Seit Anfang Woche ist Apple Intelligence verfügbar. Zumindest einige Vorboten der KI-Funktion lassen sich am iPhone, Mac und iPad testen. Die Voraussetzungen beschreibt Apple in der Pressemeldung. Es muss iOS 18.1, iPadOS 18.1 oder Mac OS Sequoia 15.1 installiert sein und man benötigt die passende Hardware: Mindestens ein iPhone 15 Pro, ein iPad mit A17 Pro- oder M1-Prozessor oder einen Mac mit M1-Chip oder besser. Und die Systemsprache muss auf English (US) eingestellt sein.
Für einen ersten Augenschein habe ich das Test-Macbook Pro M3 entsprechend konfiguriert. Mit diesen Einstellungen erscheint in den System Settings (Systemeinstellungen) der Punkt Apple Intelligence & Siri. Auch hier müssen wir die Sprache auf US-Englisch einstellen. Danach haben wir die Möglichkeit, uns auf die Warteliste setzen zu lassen. Nachdem das geschehen ist, müssen wir uns etwas gedulden: Gemäss Apple sollte es höchstens ein paar Stunden dauern, bis Apple Intelligence freigeschaltet wird. In meinem Fall musste ich einen knappen Tag lang warten. Ich habe mich am Mittwoch um 16 Uhr angemeldet und konnte Apple Intelligence dann am Donnerstag früh nach einem Neustart verwenden.
Nach der Aktivierung wird uns erklärt, was Apple Intelligence bislang alles zu bieten hat. Nebst der Möglichkeit, Benachrichtigungen zusammenzufassen, habe ich mir folgende Features angeschaut:
1) Siri
Die Assistentin Siri hat das Potenzial, dank der künstlichen Intelligenz viel hilfreicher zu sein. Um einen Eindruck zu bekommen, welche Verbesserungen sie zu bieten hat, stelle ich einige der üblichen Fragen zu Terminen, Wetter und wichtigen Ereignissen – aber angereichert mit Extrawünschen, die Apples persönliche Assistentin bis jetzt überfordert hätten.
Damit ich einen direkten Vergleich ziehen kann, stelle ich die Fragen wortgleich am iPad der alten Siri und am Macbook Pro der neuen Siri. Ich muss sie in beiden Fällen auf Englisch stellen, da die Sprachänderung für alle Geräte angewandt wird.
Und das sind die Resultate:
- «Wann findet mein nächster Termin in Zürich statt?»
Die alte Siri zählt die nächsten fünf Termine auf, ohne auf die Ortsangabe einzugehen. Die neue Siri nennt eine zeitbezogene Erinnerung, die aber keine Ortsangabe aufweist. - «Wie ist das Wetter am nächsten Montagmorgen in Olten?»
Die alte Siri gibt eine Wetterprognose für den richtigen Zeitpunkt, jedoch den falschen Ort (Winterthur). Die neue Siri versteht Olten als «Alton» und liefert eine Prognose ebenfalls für Winterthur. - «Mache einen Termin am Dienstag um 8:50, mit dem Hinweis, dass ich meinen Zahnarzt anrufen will. Falls dann schon ein Termin besteht, mache ihn anschliessend an diesen Termin.»
Die alte und die neue Siri machen exakt das gleiche: Sie weisen auf einen Konflikt hin und räumen mir lediglich die Option ein, den Termin zu verwerfen oder trotzdem anzulegen. Nachdem ich mich für letzteres entscheide, steht um 8:50 Uhr folgender Text im Kalender: «Call my dentist if there is already an appointment, make it after this appointment». - «Wann ist die nächste kantonale Abstimmung?»
Alte Siri: «There’s is nothing called ‹cantonal Walt› on your calendar.» Die neue Siri macht eine Google-Suche zu «continental vote», die einen Treffer zur Aktionärsversammlung des Hannoveraner Automobilzulieferers enthält.
