Ist es ein Hype – oder echter Fortschritt? Die Frage muss man sich bei der Augmented Reality (AR) stellen. Die erweiterte Realität ist in der Theorie eine super-faszinierende Angelegenheit. Die Welt, wie wir sie sehen und durchstreifen, wird durch künstliche Elemente ergänzt. Die richtige und die simulierte Welt fangen an, sich zu durchdringen und ineinander überzugehen.
Das ist eine Horrorvorstellung für Leute, die finden, die Leute würden heute schon zu viel in ihr Smartphone glotzen. Ich verstehe schon, dass Leute finden, eine klare Trennung zwischen den Sphären sei sinnvoll: Hier das richtige Leben mit den echten Freunden. Dort der Cyberspace mit seinen sozialen Medien.
Ein Hype. Oder doch nicht?
Aber natürlich lässt sich das heute schon nicht so klar mehr trennen – dafür gibt es im Alltag schon viel zu viel verborgene digitale Technik, die uns lenkt und beeinflusst. Darum ist AR nur eine besonders offensichtliche Manifestation einer Entwicklung, die viel weiter geht.
Trotzdem hatte ich den Eindruck, die Augmented Reality in der jetzigen Form sei ein wahnsinniger Hype. Es macht einfach keinen Spass, die Welt über das Live-Kamerabild am Smartphone zu betrachten. Ich hatte noch nicht mal Lust, auf diese Weise ein Spiel zu spielen. Obwohl die Beschreibung zum Beispiel von The Machines (fürs iPhone) spannend klingt und ich seinerzeit sogar die 5 Franken dafür aufgeworfen habe.
All die Dinge, die man mit AR anstellen kann, würde man gerne ohne Handy in der Hand anstellen. Mit der passenden Brille, die einem die Realität direkt im Gesichtsfeld erweitert. Und ich habe keinen Zweifel, dass sich die technischen Hürden in den nächsten Jahren werden lösen lassen. Eine richtige, brauchbare AR-Brille, zum Beispiel eine praxistaugliche Hololens, ist vielleicht noch fünf Jahre entfernt. Vielleicht etwas mehr, vielleicht ein bisschen weniger.
Apple, ich will eine smarte Brille!
Jedenfalls tut Apple gut daran, mit viel Aufwand an so einer Brille zu forschen. Denn wenn sie da ist und funktioniert, werden die iPhone-Verkäufe zusammenbrechen. Das braucht man dann vielleicht noch als Reservegerät, das man in der Jackentasche lässt. Oder womöglich gar nicht mehr.
Und ich musste meine Meinung auch revidieren, was AR am Smartphone angeht. Das ist zwar noch immer nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber es gibt Apps, die auch am Smartphone funktionieren. Zum Beispiel WDR AR 1933-1945 (kostenlos fürs iPhone und demnächst für Android). Die App lässt Zeitzeugen des zweiten Weltkriegs als Hologramm zu Wort kommen. Das wirkt, finde ich. Für mich war es beeindruckend, als für die Dreharbeiten dieses Videos hier die Bomber des deutschen Reiches plötzlich über meinen Garten flogen…
Apps, die verblüffen und berühren
Auch beeindruckend ist Civilisations AR (kostenlos für Android und iPhone), die einen in ein virtuelles Museum versetzt, respektive historische Artefakte zu einem nach Hause transportiert. Das ist natürlich eine Spielerei. Trotzdem ist es noch spannend, plötzlich eine Mumie zu Hause in der Stube zu haben.
Die analoge Welt digital anreichern
Die anderen Apps sind nun vielleicht etwas weniger spektakulär. Aber sie zeigen ganz schön, was alles möglich ist und wie unterschiedlich man die Technologie einsetzen kann. Das sind die Apps, die im Video vorgestellt werden: AR City (kostenlos fürs iPhone), Amikasa (1 Franken für iPhone), Ikea Places (kostenlos für Android und iPhone), Ink Hunter (kostenlos für Android und iPhone) und Sketch AR (kostenlos für iPhone und Android).
Spannend finde ich auch die Apps zum Messen, die ich seinerzeit im Beitrag Wer sich vermisst, hat die falsche App vorgestellt habe. Und auch Google Lens (App-mässige Resteverwertung) ist eine spannende Sache – wenngleich die mehr damit punktet, die Welt um einen herum zu analysieren, als sie mit Informationen anzureichern.
Beitragsbild: So wird das nichts mit der virtuellen oder erweiterten Realität (Bradley Hook/Pexels, CC0).