Instagram, aber ohne einen einzigen Influencer

Pixelfed ist ein auf Fotos spezia­li­sier­tes so­zia­les Netz­werk aus dem Fedi­ver­sum. Es funk­tio­niert or­dent­lich, doch bei den Nutzer­zah­len ist es ein abso­lu­ter Winz­ling – aber mit einem Ass im Ärmel.

Zwar habe ich neulich Instagram-Tipps vom Stapel gelassen. Es bleibt aber dabei, dass meine Liebe erloschen ist. Darum wäre in meinem Herzen Platz für eine neue Foto-Plattform. Und ja, ich habe es mit Eyeem.com probiert. Doch so modern und vielseitig die auch ist; es steht dort nicht die Freude an Experimenten im Vordergrund, sondern die fotografische Perfektion – und die damit verbundenen Verkaufsmöglichkeiten.

Darum dauert meine Suche nach einem würdigen Instagram-Nachfolger an. Ein interessanter Kandidat stammt aus dem Fediversum: Das ist die Sphäre der alternativen sozialen Netzwerke. Sie sind nicht kommerziell orientiert und eröffnet uns Alternativen zu Facebook, Twitter, Linkedin und auch Instagram. Der bekannteste Vertreter ist der Kurznachrichtendienst Mastodon, der dank der Querelen um Twitter und Elon Musk einen Schub erfahren hat.

Pixelfed statt Insta?

Das Fediversum hat auch eine Ausweichlösung zu Instagram zu bieten. Sie heisst Pixelfed, existiert seit 2018 und ist ebenfalls dezentral organisiert. Das heisst, dass wir, um dort aktiv zu werden, uns als Erstes für eine Instanz entscheiden müssen. Eine Übersicht gibt es auf pixelfed.org, doch im Vergleich zu Mastodon ist dieser Entscheid nicht schwierig. Es gibt nämlich nur eine überschaubare Zahl von öffentlichen Instanzen; insgesamt sind es 38.

Die quadratische Bildübersicht – die es auch für Mastodon-Accounts gibt.

Unter General sind sechs Instanzen mit allgemeiner Ausrichtung zu finden, wo ich mich für die geografisch naheliegendste entscheide, nämlich pixelfed.de – ihr findet mich hier als @mrclicko@pixelfed.de. Ebenfalls naheliegend ist pixelfed.social – das ist die Ur-Instanz.

Nach der Anmeldung stehen wir vor einer Herausforderung, Leute zu finden, denen wir folgen könnten. Das ist eine Herausforderung, weil es die Lade-doch-mal-dein-Adressbuch-hoch-und-wir-sagen-dir-wer-von-deinen-Freunden-hier-ist-Funktion nicht gibt.

Wir sind ganz auf uns selbst gestellt

Das heisst: Wir sind ganz auf uns selbst gestellt. Fürs Erste empfehle ich folgende Dinge:

  • Wir öffnen den lokalen oder den globalen Feed. Auf dem ersten sind die Aktivitäten auf unserer Instanz zu finden, auf dem zweiten die weltweiten Veröffentlichungen. Und die sind überschaubar genug, dass das tatsächlich praktikabel ist – wir können so interessante Fotos ausmachen und den Urhebern auf Verdacht hin folgen.
  • Wir suchen nach den Namen der üblichen Verdächtigen. Das ist in meinem Fall effektiver als gedacht: Ich stosse auf Timo Hetzel, den eher Fediversums-kritischen Chef-Podcaster bei «Bits & so». Auch Chris Marquardt vom Foto-Podcast «Happy Shooting» ist hier.
  • Ausserdem können wir Leuten folgen, die auf anderen Plattformen im Fediversum daheim sind – also namentlich auch Personen von Mastodon. Darauf komme ich am Ende noch zu sprechen.

Ein eigenes Foto zu posten, ist nicht so elegant wie bei Instagram. Es gibt keine eingebauten Filter, sodass wir das Foto entweder originalgetreu veröffentlichen oder aber zuerst durch eine oder mehrere andere Apps durchjagen.

Beim Veröffentlichen eines Bildes dürfen wir auch eine Creative-Commons-Lizenz angeben.

