iPad OS 18: Nicht spektakulär, aber auch nicht verkehrt

Der erste Eindruck von Apples neuem Tablet-Betriebs­system: Viele der Neue­rungen sind über­fäl­lig und nicht atem­be­rau­bend. Doch sum­ma sum­marum passt das schon.

Seit Mitte Juli gibt es öffentliche Beta-Versionen von Apples nächsten Betriebssystemen. Ich schaue mir die gerne an, denn wie die Erfahrung zeigt, komme ich oft zu einem anderen Urteil als Apple, welches die wichtigen Neuerungen sind. Das könnte auch für iPad OS 18 gelten, um das es heute geht.

1) Von der Apple Intelligence keine Spur

Bei Apples Vorschau steht Apple Intelligence im Vordergrund, und natürlich ergibt sich daraus schon die erste Diskrepanz. In der öffentlichen Beta-Version ist von den KI-Funktionen weit und breit nichts zu sehen¹. Darum kann und will ich mir keine Meinung bilden.

Das wäre aber bitter nötig:  Ich habe grosse Vorbehalte, wenn die KI tief in die Systeme integriert wird. Das macht es für Nutzerinnen und Nutzer fast unmöglich zu kontrollieren, welche Daten und Informationen auf dem Gerät verbleiben und welche in die Cloud abwandern und dort vielleicht sogar geleakt werden. Immerhin legt Apple mehr Wert auf den Datenschutz und sendet Informationen nie ohne explizite Einwilligung an OpenAI.

2) Per Handschrift schreiben und rechnen

Eine prominente Neuerung ist Smart Script. Sie erkennt handschriftliche Eingaben und konvertiert sie zu normalem Text. Das ist nützlich für Leute, die tatsächlich von Hand am Tablet schreiben. Ich zähle nicht zu ihnen und erlaube mir den Hinweis, dass Windows XP in der Tablet-PC-Edition das schon vor 22 Jahren konnte. Auch die farbigen Markierungen in den Notizen sind für mich nicht relevant, da ich noch immer auf Simplenote eingeschworen bin.

Darum das Urteil: nicht verkehrt, aber auch nicht spektakulär.

Der Rechner fügt automatisch die Lösung ein, foutiert sich aber um Gleichungen.

Der neue Rechner im Modus Mathematische Notizen gefällt mir gut: Schreiben wir per Finger oder Pencil einen mathematischen Term auf, dann ergänzt die App das Resultat, sobald wir das Gleichheitszeichen hinschreiben. Auch das ist nicht brandneu, zumal die App MyScript Calculator diesen Trick schon vor mehr als zehn Jahren beherrschte.

Aber auch da gilt: nicht verehrt, dass das iPad das nun von Haus aus kann. Schade finde ich, dass nichts passiert, wenn man eine lineare Gleichung aufzeichnet. Warum nicht den Graphen hinzeichnen?

3) Ein dezenterer Homescreen

Der Homescreen hält nun vier Darstellungsmodi bereit:

  • Automatisch: Dann wird gemäss der Vorgabe in den Einstellungen bei Anzeige & Helligkeit und Erscheinungsbild zwischen dem hellen und dem dunklen Modus umgeschaltet.
  • Dunkel: Die Icons der Apps erscheinen auf dunklem Grund. Exemplarisch ist das bei der Nachrichten-App zu sehen: Sie zeigt normalerweise eine weisse Sprechblase auf grünem Grund. Im dunklen Modus ist die Sprechblase dunkelgrün auf schwarzem Grund.
  • Hell: Das ist das bisher gewohnte Erscheinungsbild.
  • Eingefärbt: Die Icons erscheinen monochrom und können mit einem über einen Regenbogen-Schiebregler einzustellenden Farbton versehen werden.
Die optische Erscheinung des Homescreens lässt sich farblich und bezüglich Helligkeit vielfältiger konfigrieren.

