Es gibt einige Programme, die für meine tägliche Arbeit unverzichtbar sind und die meine Produktivität massiv erhöhen. Eines dieser Softwareprodukte ist PhraseExpress.
Es handelt sich um eine Verwaltung von Textbausteinen, die man mittels Tastaturkürzeln oder über Texteingaben abruft. Ich habe das Programm hier im Blog schon des Öfteren erwähnt, weil es eben nicht nur simple Autokorrekturaufgaben übernimmt.
Nein, die Software eröffnet auch vielerlei Rationalisierungsmöglichkeiten: Sie erleichtert die Office-Korrespondenz, ist hervorragend geeignet, Supportanfragen abzuwickeln und hilft Automatisierungsfans wie mir dabei, den Umgang mit Links und Fussnoten beim Bloggen zu vereinfachen¹. Und ich benutze PhraseExpress sogar fürs Googeln².
Doch so intensiv ich die Software auch nutze, war ich enorm Update-faul: Ich hatte bis vor Kurzem noch die Version 11 von 2015 im Einsatz. Die hat alles, was ich brauche – und wie jeder erfahrene Windows-Anwender weiss, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass eine neue Version nicht mehr Nutzen, sondern vor allem einen grösseren Leistungshunger und weniger Performance bringt.
Doch nun habe ich den Schritt auf die Version 15, die Mitte Oktober 2020 erschienen ist, getan. Es war kein neues Feature, das mich dazu bewogen hat, sondern die zunehmenden Kompatibilitätsprobleme: PhraseExpress hatte immer häufigere Aussetzer, und reagierte nicht mehr auf die Schlüsselworte in meinem Text. Um das Problem zu beheben, musste man die Anwendung beenden und neu starten.
Auf Dauer war mir das zu mühsam. Und da ich für Programme, die ich regelmässig verwende, auch gern bezahle, habe ich 50 Euro in die Standard-Version investiert und nun eine gute Gelegenheit, diese hier zu besprechen.
Mein erster Eindruck ist, dass ich die Oberfläche zwar sofort wiedererkenne, aber auch viele Veränderungen sehe. Das Programmfenster wurde deutlich modernisiert: Es gibt kein Menü mehr, sondern ein Menüband (einen Ribbon).
Die nützliche Listenansicht
Die Übersicht der Textbausteine kommt nun als Listenansicht daher, die mit interessanten Zusatzinformationen ausgestattet ist. Man kann in der tabellarischen Ansicht Spalten ein- und ausblenden. Welche Spalten angezeigt werden, lässt sich durch einen Rechtsklick auf den Spaltenkopf beeinflussen: Es stehen u.a. Felder für den Autotext und die Tastenkombination zur Verfügung. Man kann auch die Zahl der Aufrufe, die Daten fürs Erstellen und die letzte Bearbeitung und die Anzahl Aufrufe einblenden.

Diese Detail-Dastellung macht die Verwaltung einer grossen Sammlung von Textbausteinen viel einfacher. Eine solche Sammlung ist typischerweise hierarchisch in Ordner und Unterordner organisiert. Das erleichtert die Übersicht, führt jedoch dazu, dass es schwierig ist, Tastaturkürzel und Autotexte stringent zu vergeben oder aber obsolete Einträge in der Sammlung zu finden und zu entfernen.
Bei beiden Aufgaben hilft die neue Darstellung, und zwar in Kombination mit der Option Flache Liste, die im Menüband in der Rubrik Ansicht steckt. Hat man die eingeschaltet, sieht man in der Liste nicht nur den Inhalt des gerade ausgewählten Ordners oder Unterordners, sondern alle Inhalte, die sich im ausgewählten Ordner befinden, egal, ob sie in weiteren Unterordnern verborgen sind oder nicht. Wählt man den obersten Knoten seiner Hierarchie aus, dann erscheinen alle Einträge in der Liste.
Sinnvolle Möglichkeiten zur Bereinigung
Indem man nun die Spalte Zuletzt verwendet oder Aufrufe einblendet und auf sie klickt, werden die Einträge nach diesem Kriterium sortiert: Man sieht sofort die uralten Beiträge bzw. diejenigen, die nur wenige Male benutzt worden sind und kann sie löschen.
