Ein bunter Desktop in der Cloud

Puter.com ist eine Arbeits­um­ge­bung mit diversen Apps, die im Brow­ser läuft. Wie sie im Detail funk­tio­niert – und wozu sie gut sein könnte.

Puter.com¹ ist erstens ein unbestreitbar witziger Name für eine Domain. Zweitens ist auch der Puter, der an dieser Stelle im Netz zu Hause ist, einer näheren Betrachtung wert.

Also, Puter ist ein Computer in der Cloud. Um ihn zu nutzen, brauchen wir nichts weiter als einen Browser und eine Internetverbindung. Er steht über Puter.com zur Verfügung; aber wir können die quelloffene Software via Docker auch selbst hosten und betreiben. Und ohne zu viel zu von meinem Fazit vorwegzunehmen, scheint mir das die eigentlich spannende Eigenschaft dieses Projekts zu sein.

Nach dem Aufruf der Puter-Adresse erscheint nach ein paar Sekunden eine Desktop-Oberfläche, die stark an Windows 11 erinnert, aber bei den Icons und dem bunten Desktop-Hintergrund auch Anleihen an Mac OS macht. Ein Login ist nicht nötig – aber natürlich unverzichtbar, wenn wir Puter nicht bloss einmal kurz ausprobieren, sondern wiederholt benutzen möchten. Über den Benutzer-Knopf in der rechten oberen Bildschirmecke lässt sich der Account hinterlegen.

Ein Browser im Browser

Die Shell dürfte auch etwas weniger bunt und weniger Windows-11-mässig sein.

Die Bedienung ist sofort verständlich: Über die Taskleiste und den Startknopf haben wir Zugang zu diversen Apps: Rekorder, Text- und Code-Editor, Solitär, Kamera, PDF- und Bildbetrachter, ein Terminal, ein Zeichenprogramm und eine Handvoll weiterer Anwendungen stehen standardmässig zur Auswahl. Auch ein Browser lässt sich innerhalb des Browsers betreiben.

Über die App Center-App lassen sich weitere installieren. Und wir können, wenn Puter unseren Entwickler-Ehrgeiz weckt, auch eigene Programme veröffentlichen.

Dokumente einführen und ausführen

Es gibt ein Dateiverwaltungsprogramm namens Documents. Das mit Inhalten zu bestücken, ist einfach: Wir ziehen Dateien per Maus von der lokalen in die virtuelle Ablage. Durch einen Rechtsklick und den Download-Befehl nimmt die Datei den umgekehrten Weg. Einleuchtend, aber natürlich wünscht man sich sofort die Möglichkeit, einen oder mehrere lokale Ordner automatisch zu synchronisieren, wie wir das von Onedrive, Dropbox oder iCloud gewöhnt sind.

Im Menü, das beim Rechtsklick auf eine Datei erscheint, gibt es auch einen Öffnen-Befehl. Bei einer Bilddatei im JPG-Format gibt es vier Apps zur Auswahl (Viewer, Draw, Polotno und Minipaint) und bei einem Markdown-Text drei (Code, Notepad und Markus). Mit Office-Formaten wie Docx oder Excel kann Puter nichts anfangen; hier steht im Kontextmenü No suitable apps found).

Die zwei Gewissensfragen

Es bleiben zwei Fragen:

Erstens natürlich die grundsätzliche, wozu das gut sein soll. Statt in der Cloud können wir ja auch einfach mit unserem Computer vor Ort arbeiten. Ich kann mir dafür folgende Gründe denken:

  1. Unsere Arbeitsumgebung ist von überall her zugänglich, auch von fremden PCs aus.
  2. Via Puter.com können mehrere Leute auf der gleichen virtuellen Maschine arbeiten. Über das kleine QR-Code-Symbol in der rechten oberen Ecke machen wir die Session öffentlich.
  3. Falls unser lokales Arbeitsgerät in irgendeiner Weise eingeschränkt oder nicht vertrauenswürdig ist, dann ergibt sich eine Ausweichmöglichkeit.
  4. Schliesslich ist Puter nicht nur ein Computer, sondern ein «Betriebssystem fürs Internet», wie die Erfinder schreiben: «Es kann für Remote-Desktop-Umgebungen oder als Schnittstelle für Cloud-Speicherdienste, Remote-Server und Web-Hosting-Plattformen verwendet werden.»

Dieser vierte Punkt scheint mir die spannendste zu sein, vor allem, wenn Puter selbst gehostet wird. Dann bringt der Cloud-Desktop eine grössere Unabhängigkeit von der klassischen Cloud.

Damit sind wir bei der zweiten Frage angelangt; nämlich, ob es sich bei Puter um eine Art Desktop as a service handelt, wie die Cloud-PCs von Shadow, die ich vor vier Jahren vorgestellt habe². Nein, denn effektiv gibt es dort echte Rechenleistung von einem fremden Server, was hier nicht der Fall ist.

Fussnoten

1) Ich habe bei diesem Link meinen Refer-Code hinterlegt.

2) Und deren Betreiber inzwischen Insolvenz anmelden musste, wobei das Aus bislang anscheinend nicht endgültig ist.

Beitragsbild: Die Oberfläche mit Bild- und Textbearbeitung und Dateiverwaltung.

One thought on “Ein bunter Desktop in der Cloud

  1. Interessantes Konzept! Vergleichbar, aber mit einem anderen Konzept, ist Kasm. Das läuft auch auf Docker: https://hub.docker.com/r/kasmweb/desktop.

    Dabei wird bei einer Verbindung ein Ubuntu-Desktop (oder nur eine einzelne Linux-Anwendung) gestartet. Die Grafik wird über VNC abgegriffen und über HTML5 dargestellt. Es läuft wesentlich schneller, als das jetzt vielleicht tönt. 😀

    Im Vergleich zu Puter braucht es auf dem Server mehr Ressourcen, dafür laufen die Anwendungen auch dort und man kann beliebige Linux-Anwendungen nutzen. Eine moderne Synology hat genügend Rechenleistung, um einen Kasm-Container zu betreiben.

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