Wenn die künstlichen Intelligenz sich am Webdesign versucht

Der AI Website Builder von Word­press erstellt gemäss einer Be­schrei­bung einen On­line-Auf­tritt nach Mass. So zu­min­dest das Ver­spre­chen, das bei meinem Test nicht einmal im An­satz ein­ge­hal­ten wurde.

Die künstliche Intelligenz macht vor gar nichts halt. Nicht einmal vor dem Webdesign. Auf Word­press.com könne man sich per KI eine Website gestalten lassen, war neulich bei «The Verge» zu lesen. Macht diese neue Erfindung namens AI Website Builder meine ganze HTML-, Frontpage- und Golive-Kompetenz überflüssig? Das musste ich natürlich sofort herausfinden.

Die Testanordnung liegt auf der Hand: Was kommt heraus, wenn ich dieser KI mein Blog hier exakt beschreibe? Für eine Einschätzung brauche ich nur die Arbeit der KI mit dem Ist-Zustand auf Clickomania.ch zu vergleichen. Dann ist sofort klar, ob ich als Webmaster meiner eigenen Site abdanken muss – oder ob die Besprechung hier mit Häme über die gestalterische Inkompetenz der KI endet.

Wenn es funktioniert, wäre es toll!

Aber ich möchte nicht so verstanden werden, dass ich die KI scheitern sehen möchte. Nein: Gelegentlich macht es mir zwar Spass, an meiner Word­press-Installation herumzubasteln. Doch ich weiss auch um die Grenzen meiner Möglichkeiten. Ich verwende ein Theme ab Stange; und die Suche war vor drei Jahren mehr als frustrierend. Wenn mir die KI aufgrund meiner Vorgaben eine massgeschneiderte Lösung liefern würde, wäre das sehr toll.

Daher sehe ich Chancen für mehr Abwechslung und Originalität im Web. Der Look der Websites ist über die Jahre immer einheitlicher geworden. Es haben sich Konventionen etabliert, die die Benutzung vereinfachen und bei der Orientierung helfen. Doch diese Uniformität finde nicht nur ich langweilig.

Mehr Originalität dank KI-Experimenten?

Nun ist die KI selbst bekanntlich nicht kreativ. Im Gegenteil orientiert sie sich an den Signalen, die in ihrem Trainingsmaterial am stärksten sind. Damit dominiert unweigerlich der Massengeschmack. Aber wenn die KI in der Lage ist, nach unseren Vorgaben Entwürfe anzufertigen und zu modifizieren, würde das kreativen menschlichen Experimenten Tür und Tor öffnen. Es wäre grossartig, wenn ich mein Blog mehr individualisieren und ihm visuell ein paar Ecken und Kanten verpassen könnte.

Der Dialog zwischen «Kunde» und «Webdesigner».

Aber konkret: Fürs Experiment liefere ich dem AI Website Builder eine ausführliche Beschreibung, die mein inhaltliches «Mission Statement» umfasst und die wesentlichen Merkmale meines aktuellen Themes beschreibt¹.

Die KI nimmt meinen Text entgegen und fragt dann nach dem Titel des Blogs. Ich gebe den als «Clickomania» an, mit dem Untertitel «Beobachtungen aus einer technologisierten Welt». Daraufhin meint die KI:

Perfekt, danke! Damit habe ich fast alle Informationen. Bitte gib mir noch eine kurze, prägnante Beschreibung deines Blogs, etwa 1–2 Sätze lang, die das Ziel und den Inhalt knapp zusammenfasst.

Eigentlich war diese Information bereits in meiner Ausgangsbeschreibung enthalten. Aber gut, ich leiere mir noch ein paar Floskeln aus den Rippen: «Die Orientierungshilfe für alle, die mit Internet, Apps und KI per Du sind, einen Hands-On-Zugang mögen, mit differenzierten Analysen, prägnantem Schreibstil und einem gelegentlichen Schuss Humor.»

Langweiliger geht es kaum

Daraufhin geht die KI ans Werk und erstellt eine Website, die kaum generischer sein könnte. Keine einzige meiner Vorgaben zur Gestaltung zur magazinartigen Startseite, den Kategorien, Leads wurde berücksichtigt. Mein Untertitel fehlt, und auch sonst unterscheidet sich dieses Werk nicht gross von einer standardmässigen Neuinstallation von WordPress. Ohne kostenpflichtigen Tarif (für zehn Franken pro Monat für das Pro-Abo oder dreissig Franken für Entwickler) lässt sich das Backend nicht aufrufen, sodass ich nicht im Detail überprüfen kann, welche Anpassungen vorgenommen wurden.

Es ist aber augenscheinlich, dass der Gutenberg-Block-Editor zum Einsatz kommt; und mutmasslich eines der Standard-Themes (z.B. Twenty-Twentyfive).

