Sechs Dauerbrenner, drei Todesfälle, elf Verstossene und eine Abbitte

Vor bald einem Jahrzehnt habe ich meine Lieblingspodcasts gekürt. Jetzt komme ich auf meine damaligen Empfehlungen zurück und sage, welche sich bestätigt haben, welche nicht – und wo ich so falsch lag, dass ich mich heute entschuldigen muss.

Beitragsbild: Dick DeBartolo und Leo Laporte bei der Aufzeichnung des Podcasts «The Daily Giz Wiz» anlässlich der Eröffnung der Twit Brickhouse Studios in Petaluma, Kalifornien, am 24. Juli 2011 (Pax Ahimsa Gethen/Wikimedia, CC BY-SA 4.0).

Blogs sind etwas Tolles. Das gilt allgemein, aber es trifft speziell auch auf dieses Blog hier zu. Das schreibe ich ganz unbescheiden, auch wenn mir durchaus bewusst ist, dass der Nutzen für mich selbst grösser ist als für die Allgemein- oder gar die Menschheit.

Also, es gibt einen bestimmten Grund, warum ich mein Blog gerade so toll finde. Ich habe nämlich den Beitrag Durchlauferhitzer für Podcasts wiederentdeckt. In dem habe ich im Dezember 2013 die Podcasts aufgezählt, die ich damals abonniert hatte. Das erlaubt es mir nun, ein bisschen persönliche Geschichtsschreibung zu betreiben: Welche Podcasts von dieser Auswahl höre ich noch immer? Welche sind auf der Strecke geblieben?

Die Erkenntnisse sind interessant. Für mich auf alle Fälle – und vielleicht auch für andere langjährige Podcastfans:

Die Podcasts, die den Test der Zeit bestanden haben

Das sind sie also, die Podcasts, denen ich den ganzen acht Jahren treu geblieben bin.

Bits und so

(RSS) Einer der Ur-Podcasts im deutschsprachigen Raum zu Tech-Themen mit Schwerpunkt Apple. Und auch wenn ich ihn im Blog nie ausführlich besprochen habe, ist das hier eine gute Gelegenheit, Timo Hetzel, Alex Olma, Leo Becker und Bastian Wölfle ein Kränzchen zu winden:

Die vier Jungs liefern jede Woche eine geballte Ladung Infotainment ab, die oft tiefer in die Tiefe geht, als Hörern wie mir mit einem knappen Zeitbudget lieb sein kann – aber so kompetent, charmant und hörenswert ist, dass ich all die Jahre dabeigeblieben bin. Dank «Bits und so» ist mein Bedarf an Tech-Podcasts annähernd gedeckt. Ich habe ich die Möglichkeit, Podcasts in anderthalbfacher Geschwindigkeit abzuspielen, richtig schätzen gelernt. Und nicht nur das: Ich habe mir, (Achtung, Geständnis!) auch gelegentlich ein Thema fürs Blog oder für die Zeitung ausgeliehen.

WRINT: Die Wrintheit

(RSS) Die Podcasts von Holger Klein gehören auch zu den Produktionen, die den Test der Zeit mit Bestnote bestanden haben: Über die Jahre (fast) immer spannend, lehrreich und unterhaltsam, zu einer grossen Bandbreite an Themen und mit einem sympathischen Gastgeber, der irgendwie zum Inventar gehört.

Da es von Holger Klein nicht nur einen, sondern ein Dutzend Podcasts gibt, haben innerhalb dieses Angebots über die Jahre durchaus Verschiebungen stattgefunden. Manche seiner Produktionen höre ich weniger, andere nach Thema. Das im Detail aufzudröseln, wäre Korinthenkackerei. Nur so viel: Der prominenteste Neuzugang ist der hier besprochene «Geschichtsunterricht» mit Matthias von Hellfeld.

