Ein Tee für unsere weibliche Seite

«Lieber auf dem Sofa Tee trinken als am Festival ins Zelt kotzen», findet der Teeologe angesichts des Gebräus mit dem Namen «Moon and Stars».

Der Teeologe ist bekanntlich ein Mann mit einem Geschmack für männliche Tees. Das Gebräu darf herb in die Nase stechen, sich intensiv auf der Zunge breitmachen, wie eine Geschmackslawine den Hals hinunterrollen und einen unmissverständlichen Eindruck hinterlassen.

Im Beitrag Ein Tee für echte Kerle legt der Teeologe Zeugnis von dieser Vorliebe ab. Da gibt es aber auch den Tee, der Charakter beweist und den Tee für Abenteurer. Und nicht zu vergessen den Tee für George R.R. Martin. Wobei ich nicht weiss, ob der nun als herausragender Leuchtturm des Machismo gelten soll oder nicht.

Im Einklang mit der weiblichen Seite

Nun ist der Teeologe aber durchaus im Einklang mit seiner weiblichen Seite. Er mag auch die Nuancen, die unaufdringlichen Geschmacksnoten und die Gaumenerlebnisse, die ihm nicht wie eine Faust ins Gesicht knallen, sondern denen er aufmerksam innehaltend nachspüren muss. (Die Geschlechterklischees an dieser Stelle sind übrigens beabsichtigt und keine Folge davon, dass der Teeologe in seiner Kindheit nicht gestillt worden ist. Das wurde er. Mit Muttermilch. Nicht mit Tee.)

Der Tee, um den es heute geht, birgt die Gefahr, mit einem bekannten Musikfestival verwechselt zu werden. Das «Moon and Stars», das genauso heisst, wie dieser Tee. Lustigerweise wird das Musikfestival von der Migros finanziell unterstützt. Der Tee jedoch wird vom Coop, dem anderen grossen Schweizer Detailhändler, zum Kauf angeboten.

Eine Steilvorlage für originelle Werbebotschaften

Ich weiss nun nicht, ob das ein Seitenhieb ist, nach dem Motto: «Unsere feinen Alpenkräuter sind besser als eure abgehalfterten Musikanten.» Vermutlich nicht – was aber eigentlich schade wäre. Weil eine Steilvorlage für viele lustige Werbeaktionen und -sprüche:

  • Zum Beispiel: «Lieber auf dem Sofa Tee trinken als am Festival ins Zelt kotzen.»
  • Zugegeben, das «Moon and Stars» ist kein Open-Air und richtet sich eher an ein gesetztes Publikum. Wie wäre es also damit: «Lieber Agua Hirviendo statt Christina Aguilera»?
  • Oder: «Warum Jamiroquai, wenn man Ysop(kraut) haben kann?»

Naja, vielleicht kann man die Idee an dieser Stelle auch wieder verwerfen. Also, zurück zum Tee:

Der Name passt auf jeden Fall, finde ich. Man trinkt den Tee sicher eher am Abend oder sogar vor dem Zubettgehen, auch wenn es kein klassischer Beruhigungs- oder Einschlaftee ist. Er enthält Fenchelsamen, Kamillenblüten, Ysopkraut, Pfefferminzblätter, Kardamomsamen, Zitronengras und Salbei. Laut Packung stammen die «landwirtschaftlichen Zutaten» aus biologischer Produktion.

Da der Teeologe das Teetrinken nicht hauptberuflich betreibt, sondern sich professionell mit Technik und der damit verbundenen Juristerei beschäftigt, stellte er sich sofort die Frage, ob der Tee auch nichtlandwirtschaftliche Zutaten aus nichtbiologischer Produktion enthält – denn genauso würde man es verklausulieren, wenn man eine Ausnahme nicht offen würde deklarieren wollen. Aber vielleicht bedeutet es auch, dass der Teeologe nochmals eine Tasse trinken sollte, um seine Nerven zu beruhigen.

Ein Tee für Männer und Frauen mit femininer Ader

Die Mischung jedenfalls ist ausgewogen: Keines der Kräuter sticht heraus, nichts ist zu dominant oder aufdringlich. Wenn man den Tee zu lange ziehen lässt, drängt sich die Pfefferminze in den Vordergrund. Aber das ist, wenn man keine explizite Abneigung gegen diese Pflanze hat, auch kein Beinbruch.

Also: Ein wirklich schöner Tee für Frauen, Männer mit einer einigermassen gut ausgebildeten weiblichen Seite und generell für alle Leute, die lieber in aller Ruhe ein Tässchen trinken, statt sich im Menschengedränge vor einer Bühne von wildfremden Leuten anschwitzen zu lassen. Kritisieren könnte (und sollte) man, dass manche Zutaten aus Ländern wie Indien und Ägypten eingeflogen, statt hier im Land angepflanzt werden.

Für 3.95 Franken beim Coop.

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