Die beiden per KI erstellten Websites; links der erste und rechts der zweite Versuch. Bei letzterem habe ich eine andere Farbpalette gewählt.

Fazit: Das ist sehr ernüchternd. Diese KI macht fast gar nichts: Sie nimmt einige Einstellungen vor, legt die Standardseiten Home, Newsletter, Kontakt sowie Über an und platziert ein paar Platzhaltertexte und einige Bilder von maximaler Abgedroschenheit. Nützlichkeit gleich null.

Weil ich das kaum glauben kann, wiederhole ich das Experiment unter den gleichen Voraussetzungen. Resultat: Eine Website, die anders ausschaut, aber genauso wenig meinen Anforderungen entspricht.

Klar, wir stehen erst am Anfang der Entwicklung. Eine rasante Entwicklung mit markanten Verbesserungen ist nicht auszuschliessen. Doch bis jetzt ist AI Website Builder ein gescheiterter Versuch, aus dem KI-Hype Profit zu schlagen.

👉 Ein zwar nicht überragendes, aber brauchbares Resultat liefert Lovable. Dieser Test findet sich hier.

Fussnoten

1) Die Beschreibung, die ich übermittelt habe:

Clickomania.ch ist ein Blog, das über das Internet, Software, Apps und soziale Medien berichtet, aber auch kulturelle Themen wie Podcasts, Hörbücher und Filme bespricht, manchmal eine historische Perspektive einnimmt, Service und Anleitungen bietet, Entwicklungen z.B. in den sozialen Medien kritisch kommentiert und natürlich auch unterhalten will. Der Zugang ist ein journalistischer, trotzdem ist das Blog ein Alternativmedium, da es nicht von einem gewinnorientierten Medienhaus, sondern von einer Privatperson betrieben wird. Gefordert ist ein magazinartiges Theme, das auf der Startseite die zwölf neuesten Beiträge aufführt, jeweils mit Titel, Beitragsbild, Lead, Kategorie und Veröffentlichungsdatum. Auf der Einzelseite sollen die gleichen Meta-Informationen zu finden sein, mit dem gesamten Text und einer Möglichkeit für Kommentare. In der Seitenleiste, die nur auf der Artikeldarstellung zu finden ist, gibt es folgende Widgets:

  • zum Autor mit Bild,
  • eine Aufzählung der fünf beliebtesten Beiträge,
  • eine Liste mit früheren Beiträgen vom gleichen Tag des Jahres und
  • ein Dropdown-Menü mit den Kategorien,
  • ausserdem zwei Blöcke für Werbebanner.

Konkret: Das Design sollte eine attraktive Mischung aus Seriosität, Verspieltheit, technischem Anspruch und Menschlichkeit aufweisen, leicht zu benutzen sein und sich durch eine hohe Wiedererkennbarkeit hervortun.

Beitragsbild: Die hätten es besser hingekriegt (UX Indonesia, Unsplash-Lizenz).

2 Kommentare zu «Wenn die künstlichen Intelligenz sich am Webdesign versucht»

  1. @Matthias exakt dieselbe Betrachtung, wie in den frühen Neunzigern mit Photoshop. Und Spoiler: auch exakt dasselbe Outcome: ein paar Leute werden gute Ergebnisse erzielen, andere nicht. Profis kommen nach vorne, Laien kacken ab. Ein paar Quereinsteiger werden überraschen. So ist das. 🤷‍♂️

  2. Brainstorm Force, die Entwickler meines favorisierten WordPress Themes „Astra“, betreiben unter https://www.zipwp.com ebenfalls einen AI Website Builder.

    Der soll gleich die ganze Website erstellen, nicht nur das Design. Das Konzept ist auch sonst etwas anders. Da sie kein Hoster sind, kann man die Website nach Bezahlung komplett herunterladen und selbst betreiben.

    Ich habe einen Test mit dem Prompt von Dir gemacht. Wie erwartet gab es diverse Designvorschläge, aber nicht nach Deinen Vorgaben. Der Fokus liegt auf dem Inhalt und das Design wird an andere Websites der gleichen Kategorie angelehnt.

    Für ein Blog funktioniert das natürlich nicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass man für „ein familiäres Café“ oder „eine Tanzschule“ anschauliche Resultate zustande bringt. Die Website fällt dann nicht durch besondere Kreativität auf, aber sie sieht besser aus, als wenn sie der Geschäftsinhaber in Wix zusammengeklickt hätte. Und sie lässt sich später durch Plugins erweitern.

    Als professioneller Webdesigner würde ich mir trotzdem keine Sorgen machen. Wer über ein angemessenes Budget verfügt, wird weiterhin zu einem Profi gehen. Eine Konkurrenz ist es eher für Wix und die Website Builder, die von vielen Hostern angeboten werden.

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