Vorbemerkung: Früher hatte ich hier im Blog das Talent, Websites und -dienste vorzustellen, die kurz nach meiner Veröffentlichung oder sogar schon vor Vollendigung des Textes eingestellt wurden. Ein fast schon antikes Beispiel ist Wakoopa, doch es ist erst im letzten Herbst wieder mit Omnivore passiert.
Ist eine Besprechung hier im Blog eine Art potenzieller Todeskuss? Nein, denn dafür habe ich zu oft über Microsoft Office und iOS geschrieben, und beide Produkte gibt es noch. Bin ich in oft einfach zu spät dran? Vielleicht – aber ich finde es sinnvoller, meine Energie auf Bewährtes zu verwenden, als über die blutige Kante zu schlittern. Man sollte meinen, dass sich mit dieser Methode auch die langfristigen Überlebenschancen sinnvoll abschätzen lassen.
Doch beim vorliegenden Fall habe ich mich völlig verkalkuliert:
Ich habe nämlich die Meldung zum Auftritt der Podcastmacherinnen von «Zivadiliring» im Hallenstadion zum Anlass genommen, mir den Podcast anzuhören und eine Rezension dazu zu schreiben. Die lag noch auf Halde, da der Auftritt erst für Herbst (26.10.2025) angesetzt ist.
Tja, und da las ich gestern, dass SRF den Podcast per sofort einstellt. Angesichts der Aufbruchstimmung, die ich in den letzten Folgen gehört habe, ist klar, dass das ein einseitiger Entscheid war. Es ist offensichtlich, dass «Zivadiliring» kein journalistisches Format ist. Trotzdem fragt man sich, was dieses abrupte Ende rechtfertigen würde. Gemäss dem «Tagesanzeiger» hat die bezahlte Partnerschaft von Gülsha mit der Swisscom die publizistischen Leitlinien von SRF verletzt.
Ist mit diesem überraschenden Aus meine Besprechung obsolet? Ich finde nein, denn die alten Folgen lassen sich weiterhin anhören. Und ausserdem ist der Podcast bekannt genug, um ihn unabhängig vom SRF zu finanzieren und weiterzubetreiben. Darum hier also die Besprechung, wie ich sie letzte Woche geschrieben habe:
Soll ich meinem ersten Impuls freien Lauf lassen? Dann wäre hier ein despektierliches Urteil darüber zu lesen, dass SRF anscheinend im Jahr 2007 angekommen ist und den Laberpodcast entdeckt hat.
Der Laberpodcast! Das ist jenes Subgenre, das zur Anfangszeit der Podcasts dominierte und auf mich die grösste Faszination ausübte. Es zeigte, wie nahbar und intim dieses Medium sein kann. Es handelt sich um eine Art öffentliches Stammtischgespräch: Ein meist fixer Stamm plaudert frisch drauflos. Die Themen ergeben sich aus den Alltagserlebnissen und den Interessen der Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Gesprächsführung ist meist locker bis inexistent.
Das ist eine Stärke und eine Schwäche zugleich: Laberpodcasts haben das Potenzial für eine starke parasoziale Bindung: Die Zuhörerinnen und Zuhörer sind vertraut mit den Stimmen aus dem Podcast und entwickeln oft eine intensive Beziehung zu ihnen. Gleichzeitig neigen solche Laberpodcasts dazu, die Themen zu Tode zu diskutieren und ewig zu dauern. Und weil aus Publikum und Machern eine eingeschworene Gemeinschaft entsteht, wird es über die Zeit für neue Zuhörerinnen und Zuhörer immer schwieriger, den Zugang zu finden.
Zu spät an dieser Party?
![](https://blog.clickomania.ch/wp-content/uploads/2025/01/250103-Zivadiliring-Cover-300x300.jpg)
Damit sind wir an dem Punkt, an dem ich meine Kritik auf eine respektvolle Weise ausdrücken kann: Ich habe keinen Zugang zu Zivadiliring (RSS, iTunes, Spotify) gefunden. Es gibt diesen Podcast seit gut drei Jahren (September 2021), und da liegt es mutmasslich an mir, dass ich mich fühle wie einer, der viel zu spät zur Party auftaucht. Oder bin ich überhaupt nicht befugt, ein Urteil zu fällen? Denn beim Podcast – dessen Name sich aus Teilen der drei Moderatorinnen zusammensetzt – richtet sich an Frauen, die mutmasslich im Schnitt obendrein deutlich jünger sind als ich. Also, was mische ich mich in Dinge ein, die mich nichts angehen?
Ich tue das, weil ich die Dinge sehr gern aus verschiedenen Blickwinkeln betrachte. Und natürlich, identifizieren kann ich mich am ehesten mit Gesprächsrunden, in denen mittelalterliche Männer ihre Weltsicht kundtun, ab und zu einen Dad Joke reissen und sich der Melancholie nicht erwehren können, die mit der Feststellung einhergeht, dass mit zunehmendem Alter auch die Relevanz schwindet. Sogar Olli Schulz und Jan Böhmermann geht es in «Fest & Flauschig» so.