Skeptoid

(RSS) Der Podcast von Brian Dunning hat für mich den Weg des skeptischen Denkens geebnet. Ich habe ihn inzwischen in einem separaten Beitrag besprochen: Ein besserer Aufklärer als Facebook. Zwei Kritikpunkte bleiben: Es wird auch für diesen Podcast schwieriger, nach so vielen Jahren noch firsche, neue und packende Themen zu finden. Und das neue Geschäftsmodell, das eine Werbefinanzierung beinhaltet, hat dem Ruf leider geschadet.

Doppelpunkt und Roger gegen Markus

(RSS, RSS) Die beiden Podcasts von Radio 1 und Roger Schawinski sind eine Konstante – das liegt daran, dass es in beiden noch immer hoch zu und hergeht und zumindest im ersten Podcast viele interessante Schweizerinnen und Schweizer zu hören bekommt.

Der zweite von beiden hiess vor acht Jahren noch «Roger gegen Roger» und wurde mit Roger Köppel und nicht mit Markus Somm abgehalten. Man kann sich streiten, ob es sich noch um den gleichen Podcast handelt. Aber ich bin bei Namensänderungen tolerant, wie auch das nächste Beispiel zeigt.

Das Digitalmagazin von Radio Stadtfilter

(RSS) Bei dem hatte ich keine Wahl, denn ich gehöre zu den Machern dieses Podcasts – und wo kämen wir hin, wenn ich selbst mich nicht mehr hören würde? Trotzdem: Es ist schön, dass unser kleines Team noch immer durchhält und sich in den letzten Jahren auch weiterentwickelt hat. Das merkt man bereits am Namen: Der Podcast heisst inzwischen Nerdfunk.

Die Dahingeschiedenen

Drei Podcasts sind seitdem verschwunden. Was eine fantastisch niedrige Quote ist: Ich bin beeindruckt, wie gross das Durchhaltevermögen der Podcaster ist. Das allein ist ein Beleg für das Engagement und das Herzblut, das die meisten Sendungsmacher investieren. Dafür ein Lob und ein Dankeschön!

Not Safe For Work

(RSS) Dem gemeinsamen Liebeskind von Tim Pritlove und Holger Klein trauere ich noch immer hinterher. Das war für mich der Inbegriff des Laberpodcasts. Wenn sie zur Hochform aufgelaufen sind, dann waren Tim und Holger sogar besser als Jan Böhmermann und Olli Schulz. Zugegeben: In Momenten ausserhalb der Höchstform überzeugt «Fest & Flauschig» eher – vielleicht auch, weil bei Spotify noch ein Produzent sitzt, der das Schlimmste verhindern kann.

Und ja, «NSFW» hatte Durchhänger, und die sind gegen Ende häufiger geworden. Irgendwie müssen die beiden selbst die Lust an diesem Format verloren haben. Dieser Podcast wurde nicht offiziell eingestellt, doch da seit der letzten Folge bald drei Jahren verflossen sind, wage ich es, sie in diesen Abschnitt hier einzusortieren.

Skeptisch

(RSS) Der Podcast der Schweizer Skeptiker, die inzwischen Forum für kritisches Denken heissen, ist im Mai 2018 ausgelaufen. Es gibt aber einen Nachfolger, der Schlecht beraten heisst. Ich habe ihn noch nie gehört und kann darum nicht beurteilen, ob er direkt genug in der Tradition des Vorgängers steht, dass man ihn als Fortführung betrachten könnte. Einer des alten Teams ist mit dabei, nämlich der sehr geschätzte Marko Ković. Eine Besprechung dieses Podcasts findet sich im Beitrag Mit Spott und Fakten gegen die Schwurbler.

Morgomatthias und seine Verschwörungstheorie der Woche

(RSS) Einer der Podcasts, die über den Jordan ging, stammt von mir. Das betrübt mich ein bisschen. Aber es hilft zu sagen, dass mir nicht die Lust ver-, aber die freie Zeit ausgegangen ist, darum habe ich diese schöne, kurze Serie im Sommer 2016 mit der Folge Klappe zu, Affe tot eingestellt.

