The same procedure as last year heisst im digitalen Zeitalter, dass uns die Online-Dienste irgendwann im Dezember eine Auswertung unserer Aktivitäten präsentieren. Zum Beispiel:
- Spotify Wrapped dröselt unseren Musikkonsum auf und zieht damit auch Kritik auf sich.
- Strava räumt uns mit «Dein Sportjahr» bragging rights im sportlichen Bereich ein.
- Die Einkaufslisten-App Bring vermeldet, welche Produkte am häufigsten eingekauft worden sind (bei mir: Margarine).
- Und auch die Podcast-App Pocket Casts lässt sich nicht lumpen und verrät, mit welcher Produktion wir die meiste Zeit verbracht bzw. vertrödelt haben.
Das ist amüsant und verrät einiges über unsere Gewohnheiten. Aus Sicht von uns Nerds hat die Sache auch eine frustrierende Seite: Wir erfahren nämlich nur genau das über uns und unser Leben, was uns die Betreiber der Apps mitteilen wollen. Sie bestimmen, welche Bereiche analysiert werden und was im Dunkeln bleibt. Wenn man es unverblümt betrachtet, teilen uns die Unternehmen auf eine leicht verblümte Weise mit, dass sie und nicht wir die Herrinnen und Meister über unsere Daten sind.
Und der Vergleich mit den Vorjahren?
Wie geht es euch dabei? Mich nervt es. Selbst simple Fragen bleiben unter Umständen unbeantwortet. Zum Beispiel Strava: Wie aktiv ich 2024 war, habe ich auch ohne den Jahresrückblick noch präsent. Im Vergleich dazu interessiert mich viel mehr, wie sich mein Engagement im Vergleich zu den Vorjahren entwickelt hat. Darüber gibt «Dein Sportjahr» keinerlei Aufschluss.
Es bestätigt sich hier, was zumindest uns Nerds eh schon immer klar war: Was zählt, sind die Rohdaten, die wir selbst besitzen. Immerhin stellt Strava einige Exportmöglichkeiten bereit. Doch für meine konkrete Frage war es einfacher, bei Garmin anzusetzen. Ich zeichne meine Aktivitäten mit der Fenix 7 auf. Die Daten landen in Garmin Connect, wo es über die Kontoverwaltung und den Bereich Datenverwaltung die Möglichkeit gibt, den ganzen Bestand an persönlichen Daten herunterzuladen.
Für die eigenen Analysen geht es auch viel einfacher: Im Connect-Dashboard bei Aktivitäten findet sich eine Liste mit den wesentlichen Parametern (Datum, Ort, Distanz, Zeit, Pace, Anstieg, Herzfrequenz). Diese lässt sich nach Aktivitäten filtern und durch Scrollen nach unten auch beliebig verlängern – ich konnte auf diese Weise bis zu meinem allerersten mit der Fenix 5 getrackten Lauf am 16. Juni 2017 zurückblättern. Und über den unscheinbaren Knopf CSV-Datei exportieren ziehen wir diese Liste auch unseren Computer.
ChatGPT nimmt der Tabellenkalkulation den Schrecken
Das CSV-Format lässt sich in Excel importieren und dort nach allen Regeln der Kunst analysieren und visualisieren. Eine Hürde gibt es allerdings: Für die Aufschlüsselung nach Jahren müssen wir uns mit Pivot-Tabellen auskennen und dafür sind solide Kenntnisse in Sachen Tabellenkalkulation nötig.
Respektive: Es waren solide Kenntnisse notwendig. Heute fragen wir die KI, wie eine bestimmte Auswertung vorgenommen wird und erhalten kompetent Auskunft. Bei der Tabellenkalkulation sind ChatGPT und Konsorten seit längerer Zeit hilfreich. Aber natürlich können wir auch einfach die CSV-Datei bei ChatGPT hochladen und fragen, was wir wissen wollen. Das senkt die Hürden auch für unerfahrene Anwenderinnen und Anwender enorm.
Es lebe der freie Datenverkehr!
Fazit: Die künstliche Intelligenz ist ein starkes Argument für den freien Datenverkehr. Die Cloud-Anbieter sollten es sich zur Gewohnheit machen, uns immer auch die Rohdaten unserer Aktivitäten anzubieten – was, nebenbei bemerkt, auch eine Forderung der Datenschutz-Grundverordnung ist. Also, warum nicht im nächsten Spoify-Wrapped die Hör-Historie des letzten Jahres als CSV-Datei bereithalten, damit jeder, der Lust verspürt, dort zum Beispiel nachsehen kann, welche Songs während eines Jahres genau einmal abgespielt oder nach zehn Sekunden Wiedergabe abgebrochen wurden?
Beitragsbild: Erst laufen, dann mit den getrackten Daten spielen (Jenny Hill, Unsplash-Lizenz).
Nice. Danke