufzubeschwören.

Bleibt die Frage: Sind diese Hörspiele nur zufällig bei Apple Music zu finden – oder gibt es noch mehr? In der Musik-App in der Rubrik Entdecken findet sich zu unterst bei Mehr entdecken der Eintrag Genres. In der wiederum gibt es (entgegen dieser Anleitung hier) bei mir keinen Eintrag Hörspiele.

Globi und d Schlieremer Chind

In der Kategorie «Kinder und Familie» hätte ich nur Kinderlieder erwartet – aber es gibt auch Hörspiele.

Aber immerhin stosse ich auf die Rubrik Kinder und Familie, in der Musik und auch sogenannte Entertainment-Titel zu finden sind: Der Schweizer Kinderbuchklassiker par excellence, Globi und weitere schweizerdeutsche Klassiker wie d Schlieremer Chind, Papa Moll, die hier erwähnten Kasperli-Spiele, Kliby und Caroline, Peach Weber und Mundart-Aufnahmen von Pippi Langstrumpf und Tom Sawyer.

Die Entertainment-Rubrik gibt es nicht nur in Schweizerdeutsch, sondern nebst Französisch und Italienisch auch in Hochdeutsch.

Das Angebot an Hörspielproduktionen für Kinder und Jugendliche in Hochdeutsch.

In der Übersicht mit den Produktionen aus Deutschland finden sich die Drei Fragezeichen, Fünf Freunde, Lucky Luke, Momo und last but not least TKKG. (Über Alle anzeigen sieht man übrigens jeweils noch mehr als die horizontal aufgelisteten Titel.)

Und ich muss es hier einräumen: Das hat mir einen Flashback in meine eigene Jugend beschert. Als frisch gebackener Teenager hatte ich eine ausgeprägte TKKG-Phase.

Daher: Erst Freude – und dann erst einmal grosse Enttäuschung: Das älteste Hörspiel, das ich bei Apple Music entdeckt habe, ist die Folge 100 vom Oktober 1996. Die war längst nach meiner Zeit veröffentlicht worden. In der hiess Tarzan schon nicht mehr Tarzan, sondern Tim; weil für den aus den Hollywood-Filmen entlehnten Namen Lizenzgebühren fällig geworden wären.

Klar, dass die mich wenig interessierte – trotz der listigen Anspielung an den Fälscher Ochsjau, der natürlich auf Konrad Kujau, den Fälscher der Hitler-Tagebücher gemünzt ist (siehe Der gefälschte Hitler).

Gut versteckt: Das Retro-Archiv von TKKG

Das muss man auch erst einmal finden: Das Retro-Archiv von TKKG.

Die Bücher aus «meiner» Zeit schienen nicht mehr auffindbar zu sein, und auch Herausgeber Europa selbst fängt seine Übersicht mit der hundertsten Folge an. Doch weil ich nicht aufgegeben und nach einzelnen Titeln gestöbert habe, bin ich auf das TKKG-Retro-Archiv gestossen. Und das scheint alle alten Folgen aufzuweisen, wenngleich seltsam sortiert. Sogar diejenige, die ich damals als Kassette hatte (Folge 22, In den Klauen des Tigers). Freude herrscht!

Naja, natürlich wurde auch die sofort wieder getrübt. Mir ging es beim Anhören genauso wie Finn Rütten vom «Stern»: In der Erinnerung waren die Helden von damals merklich heldenhafter als heute beim Nochmals-Hören.

Denn unglaublich, wie spiessig diese Jung-Detektive daherkommen: Wären die heute bei den Jungen Liberalen oder sogar in der Jungen Union (oder in der Jungen Union Bayern, falls die Vermutung zutrifft, und die Millionenstadt, in der die Abenteuer spielen, München sein soll)?

Manchmal geben sie Bürokratendeutsch von sich, wie sie noch nicht einmal ein Polizeibeamter in sein Protokoll tippen würde. Bei Begriffen wie «Tretmühle» (für Fahrrad), «Piepen» (für Geld), «Zaster» (für Beute) und «Penne» (für Schule) hat man den Verdacht, dass die noch nicht einmal in den Achtzigern ernsthaft benutzt worden sind.

