Wie wahrscheinlich ist eine Suchmaschine von Apple?

Ein neues Gerücht macht die Runde: Apple will Google loswerden und sich mit einer eigenen Suchmaschine einen Milliardenmarkt erschliessen.

Nach erfolgreichen Lancierung des Apple-Autos, der Apple-Brille und dem Apple-Fernsehgerät scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis wir mit Apple googeln: Pardon, appeln. Denn Apple arbeitet an einer Suchmaschine. So behauptet es die Gerüchteküche im Moment.

… aber ich gebe zu: Der erste Satz war gelogen: Apple hat uns die aufgezählten Produkte bislang vorenthalten. Und das, obwohl die öffentliche Neugierde und die Medienresonanz in allen Fällen gross war. Das macht klar, dass es um die Treffsicherheit besagter Gerüchteküche nicht zum Besten bestellt ist.

Darum stellt sich auch im vorliegenden Fall die Frage: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Behauptung wahr ist und wir nebst Bing, Duck Duck Go und Konsorten bald ein Rechercheinstrument von Tim Cooks Gnaden zur Verfügung haben?

Ich bin skeptisch, und zwar aus mehreren Gründen:

Erstens wäre das ein Projekt mit grosser Fallhöhe. Es wäre ein Frontalangriff auf einen potenten Gegner. Zwar hat Apple keine Angst vor Google, wie das Beispiel Apple Maps zeigt. Doch hier geht es um Googles Kerngeschäft und um viel Prestige: Die ganze Welt würde sehen wollen, wie dieses Duell ausgeht. Und wie bei Google Maps würden sofort Beispiele die Runde machen, bei denen der neuen Suchmaschine peinliche Schnitzer unterlaufen.

Zweitens stampft man eine gute Suchmaschine nicht aus dem Boden. Das führt Bing vor Augen. Microsofts Suchmaschine ist nun keine Lachnummer, aber auch nicht so gut, dass die Leute in Scharen Google den Rücken kehren würden. Dabei hat Microsoft viel Erfahrung: Bing wurde 2009 gestartet, als Nachfolger von Windows Live Search (ab 2006) und MSN Search. Diese Engine stammt von 1998. Microsoft ist fast so lange im Geschäft wie Google.

Drittens finde ich die Argumente für eine Apple-Suchmaschine nicht sonderlich überzeugend. Jon Henshaw ist SEO-Experte und hat das Gerücht mit einem Blogpost in Umlauf gebracht.

Das erste Argument: «Apple braucht das Geld von Google nicht». Google zahlt Milliarden an Apple, um die Standard-Suchmaschine in Safari zu sein. Gemäss «Business Insider» waren es 2018 geschlagene neun Milliarden US-Dollar. «Aber Apple ist ein sehr reicher Konzern und ist nicht auf diese Finanzspritze angewiesen.»

Sorry, aber dieses Argument ist hanebüchen. Wer würde auf neun Milliarden verzichten, für die man nichts weiter tun muss, als in einem Programm einen bestimmten Standardwert zu setzen? Obendrein, wenn man viel eigenes Geld investieren müsste, um diese Funktion zu ersetzen, für die man bisher fürstlich bezahlt wurde?

Das ergibt nur Sinn, wenn Apple der eigenen Suchmaschine einen Vorteil ziehen könnte, der in Dollars ausgedrückt mehr als neun Milliarden, plus die Entwicklungs- und Betriebskosten der eigenen Suchmaschine betragen würde.

Wie wahrscheinlich ist das? Zum Vergleich habe ich versucht herauszufinden, wie viel Geld Microsoft mit Bing macht: Denn wenn ein Neuling die Nummer zwei (2,78 Prozent Marktanteil gemäss dieser Statistik, 5,82 Prozent sagt die Analyse hier) aus dem Feld kegeln könnte, wäre das sehr beachtlich. «Forbes» beziffert die Einnahmen durch Bing auf 7,5 Milliarden:

Das ist ein Mückenschiss im Vergleich zu Googles 120 Milliarden Dollar Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft in den letzten 12 Monaten. Aber es ist mehr Geld, als Microsofts soziales Netzwerk Linkedin oder Hardware-Linie, inklusive Surface, in die Kassen des Unternehmens spült.