Leider ist es nicht möglich, sie zu exportieren, was die bevorzugte Methode wäre. Es gibt unter Textbausteine zwar eine Exportfunktion, aber die exportiert nur reinen Text und funktioniert anscheinend auch nicht richtig. (Was mich nicht wundert – siehe dazu Fazit am Ende). So wäre es zur Bereinigung sinnvoll, vorab eine datierte Kopie der Phrasen-Sammlung anzulegen.
In meinem Fall ging das leider nicht, da PhraseExpress 11 diese Informationen offensichtlich nicht gespeichert hat und darum keine Angaben zu der Verwendung und Bearbeitung der einzelnen Einträge vorliegen. (Man könnte das als kleine Strafe für mein ewig langes Hinauszögern des Updates betrachten…)
Die Oberfläche von PhraseExpress in der Version 15 hat es in sich: Man kann mehrere Einträge in der Liste auswählen und über einen Rechtsklick und den Befehl In Tab öffnen als Reiter darstellen und schnell zwischen ihnen hin und her wechseln. Übrigens: In der Rubrik Ansicht gibt es die Option 3 Spaltenansicht, mit der die Ordner, der Ordnerinhalt und die ausgewählte Phrase auf einen Blick zu sehen sind.
Farbmarkierungen und Tags
Es gibt die Möglichkeit, Einträge farblich zu markieren und über den Knopf rechts neben dem Beschreibungsfeld mit Tags zu versehen – eine Freude für alle, die die Einsortierung in Ordner und Unterordner als wenig flexibel erachten. Und man kann Textbausteine mit Zugriffsrechen versehen. Für mich als Einzelnutzer irrelevant, aber da das Programm netzwerkfähig ist und auch in grösseren Teams zum Einsatz kommen kann, sicherlich sinnvoll.
Über einen Rechtsklick steht im Kontextmenü der Befehl Mengenbearbeitung zur Verfügung, mit dem man alle ausgewählten Textbausteine aufs Mal verändert und umbenennt bzw. inhaltlich verändert. Das scheint mir eine eher gefährliche Funktion zu sein, aber sicherlich für manche Leute sinnvoll.
Mehr Funktionen gibt es auch bei der Programmierung und Automatisierung. Im Bereich Makros, der im Menüband im Abschnitt Inhalt erscheint, wenn man einen Textbaustein zur Bearbeitung geöffnet ist, gibt es einige neue Befehle. Interessant finde ich bei Zeit/Datum die Option Zeitberechnung: Mit der lässt sich die Zahl der Jahre, Monate, Wochen, Tage, Werktage oder Sonntage zwischen zwei angegebenen Daten ausrechnen.
Übersetzungen mit Deepl
Man kann auch automatisch Texte mit Deepl.com übersetzen, wobei es dafür die Enterprise-Version braucht, die 189 Euro kostet – für mich nicht nötig, aber wenn man über ein Tastaturkürzel automatisch den markierten Text durch eine Übersetzung ersetzen kann, dann ist das einen Aufpreis wert.
Es gibt neuerdings auch einen Makrokrekorder, für den es ebenfalls die Enterprise-Version braucht. Dieses Programm zeichnet Abläufe auf und reproduziert sie. Mit dem Makrorekorder wildert PhraseExpress im Revier von Programmen wie AutoHotkey oder Macro Recorder – doch wenn man PhraseExpress bereits im Einsatz hat, ergibt es Sinn, diese Funktionen mit einem Produkt zu bestreiten.
Fazit: Auch wenn mir Funktionsumfang der alten Version nach wie vor reichen würde, erachte ich viele der Neuerungen als sinnvoll. Die Oberfläche hat in der Tat dazugewonnen und macht die Software für die intensive Nutzung mit grossen Textbaustein-Sammlungen einfacher.
Die Exportfunktion überzeugt mich indes nach wie vor nicht. Ich erinnere mich, seinerzeit mit dem Entwickler eine Diskussion dazu geführt zu haben: Denn die Textbausteine werden als verschlüsselte ZIP-Datei gespeichert, ohne dass mir als Anwender das Passwort dafür zur Verfügung stehen würde.