Dafür wird witzigerweise einmal das Wort «zocken» erklärt: Das stamme aus dem Spielermilieu und werde von Leuten verwendet, die ihr Geld verzocken. Wir Computergame-Zocker können da nur müde lächeln.

Leider ist Tarzan auch nicht so schlau, wie ich es in Erinnerung hatte. Warum zum Beispiel lässt im allerersten Buch beim nächtlichen Besuch am Volksfest das Seil vor dem Fenster hängen, sodass auch der dümmste Lehrer sofort sehen muss, dass einer seiner Schützlinge einen unerlaubten Ausflug aus dem Internat gemacht hat? Er musste seinen Mitbewohner Klösschen bei der Rückkehr sowieso wecken, damit er ihm das Fenster öffnet. Da hätte er auch gleich das Seil herunterlassen können.

Uff, so brillant war das gar nicht!

Auch nicht intelligent: Das Geld, das er den Erpressern abgenommen hat (Folge 4, Das Paket mit dem Totenkopf), im «Alderhorst», also in dem von ihm und Klösschen bewohnten Zimmer im Internat zu deponieren.

Die Plots sind nun auch nicht immer brillant und oft rät Tarzan eher, als dass er ernsthafte Ermittlungsarbeit betreibt. Und diese glücklichen Fügungen ständig! Eigentlich ist es Kommissar Zufall, der vier Fünftel der Fälle aufklärt.

Aber darauf kommt es nicht an. Es ist klar, dass mir damals nicht die Detektivarbeit in den Bann geschlagen hat, sondern die Freundschaft und die Abenteuer, die die Jugendlichen zusammen erleben. Das ist ein universelles Erfolgsrezept, das zum Beispiel auch bei Harry Potter funktioniert – dort sogar noch ein bisschen besser…

Und ja: Die Hörspiele geben auch ein Zeugnis ab, wie sich unsere Vorstellungen gewandelt haben: Bei den stereotypen Darstellungen von Zigeunern, Punkern und Pennern knirschen wir heute schon mal mit den Zähnen – vor allem, weil die dann oft auch die Täter sind. Auch das N-Wort habe ich mindestens einmal gehört.

Das kann man nun bedauern – oder aber als Zeichen dafür nehmen, dass sich auch die Jugend- und Popkultur weiterentwickelt hat. Darum darf meine Tochter sich die Hörspiele ungeniert anhören, falls sie etwas damit anfangen kann. Bislang bleibt sie jedenfalls bei Asterix – vielleicht auch deswegen, weil für Mädchen bessere Vorbilder als Gaby alias «Pfote» gibt.

Weder Apple Music noch Spotify überzeugt bei den gesprochenen Inhalten

Suboptimal: In der Wiedergabeliste sieht man alles, ausser die entscheidende Information (das wäre die Kapitelnummer).

Und damit sind wir beim endgültigen Fazit zum Wettstreit von Spotify versus Apple Music: Bei der Präsentation der gesprochenen Inhalte überzeugen beide nicht.

Aber warum Apple sein Angebot derart weit hinten versteckt und so schlecht erschliesst, dass man es nur entdeckt, wenn man mit detektivischem Spürsinn danach sucht, will mir trotzdem nicht einleuchten. Die Präsentation ist jedenfalls reichlich lieblos und unpraktisch, wie der Screenshot mit Verlauf und Queue zeigt – wo man just die Kapitelnummer nicht lesen kann und darum völlig orientierungslos ist.

Was nun mein Urteil angeht: Tja, da ist Apple Music ungefähr so spiessig, wie die Klugscheisser aus der 9b. Spotify ist der Punker, der aber aller Wahrscheinlichkeit nach Dreck am Stecken hat…

PS, ein Extra-Tipp: Das Retro-Archiv gibt es auch im iTunes Store, bei Amazon Music, Deezer, Napster, Google Play und auch bei Spotify. Links hier.

Beitragsbild: Ein bisschen fehlt mir das Bandrauschen schon (Dmitry Demidov, Pexels-Lizenz).

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