Abbestellungen 1: Auseinandergelebt

Bei einigen Podcasts hat mich die Geduld verlassen. Typischerweise war irgendwann der zeitliche Aufwand nicht mehr im Einklang mit dem Erkenntnis-technischen Ertrag.

Zum Beispiel Happy Shooting (RSS). Das ist einer meiner Podcasts der ersten Stunde. Und obwohl ich der Fotografie und den beiden Machern Boris Nienke und Chris Marquardt höchste Sympathien entgegenbringe und auch der Fotografie nicht abgeschworen habe, passte das Format in seiner Ausführlichkeit nicht mehr zu meinen Konsumgewohnheiten – vor allem, weil ich den Tech-Anteil verringern und meinen inhaltlichen Horizont erweitern wollte.

Abbestellungen 2: Ein offener Brief an Leo Laporte

In die Kategorie «Wir haben uns auseinandergelebt» sortiere ich Leo Laporte ein. Seine Produktionen habe ich vor zehn Jahren mit grosser Begeisterung gehört. Doch sie sind über die Jahre immer länger und weitschweifiger geworden, sodass ich sie allesamt abbestellt habe. Erst This Week in Tech (RSS), dann Triangulation (RSS) und schliesslich auch Windows Weekly (RSS), obwohl ich die beiden Windows-Experten Mary Jo Foley und Paul Thurrott nach wie vor schätze und fast ein bisschen verehre. Aber nun verfolge ich halt, was sie schreibenderweise von sich geben – bei ZDnet und thurrott.com.

Ich habe Herrn Laporte deswegen sogar einmal einen offenen Brief geschrieben, der allerdings weder eine Antwort erhalten noch eine Wirkung gehabt hat.

In die gleiche Kategorie gehören auch die beiden Podcasts von Nicolas Semak, nämlich Mikrodilettanten (RSS) und Elementarfragen (RSS). Da haben sich gewisse Ermüdungserscheinungen eingestellt. Bei «Mikrodilettanten» vor allem wegen der (nicht vorhandenen) Gesprächsführung, die dazu führt, dass durcheinander geredet wird. Und ja, auch wenn ein Laberpodcast ein strukturiertes Interview, sondern ein ganz normales Gespräch abbilden soll, so müsste man trotzdem dafür sorgen, dass es für den Zuhörer nicht zu anstrengend wird: also nicht zu viele abrupte Themenwechsel und zu wild durcheinander.

Abbestellungen 3: Das falsche Format für einen Hochstapler

Bei «Elementarfragen» liegt die Sache etwas anders. Diesen Podcast habe ich beendet, nachdem ich mich über eine Folge schwarz geärgert habe. Es war die Folge mit Gert Postel, der bei Wikipedia hochoffiziell als Hochstapler geführt wird.

Meines Erachtens funktioniert das ansonsten spannende Format, bei dem der Gastgeber seinem Gast viel Raum zu erzählen lässt, bei einem Hochstapler nicht: Ein solcher Mann zeichnet sich dadurch aus, dass er sich sich die Wahrheit zurechtbiegt, wie es ihm gerade passt. Ein Erkenntnisgewinn ergibt sich nur, wenn man einen Betrüger hart mit den Widersprüchen in seiner Erzählung und mit anderslautenden Fakten konfrontiert. Und da ein Hochstapler gewohnt ist, für alles eine Erklärung parat zu haben, muss man erstens sehr firm in der Materie sein und zweitens das Verhörstalent eines Staatsanwalts haben.

Aber zugegeben: Deswegen das Abo gleich zu kündigen, war eine Überreaktion. Die hatte damit zu tun, dass Semak die Kritik auf Twitter abgebügelt hat. Jedenfalls habe ich während des Schreibens dieses Beitrags hier festgestellt, dass in den «Elementarfragen» viele weitere spannende Folgen erschienen sind, zum Beispiel mit Ranga Yogeshwar. Es könnte somit gut sein, dass ich «Elementarfragen» neu entdecke.