Bei keinem der vier Beispiele ist eine Verbesserung zu erkennen. Und ich frage mich natürlich, woran dieses verheerende Resultat liegen könnte. Ist meine englische Aussprache das Problem? Waren die Fragen zu sehr auf Schweizer Themen fokussiert, mit denen sich Apple Intelligence bislang nicht auskennt? Habe ich generell zu hohe Erwartungen und zu spezifisch gefragt? Oder funktionierte die neue Siri bei meinem Test einfach noch nicht?
Letzteres halte ich für wahrscheinlich, denn wenigstens eine minimale Veränderung sollte erkennbar sein. Falls hier die alte Siri in neuem Gewand aktiv ist, wäre ein Zeichen, dass Apple Intellicenge für den Betatest keinesfalls reif ist.
Falls ich es mit der neuen Siri zu tun habe, bin ich ratlos: Vielleicht will Apple Fehlinformationen vermeiden und setzt darum weiterhin auf sehr kontrollierte Antworten. Das würde das alte Problem zementieren, dass Siri im Alltag zu wenig nützlich ist, weil sie sich nicht an den Bedürfnissen des Users ausrichtet: Wir müssten weiterhin genau wissen, wozu wir sie einsetzen können und wozu nicht.
Und überhaupt: Sooo anspruchsvoll waren meine Aufgaben nun auch wieder nicht. Es gibt Einträge in meinem Kalender (Frage 1), bei denen eine Adresse in Zürich hinterlegt ist. Bei Frage 3 hätte ich wenigstens eine sinnvolle Benennung des Termins erwartet, nämlich: «Zahnarzt anrufen». Und was Frage 4 angeht, beweist ein Versuch mit der Konkurrenz, dass das nach dem heutigen Stand der KI-Entwicklung keine unmögliche Aufgabe ist. Perplexity liefert folgende, einwandfreie Antwort: «The next cantonal vote in Switzerland is planned for 24 November 2024.»
2) Die Writing Tools
In diversen Apple-Apps steht in Textfeldern im Kontextmenü der Punkt Writing Tools zur Verfügung. Er umfasst Befehle, um Texte zu korrigieren, umschreiben und formal zu ändern, z.B. von in eine Aufzählung, Tabelle oder Liste zu verwandeln.
Meinen ersten Versuch unternehme ich in Mail. Dort soll mir Apple Intelligence helfen, eine freundliche Absage zu formulieren. Mein Originaltext ist etwas weniger konziliant: «Hell, what stupid offer. Do you really think I have time to give a long lecture without any fee and allowances at your remote event? It would take me a whole working day!» («Verdammt, was für ein dummes Angebot. Glauben Sie wirklich, ich hätte Zeit, einen langen Vortrag ohne Honorar und Aufwandsentschädigung auf Ihrer abgelegenen Veranstaltung zu halten? Dafür würde ich einen ganzen Arbeitstag brauchen!»)
Aber Apple Intelligence denkt nicht daran, mir dabei zu helfen: «Writing Tools aren’t designed to work with this type of content», wird mir beschieden. Die KI funktioniere nicht mit derlei Inhalten.
Auch hier ist der Vergleich zur Konkurrenz interessant. ChatGPT kommt meiner Bitte sofort nach und liefert genau den Schmus, den man in so einem Fall würde versenden wollen¹.
Das Umformatieren in eine Tabelle oder Liste erledigen die Writing Tools wunschgemäss. Doch nach diesem kleinen Erfolgserlebnis schon wieder Ernüchterung: Auch der Versuch, mit diesem Textabschnitt hier, auf Englisch übersetzt, zusammenfassen zu lassen, endet mit einer Abfuhr, respektive mit einer Fehlermeldung («Apple’s Writing Tools in Mail fails to assist with rewriting a text, while ChatGPT provides a helpful response. The Writing Tools are effective for formatting tables and lists.»).