Die eingefärbte Variante überzeugt mich nicht, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie ihre Freunde finden wird. Am besten gefällt mir der unscheinbare Knopf mit dem Sonnen-Symbol. Er erlaubt es, helle Hintergründe abzudimmen, sodass der Homescreen insgesamt dunkler wirkt, auch mit hellen Symbolen. Ich empfinde es als angenehm, nicht angestrahlt zu werden.

Das Kontrollzentrum wird flexibler. Die Optik ist jedoch noch immer Geschmackssache.

Änderungen nehmen wir vor, indem wir lange mit dem Finger auf eine freie Stelle des Homescreens tippen. Sobald die Icons zu wackeln beginnen, betätigen wir den Bearbeiten-Knopf links oben und dann den Befehl Anpassen aus dem Menü.

4) Mehr Kontrolle über das Kontrollzentrum

Die Änderungen im Kontrollzentrum werden dem typischen Android-User nur ein müdes Lächeln entlocken. Doch dass sich die Symbole nun frei anordnen und in der Grösse verändern lassen, stösst auf Wohlwollen. Die Liste der Module ist inzwischen wirklich lang und nützlich: Wir können u.a. die Helligkeit einer externen Tastatur anpassen, die Siri-Ankündigungen von Mitteilungen und Anrufen steuern, die Stoppuhr aufrufen, Texte übersetzen und Bedienungshilfen aufrufen.

5) Überfällige Neuerungen in der Fotos-App

Die Fotos-App macht einen noch unfertigen Eindruck, aber die schon zu sehenden Neuerungen gefallen mir gut:

  • Wir dürfen endlich beeinflussen, was wie angezeigt wird. Über den Knopf mit dem Pfeil-hoch/Pfeil-runter-Symbol gelangen wir zu den beiden Sortierungsoptionen Nach zuletzt hinzugefügten Inhalten sortieren und Nach Aufnahmedatum sortieren.
  • Unter Filter wählen wir alle Objekte aus oder beschränken uns auf Favoriten, Bearbeitet, Fotos, Videos bzw. Bildschirmfotos. Es ist auch möglich, mehr als eine Kategorie auszuwählen.
  • Bei Darstellungsoptionen schalten wir zwischen Seitenverhältnisraster und Quadratisches Fotoraster um. Ersteres zeigt Bilder in Gänze, aber mit weissem Rahmen, zweiteres fügt die Fotos als nahtlose Kacheln aneinander. Hier können wir auch nur die Screenshots ausblenden.
  • In der Leiste am linken Rand, die über das Symbol links oben zugänglich ist, stehen uns weitere automatische Gruppierungen zur Verfügung. Nebst den Favoriten, Videos, Selfies, Panoramen, Zeitraffer und Zeitlupen-Aufnahmen können wir auch Belege, Bilder mit handschriftlichen Notizen, Illustrationen und Duplikate anzeigen lassen.
Endlich! Fotos richtig sortieren!

6) Logisch und sinnvoll: die neue Passwort-App

Mein – angesichts des Beitragsbilds offensichtlicher – Favorit ist die neue Passwort-App. Es ist konsequent und richtig, wie Apple die Passwort-Verwaltung im Betriebssystem integriert hat. Und es ergibt Sinn, die gespeicherten Zugangsdaten nicht über die Einstellungen zugänglich zu machen, sondern über eine separate App. Zusammen mit der Möglichkeit, einzelne Passwörter innerhalb der Familie zu teilen, hat Apple eine solide Lösung fürs Passwort-Management anzubieten. Und nicht zu vergessen: Die in der iCloud gespeicherten Passwörter lassen sich auch mit Windows nutzen.

Fussnoten

1) Es gibt einen Trick, um Apple Intelligence in der Schweiz oder sogar in der EU hervorzuzaubern. Es fehlen aber noch so viele Funktionen, dass ich mir bislang nicht die Mühe gemacht habe, das System auf Englisch (USA) umzustellen und mir eine US-Apple-ID zu besorgen.

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