Abbestellungen 4: Wo ist eigentlich Tim Pritlove?

Und irgendwie ist mir Tim Pritlove ganz abhandengekommen. Über die Jahre habe ich mein Abo bei Raumzeit (RSS) und CRE (RSS) beendet. Das hat damit zu tun, dass bei diesen Produktionen die neuen Folgen unregelmässig und mit teils sehr grossen Abständen erschienen sind.

Das verstehe ich, denn ich kann mir nur ausmalen, wie aufwändig es die oft ausufernden Gespräche allein in der Vorbereitung sind. Aber das macht es mir als Hörer schwieriger dranzubleiben – und ich denke, es ist auch für den Podcastmacher schwerer, den Rhythmus zu entwickeln bzw. zu halten. Jedenfalls fand ich früheren, regelmässigeren Folgen im Schnitt besser als die, die nach Monaten der Sendepause nachgeschoben wurden.

Schicht kapituliert habe ich bei der Freak Show (RSS). So spannend die Themen oft waren, so ermüdend ist ein Format mit Folgen, die drei, vier oder fünf Stunden gehen.

Kurz noch zu den beiden verbleibenden Podcasts:

  • Medien-KuH (RSS):  Medienthemen finde ich nach wie vor spannend, auch aus Deutschland. Aber auf Dauer war mir bei diesem Podcast zu viele Themen aus dem «seichten» Medienbereich dabei. Ob das noch immer so ist, weiss ich allerdings nicht.
  • Dan Carlin’s Hardcore History (RSS): Ich musste vor dem monumentalen Umfang dieses (hier besprochenen) Geschichtspodcasts kapitulieren. Carlin liefert ungefähr zweimal pro Jahr eine Folge ab, die mindestens vier Stunden lang ist. Ausserdem verteilt er seine Themen auf mehrere Episoden. Die Aufarbeitung der Rolle Japans in den letzten Jahrunderten unter dem Titel «Supernova in the East» verteilt sich auf fünf Folgen, die zwischen dem 14. Juli 2018 und dem 14. November 2020 veröffentlicht worden sind. Sorry, so lang ist meine Aufmerksamkeitsspanne nicht!

Und schliesslich muss ich Abbitte leisten

Und wo wir schon dabei sind: Ich muss Abbitte für No Agenda leisten. Diesen Podcast habe ich seinerzeit gerne gehört und auch empfohlen – zweimal sogar öffentlich im Digitalmagazin (hier und hier). Der Podcast hat schon von Anfang an mit verschwörungsmythischen Themen geliebäugelt, die vor allem Adam Curry eingebracht hat, seines Zeichens einer der Väter des Podcasts.

Wie ernst das damals gemeint war, kann ich auch heutiger Sicht nicht mehr sagen. Angesichts der politischen Brisanz, die die Verschwörungstheorien in den letzten Jahren erhalten haben, kann man sie aber nicht mehr als Jux und Dollerei oder als ironisierende Parodie verstehen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass man sich entweder klar distanziert oder sich den Vorwurf gefallen lassen muss, dieses Gedankengut zu befördern.

Ich habe den Podcast sporadisch noch gehört, aber mit der Wahl Trumps endgültig aus meinem Podcatcher verbannt. Denn zu wenig hat Co-host John C. Dvorak dagegengehalten, wenn Adam Curry wieder einmal auf Trumps Rhetorik hereingefallen ist. Wie das heute aussieht, ist auf Reddit nachzulesen (und hier bei meiner Besprechung von Joe Rogans Spotify-Podcast). Es heisst, dass Dvorak auch heute noch ein Crackpot sei und: «Adam has gone full QAnon.»

Tut mir leid, das zu hören. Und tut mir leid, dass ich diesen Podcast jemals empfohlen habe.

3 Kommentare zu «Sechs Dauerbrenner, drei Todesfälle, elf Verstossene und eine Abbitte»

Kommentar verfassen