Ist es eine gute Idee, sich seine Webseiten von der künstlichen Intelligenz gestalten zu lassen? Nach meinem Test von AI Website Builder von Wordpress letzte Woche war meine Antwort ein klares Nein. Das Resultat ist so generisch und uninspiriert, dass einem nach drei Sekunden Draufschauen das Gesicht einschläft.
Das heisst aber nicht, dass keine KI dieser Aufgabe gewachsen wäre. Auf Linkedin bekam ich von Jens den Tipp, mir lovable.dev anzusehen: Das ist die Web-Anwendung eines Start-ups aus Stockholm, die ebenfalls Prototypen von Websites und Apps erstellt. Aber – und damit nehme ich das Fazit vorweg – dabei tatsächlich auf die Vorgaben eingeht.
Für meinen Test kam die gleiche Beschreibung wie bei Wordpress zum Zug: Es handelt sich um eine Beschreibung des Ist-Zustands meines Blogs hier. Im Vergleich mit dem Entwurf der KI lässt sich sofort sagen, wie nahe er dem in Handarbeit entstandenen realen Anschauungsobjekt kommt.
Schon während der Erstellung meines Projekts stiegen meine Hoffnungen: Die Statusmeldung umfasste eine Zusammenfassung, die exakt die wesentlichen Punkte enthielt. Und das Resultat ist ein gebrauchsfertiger Prototyp, der die erste Hauptanforderung erfüllt: Er ist nämlich genauso gegliedert und organisiert wie derzeit mein Blog.
Ein Geniestreich oder doch nur Mittelmass?
Ist auch die zweite Anforderung erfüllt? Die besagt, dass «das Design eine attraktive Mischung aus Seriosität, Verspieltheit, technischem Anspruch und Menschlichkeit» sein und eine hohe Wiedererkennbarkeit aufweisen soll. Zugegeben: Da liegt die Latte hoch, und es spielt viel persönliches Geschmacksempfinden mit hinein. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich selbst keine konkrete Vorstellung einer solchen Gestaltung habe. Doch ich bilde mir ein, dass ich sie erkennen würde, wenn ich sie sehe.

Mit anderen Worten: Lovable beschert mir keinen Aha-Moment: Das neue Design sieht aus, wie Blogs heute aussehen – zweckmässig, weder besonders frech noch zukunftsweisend oder gestalterisch herausragend. Doch bekanntlich dürfen von der künstlichen Intelligenz keine Geniestreiche erwarten. Sie beherrscht die Reproduktion bekannter Muster. Für das Aussergewöhnliche, das Neue und Überragende bleiben wir Menschen zuständig.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf dürfen wir dieses Experiment als gelungen betrachten: Wenn wir eine klare Vorstellung von unserem Projekt haben, erstellt uns diese Software einen Prototyp, den wir für Verfeinerungen und Anpassungen nutzen.

Meinen Testlauf durfte ich gratis abhalten. Als Gratisnutzer bekommen wir fünf Credits für Experimente und müssen damit leben, dass unsere Projekte öffentlich sind. Die Pro-Variante für 25 US-Dollar pro Monat gibt uns 100 Credits pro Monat und die Möglichkeit, unsere Projekte auf Privat zu stellen. Die Teamvariante von Lovable ist für 30 US-Dollar pro Monat zu haben.
Und wie kommt der Entwurf ins Netz?
Die Techies unter uns werden sich fragen, in welcher Form Lovable unseren Prototyp generiert und uns zur Verfügung stellt – konkret, ob wir ihn nur ansehen oder auch herunterladen können. Diesbezüglich gibt es eine schlechte und eine gute Nachricht.
Erst die schlechte: Mein Wunsch nach einem Wordpress-Theme wurde nicht erhört. Die KI liefert den Prototyp auf Basis ihrer eigenen Technologie und nicht in der Form, die für uns ideal wäre. Was das heisst, erkläre ich gleich.
Erst aber die gute Nachricht: Wir kommen an alle Daten heran: Direkt in Lovable lassen wir uns den Code anzeigen. Für die Arbeit damit ist eine Synchronisation mit Github sinnvoll. Mit ihr wird das Projekt (in beiden Richtungen) abgeglichen und lässt sich mittels KI verfeinern und ebenso auf die herkömmliche Art und Weise bearbeiten. Via Github lässt sich das Repository herunterladen. Ich habe es spasseshalber auf meinen Webserver verfrachtet, wo es jedoch nicht zum Leben erwachte. Wie die Readme-Datei erklärt, werden Vite, TypeScript, React, shadcn-ui und Tailwind CSS benötigt. Und um produktiv loszulegen, wäre auch ein Backend sinnvoll.
Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Damit gelangen wir zurück bei der Frage, was gewesen wäre, wenn mir dieses Design so gut gefallen hätte, dass ich es unbedingt hätte verwenden wollen? Hätte ich es mühselig von Hand für WordPress nachbauen müssen?
Ich bin, offen gesagt, froh, dass ich nicht das Bedürfnis habe, diesen Weg zu beschreiten. Er existiert zwar, ist aber lang und steinig:
Kurz zusammengefasst: Wir können unser Lovable-Projekt mit einer bestehenden Website verheiraten. Die Methode dazu heisst Headless Wordpress: Das ist eine Betriebsart, bei der das angestammte CMS nur zur Pflege der Inhalte zuständig ist. Die Darstellung der Inhalte wird entkoppelt und erfolgt über die von Lovable genutzten Technologien wie React und Co. Die Übermittlung der Inhalte vom Backend zum Frontend passiert über eine Schnittstelle wie REST oder GraphQL.
Toll, dass das möglich ist! Meine Empfehlung wäre gleichwohl, die KI für einen Entwurf zu nutzen und einen Webentwickler zu beauftragen, ihn in der gewünschten Umgebung umzusetzen. Und was mich angeht: Für mein Hobbyprojekt hier ist mir Headless Wordpress definitiv zu überambitioniert.
Beitragsbild: Ein Loser ist Lovable jedenfalls nicht (Vika_Glitter, Pixabay-Lizenz).