Apples Suchmaschine müsste aus dem Stand etwa doppelt so einträglich sein wie Bing, damit sich dieses Projekt rechnen würde.

Dass das möglich ist, schliesse ich nicht aus. Aber ich glaube nicht, dass allein der Leidensdruck aus dieser Partnerschaft ausreicht, damit Apple Google den Stecker zieht. Und selbst wenn das so wäre, könnte Tim Cook mit Microsoft und Bing zusammenspannen, bevor er sich auf dieses Abenteuer begibt. Und wie «Forbes» andeutet: Eine Suchmaschine allein erzeugt noch keine Einnahmen. Es bräuchte auch das ganze Werbegeschäft dazu. Aber bekanntlich war Apples Werbeplattform iAd alles andere als ein Erfolg.

Zweites Argument: Apple investiert in die Suche und stellt Leute an, die sich damit auskennen. Das Gegenargument gibt Jon Henshaw gleich selbst: Apple hat die Suche in iOS und iPad OS 14 verbessert und braucht entsprechendes Knowhow für die eigenen Produkte.

Google scheint ausserdem in der Spotlight-Suche im iPhone und iPad nicht genutzt zu werden. Wenn das mit der finalen Version der Betriebssysteme so bleiben sollte, wäre das sicherlich interessant. Doch auch aus dieser Beobachtung lässt sich nicht schliessen, dass Apple eine vollwertige Suchmaschine plant. Vielleicht die Mini-Version einer Suchmaschine, die an dieser Stelle ein paar Treffer aus dem Web einfügt. Aber das ist halt nicht so spektakulär, wie die Schlagzeile «Apple plant eigene Suchmaschine» vermuten lässt.

Schliesslich verwendet Apple eigene Bots, die das Web absuchen, und die in letzter Zeit offenbar fleissig waren. Indes ist Apple transparent, was die Aufgabe dieses Bots ist: «Applebot ist der Webcrawler für Apple, der von Funktionen wie Siri und Spotlight-Vorschlägen verwendet wird.»

Fazit: Natürlich, ausgeschlossen ist nichts – und spekulieren kann man über alles. Diese Vermutung ist aber wenig plausibel und unwahrscheinlich. Wenn Apple eine Suchmaschine starten sollte, dann nur, weil ein technischer Durchbruch gelungen ist, der den Suchmaschinenmarkt aufmischen wird. So geht es vielleicht um ein Suchmaschinchen, dass im Verborgenen läuft und ein paar spezifische Informationen für Siri und Spotlight bereitstellt.

Und es spricht meines Erachtens für Apple, dass die Leute dort nicht alles tun, was sie tun könnten. Das heisst nicht, dass im Konzern nicht ständig in die unterschiedlichsten Richtungen gedacht wird – und in manchen Fällen Prototypen entstehen und Spezialisten angestellt werden. Aber anhand eines Prototyps kann man auch zum Schluss kommen, dass aus einer Idee kein marktreifes Produkt wird.

Apple ist nach wie vor sehr hervorragend bei solchen Produktentscheiden – und hoch in den Ansprüchen: Apple will in einer Kategorie das massgebliche Produkt herstellen, nicht bloss eines unter vielen.

Zugegeben, das gelingt nicht immer. Der Homepod setzt sich meines Erachtens zu wenig von der Konkurrenz ab. Apple TV+ kann Netflix nicht Paroli bieten. Und auch Apple Music hat sich in meinem Vergleich nicht gegen Spotify durchsetzen können.

Doch abgesehen von einigen Ausrutschern investiert Apple die Ressourcen sinnvoll und klug.

Beitragsbild: Das wird wohl weiterhin so bleiben (377053, Pixabay-Lizenz).

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