Der Lock-In-Mechanismus bleibt
Das erachte ich als Bevormundung, doch der Entwickler, mit dem ich deswegen seinerzeit Kontakt hatte, argumentierte, er müsse seine aufwändig erstellte Sammlung mit Beispiel-Ersetzungen auf diese Weise schützen. Das mag sein, aber es wäre schliesslich keine Sache, dem Nutzer die Wahl zu lassen, ob seine eigenen Sammlungen verschlüsselt oder unverschlüsselt gespeichert werden.
Darum bleibt meine Überzeugung, dass es sich um eine Schutzbehauptung und um eine Lock-In-Massnahme handelt: Wenn der Nutzer seine Phrasen nicht exportieren kann, verhindert das effektiv den Wechsel zu einem Konkurrenzprodukt – und das ist wiederum ein unschöner und unsympathischer Aspekt bei einem Produkt, das mir ansonsten hervorragend gefällt und das ich seit Jahren empfehle.
Fussnoten
1) Das sind die Beiträge hier im Blog zu PhraseExpress im Speziellen und zur Autokorrektur im Allgemeinen:
- Eine Einführung zu PhraseExpress gebe ich im Beitrag Der Kommunikationsturbo.
- Im Beitrag Mit diesem Trick hier spare ich tagtäglich Zeit erkläre ich, wie PhraseExpress beim Kopieren und Einfügen unerwünschte Formatierungen entfernt.
- In meiner Tippsammlung Tempo Teufel beim Bloggen geht es darum, per Tastaturkürzel HTML-Tags und andere Codes in einem Text unterzubringen.
- Im Beitrag Das Chili con carne der Kummerbox habe ich die gesammelten Erfahrungen zur Autokorrektur und Textbausteinverwaltung, die ich in meiner Funktion als Betreuer der Kummerbox des Tagesanzeigers it den mit den Leserinnen und lesern gesammelt habe, zusammengefasst.
- Im Beitrag Endlich: PhraseExpress für den Mac! stellte ich die Mac-Variante vor.
- Im Beitrag Top Software, Flop-Lizenz habe ich mich seinerzeit über die virtuelle Verdongelung aufgeregt, die dazu führt, dass ich für jeden Computer, an dem ich die Software würde nutzen wollen, eine eigene Lizenz würde kaufen müssen. ↩
2) Diese Methode wird hier erklärt: Ein nützlicher Trick – und wie Firefox und Chrome ihn sabotieren. ↩
Beitragsbild: Sich Tipparbeit ersparen (Thomas Lefebvre, Unsplash-Lizenz).
Hab es in der bezahlten Vollversion jahrelang genutzt und war an sich recht zufrieden, bis auf eine Sache: bei jedem Sommer-/Winterzeitwechsel verlor es die Lizenz und degradierte sich selbst zur Demoversion. Man musste also 2x im Jahr beim Hersteller darum bitten, dass er die Lizenz, die man ja bezahlt hat, wieder aktivierte. Das aber immer erst nach recht harschen Aufforderungen, endlich upzudaten und dass die Reaktivierung quasi nur kulanterweise erfolgen könne. Immerhin steht auf seiner Website, dass man das Programm nach Lizenzierung uneingeschränkt nutzen könne. Als dies im Herbst 2023 erneut geschah und man uns mit bisher nie dagewesenen Formulierungen zum Update „bewegen“ wollte und wir ablehnten, drehte man uns kurzerhand die Software-Lizenzen ab mit der Begründung, das Programm sei für Windows 7 und wir würden es bereits jahrelang außerhalb der Spezifikation unter Windows 10 nutzen. Und dies, obwohl man bereits Jahre zuvor die Delizenzierung als Fehler eingestanden hatte. Das sind Halsabschneiderpraktiken.
Ich habe die Kommunikation mit dem Hersteller auch als unbefriedigend erlebt. Ich hatte auch den Eindruck, als potenzieller Schwarzkopierer und nicht als treuer Kunde gesehen zu werden.