Ja, ich weiss, dass Automattic ein gewinnorientiertes Unternehmen und kein Wohltätigkeitsverein ist. Trotzdem hat die Organisation immer auch den Eindruck erweckt, einen starken, gemeinnützigen Impetus zu haben: Wordpress ist freie Software und kostenlos. Automattic setzt sich für Offenheit und Transparenz im Web ein. Zuvorderst auf der Unternehmens-Homepage heisst es:
Wir setzen uns mit Leidenschaft für ein besseres Web ein.
Wie passt es da ins Bild, dass Automattic ein Geschäftsprinzip einsetzt, das wir hervorragend von Google kennen? Das Prinzip funktioniert so: Man lanciert ein Produkt als kostenlos. Das bewirkt, dass Nutzerinnen und Nutzer sich gegen ein Alternativprodukt entscheiden, das vielleicht besser wäre, aber eben ein paar Franken kosten würde. Wenn die Nutzerbasis gross genug ist, dann führt man einen Abopreis ein – der vielleicht so hoch ist, dass die Konkurrenz jetzt attraktiver wäre. Aber weil das Produkt inzwischen einen festen Platz einnimmt, kommt für viele ein Wechsel nicht mehr infrage.
Die Salamitaktik bei Jetpack
Google hat das mit Fotos vorexerziert. Automattic treibt genau das gleiche Spielchen mit Jetpack. Das ist eine Erweiterung für Wordpress, die eine Reihe von Funktionen bereitstellt. Ich nutze sie aus mehreren Gründen, vor allem jedoch wegen der Statistik.
Anfang 2023 hat Automattic die Social-Funktion kostenpflichtig gemacht: Mit der kann man seine neuen Blogposts automatisch in sozialen Netzen ankündigen. Der Preis: 4.45 Franken pro Monat. Nicht viel, aber doch viel zu viel, nur um automatisiert ein paar Facebook- und Linkedin-Posts abzusetzen.
Vor ein paar Tagen hat Automattic mir eine höchst unerfreuliche Überraschung bereitet, indem auch die Statistik-Funktion nicht mehr gratis ist. Das heisst, es gibt eine nicht kommerzielle Lizenz für Leute, die keine Werbung schalten, nichts verkaufen, selbst nichts bewerben, nicht um Spenden bitten und sich nicht sponsern lassen. Das trifft auf mich nicht zu, da ich Werbung und einen Paypal.me-Link auf der Seite habe.
Teuer und unfair für die Kleinen
Ich müsste also bezahlen. Der Preis ist abgestuft, und zwar nach monatlichen Aufrufen. Die günstigste Stufe kostet 15.95 Franken pro Monat. Sie ist für Websites gedacht, die maximal 100’000 Klicks pro Monat verzeichnen. Wer auf 250’000 Klicks kommt, zahlt 22.95 Franken. 500’000 Klicks kosten 38.95 Franken. Drei Millionen Klicks schlagen mit 93.85 Franken zu Buch.
Dazu fallen mir mehrere Dinge ein:
- Das ist viel zu teuer für mich. Ich verdiene mit meinem Blog Geld, aber nicht so viel, dass sich diese Ausgabe nur ansatzweise rechnen würde.
- Die niedrigste Stufe liegt mit 100’000 Klicks sehr hoch. Ich verrate hier kein Geschäftsgeheimnis, wenn ich sage, dass ich mit Clickomania.ch nicht einmal näherungsweise in diese Sphäre gerate.
- Die Preisdegression bestraft die kleinen Websites nochmals extra.
Geh doch, wenn du kannst!
Fazit: Ich kann mir selbst einen Vorwurf nicht ersparen. Ich wusste natürlich, dass all diese Dinge, die es bei Jetpack gratis gibt bzw. gab, zu schön sind, um wahr zu sein. Trotzdem habe ich mich sehenden Auges in die Abhängigkeit begeben.
Meine Beziehung zu Automattic ist dennoch angeknackst und meine Sympathie für Matthew Mullenweg angeschlagen.
Ich bringe das angebliche Bemühen fürs «bessere Web» nicht mit der Tatsache in Einklang, dass die Hobbyisten und Teilzeitblogger hier massiv benachteiligt werden. Und das eiskalte Ausnutzen der Abhängigkeit passt schon gar nicht zum idealistischen Selbstbild.
Ich würde Jetpack an dieser Stelle gern in den Wind schiessen. Aber leider nutze ich auch die Newsletter-Funktion von Jetpack, über die die treuen Leserinnen und Leser über neue Blogposts informiert werden. Wie oben erwähnt: Ein typischer Lock-In-Mechanismus, wie wir ihn von den grossen Tech-Konzernen her kennen.
Ich habe mich entschieden, die Statistik vorerst zu ignorieren. Ich schreibe hier sowieso nicht wegen des Publikumserfolgs, sondern wegen der subjektiven Relevanz. Abgesehen davon scheint die Rangliste im Abschnitt «Die beliebtesten Beiträge» noch immer zu funktionieren.
Beitragsbild: Ich, Symbolbild (Ryan Snaadt, Unsplash-Lizenz).
@Matthias ich hasse das, wenn eine kostenlose SW plötzlich doch etwas kostet. Man investiert viel Zeit und baut etwas auf, um dann abhängig zu sein. Mir passiert mit Evernote. Ich habe so viele Notiz da drin, dass es schwierig ist zu wechseln. Auch Maps.me ist so ein Fall. Und meist gibt es keine guten Alternativen und für nur privaten Gebrauch finde ich die Preise doch ziemlich happig.
«Ich würde Jetpack an dieser Stelle gern in den Wind schiessen», tu es. Jetpack als Plugin ist ein aufgeblasenes Monstrum – und dies nicht erst, seit sie Geld dafür wollen.