3) Der Image Playground
Apple hält auch eine KI für die generative Bilderzeugung bereit. Die kann ich an dieser Stelle hier nicht beurteilen. Die ist derzeit erst in der Beta-Version von iOS 18.2, iPadOS 18.2 und Mac OS 15.2 enthalten, die ich in der Kürze der Zeit nicht installiert bekommen habe. Aber es drängt sich ohnehin ein separater, ausführlicher Test auf.
4) Die Suche in Fotos
In der Fotos-App hilft die KI bei der Suche nach Bildern. Und tatsächlich: Eine Suchanfrage wie «Ich im Wald» liefert prompt die richtigen Bilder. Ebenso eine Formulierung wie «Petra outside similing». Das ist am Ende dieses Tests eine erfreuliche Beobachtung. Allerdings war die Suche in der Fotos-App auch bisher schon ausgezeichnet und um Welten besser als z.B. in Windows.
Fazit
Natürlich, die Entwicklung dieser KI steht erst am Anfang. Ich halte es Apple zugute, dass der Konzern die künstliche Intelligenz mit Zurückhaltung einführt. Diese Strategie der Vorsicht unterscheidet sich auf wohltuende Weise vom kopflosen Agieren bei Microsoft und Google, die ihre Produkte in unfertigem Zustand auf die Menschheit losgelassen haben (siehe hier oder hier).
Andererseits ist es unmöglich, diese Neuerung zu testen, ohne Vergleiche zu jenen KIs anzustellen, die die meisten von uns inzwischen tagtäglich verwenden. Und in dieser direkten Gegenüberstellung schneidet Apple Intelligence miserabel ab. Das zeigt auch, wie sehr unsere Erwartung in den letzten zwei Jahren gewachsen ist. Denn noch 2021 wären die Umformatierungs-Funktionen der Writing Tools ein riesiger Hit gewesen. Doch heute setzen ChatGPT, Perplexity und Claude einen ganz anderen Massstab, an dem sich auch Apple messen lassen muss.
Damit Apple Intelligence tatsächlich als Verkaufsargument für die neue Gerätegeneration taugt, muss Apple gewaltig zulegen. Das dürfte nur durch eine radikale Verlagerung der Prioritäten innert nützlicher Frist möglich sein. Das heisst für mich: Die Computerbrille Apple Vision Pro sollte auf Eis gelegt oder eingestellt werden.
Denn für die weitere Entwicklung der künstlichen Intelligenz wäre ein positives Vorbild von entscheidender Bedeutung: Ein Konzern, der vorexerziert, dass sich die KI unter Berücksichtigung der Risiken und Nebenwirkungen und mit Respekt für den Datenschutz in die Produkte einbauen lässt, wäre ein wichtiges Korrektiv für Unternehmen wie Microsoft, das in unreflektierter KI-Euphorie mit einem Feature wie Recall vorgeprescht ist. Apple würde ich diese Rolle am ehesten zutrauen. Aber das klappt nur mit einem wettbewerbsfähigen Produkt.
Fussnoten
1) So formuliert ChatGPT die Absage:
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Einladung. Ich fühle mich geehrt, dass Sie an mich gedacht haben und Interesse an einem Vortrag haben.
Leider ist es mir zeitlich nicht möglich, unentgeltlich an einem Vortrag in dieser Entfernung teilzunehmen, da dies einen erheblichen zeitlichen Aufwand bedeuten würde. Ich bin sicher, Sie haben Verständnis dafür, dass eine solche Verpflichtung ohne Honorierung und Reisekostenerstattung für mich leider nicht realisierbar ist.
Ich wünsche Ihnen dennoch viel Erfolg für die Veranstaltung und hoffe, dass Sie eine passende Alternative finden.
Freundliche Grüsse,
[Dein Name] ↩
Beitragsbild: Falls Apple eine Werbefigur bräuchte … (Pavel Danilyuk, Pexels-Lizenz)