Kafi Freitag hat mich mehr gepackt
Doch in der Vergangenheit klappte es mit dem Perspektivenwechsel gut: Den beiden Hansdampfinnen in der Podcastgasse, Sara Satir und Kafi Freitag, habe ich mit grosser Treue und Hingabe zugehört. Ich bin noch heute betrübt darüber, dass dieser Podcast 2023 ausgefranselt ist. Vielleicht gibt es bei «Kafi am Freitag» mit Judith Wernli ein Revival? Ich habe mir die Folgen sehr gern angehört und könnte mir diese Paarung auch in institutionalisierter Form vorstellen.
Also, woran könnte es liegen, dass mir Yvonne Eisenring, Gülsha Adilji und Maja Zivadinovic bislang keine grossartigen Einsichten vermittelt haben? Ich habe mir den Jahresrückblick 2024 angehört, der mir zu belanglos war. Klar, als Promi-Ignorant weiss ich einfach zu wenig über diese Frauen, um bei ihren Erlebnissen anknüpfen zu können. Aber wäre es nicht auch für die besser informierten Zuhörerinnen und Zuhörer – die derartig zahlreich sind, dass man mit ihnen das Hallenstadion füllen kann, wie ich in dieser Episode diverse Male zu hören bekommen habe – nicht spannend gewesen, wenn die Diskussion über das rein Persönliche hinausgegangen wäre? Es muss nicht gleich in eine Politdebatte ausarten? Aber was wir aus bald zwanzig Jahren Laberpodcast als gegeben hinnehmen können, ist, dass zu viel Selbstreflexion für alle ausserhalb des harten Kerns ermüdend wirkt.
Manchmal funkt es; manchmal nicht
Genervt hat mich auch die Kokettiererei mit dem Sex. Mir schon klar, wie sich ein Titel wie Vom Höhepunkt zum Orgasmus auf die Einschaltquote auswirkt. Aber erstens sind Sexpodcasts so 2019. Zweitens erfüllen sie die Erwartung eh nie – ganz sicher nicht diejenige der Männer, die einer mehr oder minder ausgeprägten Spanner-Attitüde zuschalten. Auch bei «Zivadiliring» ist viel interessanter, was die Frauen aufregt und abtörnt, als zu hören, wer in Berlin vielleicht an einer Sexpositive Partys teilnehmen würde.
Ich hab’s gerade gelesen (Blog). Ich finde sie haben das Themen Tod, Verlust eines Menschen und Inklusion, Behinderung sehr engagiert und für mich mit einem « Mehrwert » diskutiert. Das hat für mich der Podcast ausgemacht. Ich bin sicher auch nicht die Zielgruppe mit +50.
— Eva C@swiss.social (@Eva201900) January 8, 2025
Wirklich gut finde ich «Zivadiliring» dann, wenn es um die Fragen der Hörerinnen und Hörer geht. Da spüre ich echtes Engagement und natürlich wirkt es auch weniger selbstverliebt, wenn eine persönliche Episode nicht einfach so, sondern im Dienst des Publikums erzählt wird.
Fazit: Die guten Laberpodcasts leben von der Dynamik zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern – von der Harmonie und den Gegensätzen genauso. Bei «Zivadiliring» erschliesst sich mir diese Chemie nicht. Aber das ist okay. Laberpodcasts zeichnen sich dadurch aus, dass es schwer bis unmöglich ist zu sagen, warum es funkt – oder auch nicht.
Beitragsbild: Seit 14. September 2021 alle zwei Wochen bei SRF zu hören (Medienportal SRF).
@Matthias besprech doch mal die #afd #csu #fd9 #trump #schlechtejobs, vll gehen die dann auch hopps
Hach, super Idee! 😍
Ich habe nicht lange zugehört und bin erschrocken, wie viele Leute sich für banale Plauderei begeistern können.
Ein Podcast muss für mich nicht streng geführt sein oder gar die Form eines Vortrags haben, aber Plauderei schliesst Niveau nicht aus.
Ich mag den Podcast „Servus. Grüezi. Hallo.“ genau deswegen: Intelligente Leute unterhalten sich frei über aktuelle Themen.
Kürzlich habe ich „Alles gesagt?“ entdeckt. Da wird in jeder Folge mit einem Gast gesprochen, ganz bewusst ohne Zeitlimit, um ins Detail gehen zu können. Die Folge mit Winfried Kretschmann finde ich sensationell. Man kennt Kretschmann vielleicht als etwas trockenen Politiker, aber im Podcast kommt er so richtig aus sich heraus und man merkt, wie vielseitig, belesen und humorvoll er ist. Ein ganz feiner Mensch.
Merci für die Rückmeldung.
Nb: Ich bin auch ein grosser Fan der Podcasts von «Die Zeit». Eine ganze Handvoll von denen habe ich hier im Blog auch schon besprochen.
Oder liegt es daran, dass SRF eh die guten Podcasts einstampft? SRF Digital muss ja auch aufhören. 😒