Der Weinkeller als Netzdiagramm

Die Website visual.wine will uns Weinbanausen helfen, leichter auf die guten Tropfen zu stossen. Die Eigenschaften eines Weins werden in Form eines Radardiagramms datenvisualisiert.

Das hier ist der zweite Beitrag in der Rubrik Lesertipp. (Und ja, ich habe mir überlegt, ihn LeserInnentipp zu nennen.) In letzter Zeit gibt es vermehrt Hinweise von Leuten, die mir eigene Projekte vorstellen. Im ersten Teil war das die schöne App Sun Locator. Und auch wenn ich nicht versprechen kann, alle Vorschläge zu berücksichtigen, so werde ich sie doch wohlwollend prüfen. Bessere Chancen haben Leute, die nicht einfach ein Massenmail an jeden dahergelaufenen Hobbyblogger raushauen, sondern zum näheren oder entfernteren Leserkreis meines Blogs oder meiner journalistischen Arbeit gehören.

Heute geht es um visual.wine: René schreibt mir, was ihn zu diesem Projekt bewogen hat:

Um einen Paradigmenwechsel in der eher traditionellen Weinbranche einzuleiten, habe ich mit meinem Webdesigner die Plattform entwickelt, die Weine in ihrer Harmonie objektiver darstellt.

Man soll Weine, die einem schmecken, rascher und mit einer höheren Trefferquote finden. Damit muss man weniger lang suchen und stösst schneller den Wein der Wahl.

Nun bin ich, was Wein angeht, leider das Gegenteil von dem, was man einen Kenner nennt. Ich kann nur schlecht erklären, was mir an einem Wein gefällt. Und mir fehlt die Musse, mich durch Degustationen, Touren durch exklusive Weinhandlungen und Weinreisen önomanisch weiterzubilden – obwohl die Rubrik Önomanie wie die Faust aufs Auge in dieses Blog passen würde.

Ein einleuchtendes Konzept

Mit Daten zum optimalen Trinkerlebnis: Ein vertikal analysierter Wein. (Die Legende passt in der Darstellung noch nicht so ganz zum Kreis.)

Darum ist das, was ihr hier lest, keine Besprechung von visual.wine. Ich kann nicht beurteilen, ob das Konzept funktioniert. Aber als Fan von Datenvisualisierungen finde ich es einleuchtend, den Charakter eines Weins als Matrix darzustellen – wobei es eher ein Radar- oder Netzdiagramm ist, sodass ich das Ding Weinradar genannt hätte. Fragen kann man sich noch, ob so ein Radar nicht dreidimensional sein müsste. Das Vokabular der Weinkenner ist schliesslich sogar vierdimensional.

In der Rubrik Weinsuche gibt man den Weintyp, die Rebsorte, das Land und die Vorlieben an. (Nebenbei: Unter Rebsorte ist der Blauburgunder zweimal aufgeführt). Das ist alles einleuchtend. Und hilfreich, wenn man etwa die Rebsorten treffsicher auseinanderhalten kann.

Bei der Kategorie der Vorlieben gerate ich allerdings etwas ins Schleudern: Mikrobiologisch, animalisch, vegetal, mineralisch? Da bräuchte es dann doch erst ein Trinkerseminar, damit ich mit diesen Begriffen etwas anfangen könnte.

Die vertikale Analyse

Man könnte aber unter Guide für 9.80 Euro ein (ich nehme an, digitales) Buch erwerben, das einem die zugrunde liegende, sogenannte vertikale Analyse erklärt:

Durch den Vergleich wird mein Bild des Weines in seiner Grundcharakteristik aufgebaut, so dass ich selber bestimmen kann, ob ich einen schweren Roten mit einem Stück Fleisch mit noch leicht bitteren Tanninen nach drei Jahren trinke oder ich ihn mit Freunden nach sieben Jahren als samtigen Genuss teilen kann.

Es wird einem versprochen, dass man die Analysen auch verwenden kann, wenn man keine Weinexpertin ist. Das Versprechen würde ich nicht zum Nennwert nehmen, denn eine Neigung und eine gewisse Begabung zum analytischen Trinken braucht es auf alle Fälle.

Fazit: Die Idee ist interessant und der Ansatz, Weine datenanalytisch zu erschliessen natürlich nahe liegend. Wenn ihr mehr von der Materie versteht als ich, dann probiert das doch mal aus und schreibt mir in den Kommentaren, was ihr von der Idee hält. Ist es überzeugend oder pseudowissenschaftliche Scharlatanerie?

Das würde auch mit Bier funktionieren!

Und wenn ihr vielleicht sogar selbst auf der Suche nach einer ähnlichen Geschäftsidee seid, dann dürft ihr das Konzept gern auf die Welt des schäumenden Gerstensaftes übertragen. Ich denke, beim Bier wäre ich ansatzweise in der Lage, meinen Geschmack in ein Netzdiagramm zu fassen…

Beitragsbild: So sieht es aus, wenn die Methode funktioniert (Gadini/Pixabay, Pixabay-Lizenz).

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