Stirbt der Hund?

Alters­frei­ga­ben und Trig­ger­war­nungen haben ihre Be­rech­ti­gung, aber auch ihre Schwä­chen. Es ist Zeit für ein bes­seres Sys­tem! Der Entwurf für ein per­so­na­li­sier­tes Warn­system für Filme und Serien, das keine Details spoilert.

Wir Eltern müssen uns Gedanken über den Medienkonsum unserer Kinder machen: Welche Filme und Serien sollen sie sehen – und in welchem Alter? Es liegt auf der Hand, sich an der Altersfreigabe zu orientieren. Das ist eine unabhängige Einschätzung, die auf nachvollziehbaren Kriterien beruht.

Aber ist sie der Weisheit letzter Schluss? Ich hatte neulich eine Diskussion im Familienkreis, in der es darum ging, dass die Sensibilitäten sehr weit auseinanderklaffen. Manche Kinder sind mit sechs schon Grusel-resistent, während andere mit 15 beim kleinsten Schreckmoment schreiend aus dem Wohnzimmer rennen.

Wenn die Triggerwarnung triggert

Und auch wir Erwachsene dürfen zwar alles sehen, fühlen uns jedoch auch nicht immer allen Themen gewachsen. Darum gibt es als zweites System die Triggerwarnung. Es warnt vor Inhalten, denen man sich mit gutem Grund nicht aussetzen will. Es wurde, nebenbei bemerkt, in letzter Zeit verpolitisiert, indem auch vor Dingen gewarnt wird, die nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen.

Wir stellen fest, dass auch die Triggerwarnung ihre Schwächen hat: Das merken wir daran, dass sich manche von diesem System selbst getriggert fühlen. Auf mich trifft das nicht zu. Aber ich empfinde sie als Spielverderber, weil die Einblendungen am Anfang der Filme und Serien schon einiges verraten.

Den individuellen Sensibilitäten Rechnung tragen

Mal ausgeklammert, dass die Altersfreigabe auch die Aufgabe hat, den gesetzlichen Vorgaben zum Jugendschutz zur Durchsetzung zu verhelfen, kommen wir zum Schluss, dass heute Methoden möglich sein müssten, die den individuellen Bedürfnissen besser Rechnung tragen.

Ich stelle mir personalisiertes Content-Warnsystem vor, das Alter und die speziellen Sensibilitäten berücksichtigt. Das könnte konkret so funktionieren, dass wir in einer App unsere Tabubereiche festlegen: Wir können inhaltliche Bereiche ausklammern; ich beispielsweise würde hier Gewalt gegen Kinder eintragen. Ich finde es zwar unter bestimmten Umständen legitim, sie zu thematisieren. Doch wenn es der «Tatort» am Sonntagabend zum x-ten Mal tut, würde ich mich dem gern entziehen.

Auch formale Aspekte sollten berücksichtigt werden: Epileptiker müssen die Möglichkeit haben, Inhalte mit flackernden Lichteffekten zu meiden. Mutmasslich wäre auch eine Kategorie zu schwierigen Inszenierungen sinnvoll. Ich denke an Gewalt: ich lehne Gewaltdarstellungen nicht per se ab. Aber wenn sie zelebriert werden oder keinen erkennbaren Zweck haben, dann will ich nicht behelligt werden.

Wer nicht gewarnt werden will, wird nicht gewarnt

Der Vorteil dieses personalisierten Ansatzes liegt auf der Hand: Es wird nichts gespoilert; nur wenn eine «Inkompatibilität» vorhanden ist, erhalten wir einen entsprechenden Hinweis. Es gibt keinen Raum für Kulturkampf; denn wer keine Warnungen wünscht, bekommt auch keine – und schon gar nicht muss er sich darauf hinweisen lassen, dass in einem Film aus den 1960er-Jahren Geschlechterklischees und rassistische Stereotype enthalten sind.

Und natürlich bräuchte es Schnittstellen zu Netflix, unserer Kino-App und der elektronischen Fernsehzeitschrift. Dort könnte eine Ampel grün, gelb oder rot für uns und für alle Familienmitglieder anzeigen, sodass auf den ersten Blick ersichtlich ist, wer was sehen kann oder meiden sollte – ohne dass weitere Details verraten werden.

Bin ich der erste mit dieser Idee?

Jein: In der ausgeklügelten Form, wie ich es mir ausgedacht habe, existiert das System nicht. Aber in Ansätzen ist es auf Does the Dog Die? zu finden.

Taucht ein Clown auf?

Wir verraten nicht zu viel, wenn wir sagen, dass in «Hannibal» ein Kanibale vorkommt.

Hier finden sich viele, teils auch sehr spezifische Trigger. Zum Beispiel, natürlich: Stirbt der Hund? Oder auch: Wird jemand ohne Abschied zurückgelassen? Gibt es böse Eltern? Wird jemand gestalkt? Sind Spinnen zu sehen? Wird jemand unter Wasser gedrückt? Werden Zähne ausgeschlagen? Gibt es Jump-Scares (filmische Schreckmomente, bei denen z.B. jemand ins Bild springt)?

Und natürlich die Mutter aller Schreckmomente: Taucht ein Clown auf?

Übrigens: Alle aufgezählten Beispiele und mehrere Dutzend weitere Trigger finden sich – und gleich werdet ihr euch auf die Stirn schlagen – in Game of Thrones.

Schnittstellen! Wir brauchen Schnittstellen!

Ich finde den Ansatz von «Does the Dog Die?» überzeugend. Ihr Potenzial schöpft diese Datensammlung nicht aus: Wir können ein Profil anlegen und dort die für uns wichtigen «Trigger» am Anfang der Liste festpinnen – doch das wars auch schon. Es gibt zwar eine Schnittstelle, doch von der Integration in Netflix, Disney+, Amazon Prime, Teleboy und SwisscomTV, von der ich oben fantasiert habe, ist leider weit und breit nicht zu sehen. Aber nachdem ich das Konzept hier so schön ausgebreitet habe, ist es sicher nur eine Frage der Zeit, bis es jemand umsetzt. Oder?

Drei Linktipps zum Schluss:

Beitragsbild: Nein, natürlich stirbt der Hund nicht! Blöde Frage! (Simona Kidrič, Pexels-Lizenz).

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