Apple: Viel Kritik, aber die Kasse stimmt

Apple brachte 2024 Apple Intel­li­gence nicht zum Fliegen und hinkt der Kon­kur­renz bei der KI weit hin­ter­her. Die Vision Pro bleibt eine Ent­täu­schung. Doch die Kasse stimmt am Ende doch.

Das Jahr 2024 verbrachte Apple zwischen Stuhl und Bank. Ich sehe es als Übergangsjahr: Apple versuchte, sich für die Zukunft zu wappnen, ohne die Aufmerksamkeit allzu sehr darauf zu lenken, wie sehr Tim Cook und seine Führungsriege eine entscheidende Weichenstellung verschlafen haben.

Ich spreche natürlich von der künstlichen Intelligenz. Apple sprach in diesem Jahr sehr viel von der KI, respektive der Apple Intelligence. Doch den Tatbeweis, dass der Branchenprimus in diesem Bereich etwas Wesentliches beizutragen hat, konnte er bislang nicht erbringen.

Mein Test Anfang November der bis dahin verfügbaren KI-Features fiel enttäuschend aus: Apple Intelligence hinkt der Konkurrenz weit hinterher und hat fast keinen Alltagsnutzen. Ein bisschen konnte Apple mit den Updates auf 18.1 und 18.2 aufholen. Trotzdem wirkt Apple auch bei Features wie dem Image Playground zögerlich und mutlos.

Das muss gewaltig am Selbstverständnis kratzen: In den letzten zwanzig Jahren bewies Apple ein untrügliches Gespür für die kommenden Trends. Die Produkte entsprachen genau den Wünschen der Kundinnen und Kunden, und das Timing war oft annähernd perfekt. 2007 gelang Steve Jobs mit dem iPhone ein grossartiger Coup, und auch beim iPad, iPad und der Apple Watch hatte Apple ein gutes Händchen. Über kleinere Flops wie die Touchbar dürfen wir an dieser Stelle grosszügig hinwegsehen.

Hunderttausende unverkaufte Computerbrillen

Die Computerbrille stagnierte 2024.

Doch 2023 setzte Tim Cook voll auf seine neue Computerbrille, die Vision Pro. Das Spatial Computing sollte die Reihe der Innovationen fortschreiben. Dass das nicht passieren würde, war allerdings schon Ende 2023 klar. Im Sommer wurde die Produktion der Vision Pro so stark gedrosselt, dass es zu Spekulationen über deren Ende kam. «Apple Insider»:

Analysten gehen davon aus, dass Apple in den ersten drei Quartalen 2024 etwa 370’000 Brillen verkauft hat und bis Ende des Jahres nur noch 50’000 Stück absetzen wird. In der Zwischenzeit soll Fabrikant Luxshare zwischen 500’000 und 600’000 Headsets montiert haben, was bedeutet, dass etwa 200’000 Headsets auf Halde liegen.

Zur Einschätzung: Selbst im Vergleich mit der Mac-Sparte, die nur einen Bruchteil der iPhone-Umsätze liefert, ist das wenig. 2022 hat Apple fast 28 Millionen Mac-Computer verkauft.

Für mich ist der Fall klar: Die Technik ist zwar brillant, aber auch so anspruchsvoll, dass nicht einmal ansatzweise jene Dynamik entstehen konnte, die ein erfolgreiches Apple-Produkt auszeichnet. Da die Wucht der KI-Revolution schon Ende 2022 absehbar war, hätte die Unternehmensleitung klare Prioritäten setzen und die Lancierung der Vision Pro auf unbestimmte Zeit verschieben müssen. Ende 2024 wäre es an der Zeit, die Brille auf Eis zu legen oder aufzugeben.

Was hätte Steve Jobs getan?

Da der Name bereits gefallen ist: Brauchen wir an dieser Stelle darüber zu diskutieren, ob Steve Jobs eine solche Fehleinschätzung unterlaufen wäre? Ich habe zwar einen Hang zu kontrafaktischer Geschichtsschreibung, will mich aber auch nicht in müssige Spekulationen versteigen.

Rückschlüsse auf den Führungsstil von Tim Cook sind jedoch zulässig. Ich vermute, dass Cook eher als Jobs die Position vertritt, dass ein langjähriges Forschungsprojekt irgendwann eine Rendite abwerfen muss. Cooks Denkweise scheint mir mehr von der buchhalterischen Seite geprägt, weniger vom Drang nach Innovation und technischen Meilensteinen. Da die Frage nach einer Nachfolgeregelung weiterhin im Raum steht, muss die Frage erlaubt sein, ob an der Managementspitze nicht wieder ein technischer Visionär gefragt wäre.

Und die Frage nach Jobs doch noch (halbwegs) zu beantworten, sei auf Walter Isaacson verwiesen: Der Biograf meint, Jobs hätte die Vision Pro geliebt. Das glaube ich sofort. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in der heutigen Form seinem Streben nach Einfachheit entsprochen hätte.

Mac Mini als positive Überraschung

Was bleibt sonst von 2024? Apple betrieb bei den neu lancierten Produkten Modellpflege; das gilt insbesondere auch fürs iPhone 16 – wobei ich bisher nicht ausreichend Gelegenheit hatte, den neuen Knopf für die Kamerasteuerung zu testen. Der neue Mac Mini M4 ist die Ausnahme, ihn betrachte ich als gelungene Überraschung. Die Erwartungen verpasste Apple beim iPad: Die Verkaufszahlen sind rückläufig und es gibt noch immer kein Einstiegsmodell mit einer zeitgemässen Speicherausstattung.

Aus Sicht der Anwenderinnen und Anwender ist 2024 ein unbefriedigendes Apple-Jahr. Apple selbst dürfte aber glücklich sein: Ende Oktober gab es einen Rekord bei den iPhone-Verkäufen in einem Septemberquartal zu vermelden. 94,9 Milliarden US-Dollar Umsatz in einem Quartal würde sogar Dagobert Duck ein Lächeln abringen.

Aufgeschlüsselt bringt das iPhone knapp die Hälfte ein (46,2 Milliarden, mit einem Plus von 2,4 Milliarden gegenüber dem Vorjahr). Mac und iPad sind mit 7,74 und 6,95 Milliarden Dollar (+500 Millionen) an den Einnahmen beteiligt. Die Services-Sparte erreicht mit 24,97 Milliarden Dollar ein Allzeithoch. Eindrücklich ist auch das Wachstum von 2,6 Milliarden Dollar. Trotz aller Kritik ist damit eines klar: Apple hat nicht verlernt, wie man Geld verdient.

Beitragsbild: Riesige Bildschirme, kleiner Computer (Apple).

2 Kommentare zu «Apple: Viel Kritik, aber die Kasse stimmt»

  1. Frohe Weihnachten Matthias, wollte mich nur kurz für Deine ständigen Beiträge bedanken. Da steckt doch ziemlich viel Arbeit drin.

    Weihnachtliche Grüße aus Deutschland (8Grad).
    Peter

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