Wie weit kämen wir mit Software nur aus der Schweiz?

Mit dem Label «Swiss Made Soft­ware» zur «geleb­ten di­gi­ta­len Sou­ve­rä­ni­tät»? Ein ein­drück­li­ches Ver­spre­chen, das sich der­zeit leider kaum ein­lö­sen lässt – und das meines Erach­tens der fal­sche An­satz ist.

Seit die USA sich selbstsüchtig und aggressiv gegenüber der restlichen Welt gebärden, müssen wir uns hierzulande ein paar Gedanken mehr machen, bevor wir Produkte aus Übersee benutzen. Ein genereller Bann ist nicht angebracht, und er wäre nicht praktikabel. Aber es ist sinnvoll, die Alternativen zu kennen und ihnen bei der Evaluation einen Startvorteil einzuräumen. Die Zeiten, in denen Microsoft, Google, Apple und OpenAI gesetzt waren, sind vorbei.

Aber wie finden wir die Alternativen? Eine Möglichkeit eröffnet die Datenbank auf goeuropean.org. Als ich die neulich in der «Sonntagszeitung» vorgestellte, erhielt ich von einem Leser den Tipp, mir swissmadesoftware.org anzusehen: «Digitale Souveränität ist bei Swiss Made Software mehr als nur eine politische Forderung, sie ist gelebte Realität», heisst es dort. 1300 Unternehmen sind mit ihren Produkten vertreten.

Das App-Angebot ist überaus dünn

So gut die Idee, so wenig überzeugt mich die Umsetzung – zumindest, wenn ich im direkten Vergleich mit der «Go European»-Initiative und aus Sicht eines Privatanwenders urteile. Das liegt natürlich daran, dass die allermeisten der hier vorgestellten Produkte Geschäftslösungen sind. In der Kategorie Apps gibt es gerade einmal zwölf Einträge. Die meisten stammen von Unternehmen, die Apps entwickeln; es gibt auch eine App zum Tiermonitoring, für die Aufwandserfassung und, immerhin, fürs Übersetzen von Schweizer Dialekten ins Hochdeutsch. Der einzige Vertreter mit Breitenwirkung ist Threema.

Natürlich ist der Fokus auf die Geschäftsanwender legitim. Allerdings lässt sich so die Behauptung auf der Startseite, digitale Souveränität sei «gelebte Realität», nicht aufrechterhalten:  Niemand von uns verwendet Tech-Produkte rein beruflich. Für echte Unabhängigkeit muss auch der private Bereich abgedeckt werden.

Und klar, wir sind ein kleines Land. Es wäre vermessen zu erwarten, dass innerhalb unserer Grenzen Ausweichlösungen zu den Mainstream-Produkten der globalen Tech-Konzerne hergestellt werden. Fairerweise ist zu ergänzen, dass auf der Website das niemand behauptet – die hohe Latte habe ich angesetzt. (Aber man wird sowas in seinem Blog wohl noch tun dürfen!)

Alle Einträge bei «Apps».

Ein paar Produkte gäbe es allerdings schon. Doch die tauchen im Katalog nicht auf. Deren Hersteller haben sich vermutlich nicht um das «Swiss Made Software»-Label bemüht.

Dieser Ansatz greift zu kurz

Für mich greift diese Label-Idee zu kurz. Wenn ich bei den Bedingungen nachsehe, dann lese ich, dass der «Schweizer Wertanteil an den Herstellungskosten mindestens 60 Prozent» betragen muss. Das Unternehmen muss seinen Sitz in der Schweiz haben, plus weitere Bedingungen. Und es kostet auch eine Kleinigkeit. Das heisst für uns Nutzerinnen und Nutzer, dass wir hier keine Produkte von Start-ups auffinden werden, die zwar grandiose Ideen, aber nicht das Kleingeld für ein fancy Label haben. Oder die keinen Sinn darin sehen, sich damit zu schmücken. Proton, mit seinen Mail-, Office- und VPN-Angeboten nicht gerade unwichtig, ist z.B. nicht vertreten.

Wir kommen leider zum Schluss, dass swissmadesoftware.org vom falschen Ende her gedacht ist: Die Initiative ist ein Schaufenster für Unternehmen, die ihre Verbundenheit mit der Schweiz demonstrieren möchten. Aber sie ist nur von kleiner Nützlichkeit für Leute, die sich bei ihrem Softwaregebrauch unabhängiger aufstellen wollen oder müssen. Die kommen kaum darum herum, sich nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa umzusehen. Somit sind sie mit goeuropean.org besser bedient.

Damit dieser Blogpost nicht völlig antiklimaktisch endet, hier der Verweis auf die Rubrik Schweizer Alternativen zu ausländischen Marktführern: Hier bekommen wir einen Eindruck davon, wo die Schweiz überhaupt solche Alternativen anzubieten hat.

Und noch ein Hinweis: Im OSS Directory gibt es eine Übersicht von freier Software (Open-Source) und deren Anbieter. Auch Nachrichten, Kunden, Hintergrundberichte, Events und Jobangebote sind hier vorzufinden.

Beitragsbild: Diese Auswahl ist grösser. (Die Viefalt nicht unbedingt.) (Paul Felberbauer, Unsplash-Lizenz).

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