Nach dem Hochladen vergeben wir einen Titel, den wir wie bei Instagram mit Hashtags anreichern. Ausserdem ist ein Alt-Text mit einer Bildbeschreibung gefragt, und wir können sensible oder potenziell anstössige Bilder markieren, Leute taggen, das Bild einer Kollektion zuweisen, eine Creative-Commons-Lizenz vergeben, manuell den Aufnahmeort angeben und festlegen, ob das Bild öffentlich oder nur für die Gefolgschaft zu sehen ist.

App-mässig ist nicht alle Hoffnung verloren

Das heisst, dass wir Pixelfed eher am Computer denn am Handy nutzen. Es gibt bislang keine offizielle App fürs Smartphone. Bei Android sind jedoch einige Apps verfügbar, die nebst anderen Fediversums-Anwendungen auch Pixelfed unterstützen; namentlich Fedilab und Fedi Photo. Die habe ich für diesen Bericht hier nicht getestet.

In unserem Profil haben wir die beiden Optionen New Story und New Collection zur Auswahl. Ersteres dürfte Funktion sein, wie wir sie von Facebook und Instagram her kennen und mit der wir eine Art «Geschichte des Tages» erzählen. Zweiteres erlaubt es, Fotos zu bestimmten Themen zu gruppieren. Ausserdem gibt es die Funktion Portfolio, über die eine Auswahl an besonderen Fotos vorgezeigt werden. Und wir können Direktnachrichten verschicken.

Lohnt es sich?

Es bleiben zwei Fragen. Erstens: Lohnt es sich?

Im Vergleich zu Instagram ist Pixelfed absolut unbedeutend: Instagram hat über eine Milliarde Nutzer, die schätzungsweise 1,3 Milliarden Bilder pro Tag (!) veröffentlichen. Bei Pixelfed halten sich gerade mal 142’000 Nutzer, die insgesamt 1,8 Millionen Bilder gepostet haben. Das ist in etwa ein Zehntel-Promill.

Winter is coming – zumindest hier in meinem Pixelfed-Feed.

Das heisst: Wenn wir auf ein Massenpublikum schielen, dann lohnt es sich nicht, auch nur eine Sekunde hier zu vergeuden. Das Bilder-Angebot ist auch sehr durchwachsen: Es gibt die klassischen Schnappschüsse, mal mehr, mal weniger inspiriert. Wir finden aber auch Memes, Comics, Nichtssagendes und Fragwürdiges. Und zwischendurch auch den einen oder anderen Nackedei.

Allerdings: Es gibt auf Pixelfed auch keine Influencer, keine Werbung, keine Sortier- und Gewichtungs-Algorithmen und kein Tracking à la Meta. Pixelfed hat das Potenzial, eine kleine, aber feine Umgebung für Leute zu werden, die sich aus Gründen nicht auf einer kommerziellen Plattform tummeln möchten.

Aber es ist nicht wegzudiskutieren, dass Pixelfed selbst für Freunde der Nische derzeit noch extrem nischig daherkommt. Wer sich hier engagieren will, der kommt nicht darum herum, seinen Freundeskreis zu missionieren, damit der ihm hierher folgt – denn sonst ist einfach zu wenig los, als dass der konstante Hunger nach Unterhaltung, den wir auf den grossen Netzwerken entwickelt haben, gestillt werden würde.

Pixelfed ist nicht allein

Einen versteckten Trumpf hat Pixelfed indes zu bieten: Wie weiter oben angedeutet, können wir nicht nur Pixelfed-Nutzerinnen und -Nutzern folgen, sondern auch Leuten, die sich irgendwo im Fediversum aufhalten.

Das heisst: Wir können auf Pixelfed auch Mastodon-User hinzufügen, und im Gegenzug auf Mastodon auch Pixelfed-Accounts. Das ist nicht in jedem Fall sinnvoll, denn logischerweise kann eine Bilder-Plattform nichts mit reinen Textbeiträgen anfangen.

Doch wenn wir Leute kennen, die auf Mastodon regelmässig schöne Bilder veröffentlichen, dann wäre es eine valide Option, denen via Pixelfed zu folgen: Dann erscheinen die Bilder nämlich nicht in einem dichtgedrängten Feed, sondern in einer grosszügigeren Darstellung.

Und noch besser: Wenn wir die Profil-Seite öffnen, dann erscheinen die Beiträge nicht untereinander, sondern wie bei Instagram üblich als Raster aus quadratischen Bildern, das es uns erlaubt, uns auf das optische Erlebnis zu konzentrieren. Wir können Pixelfed auch einfach als alternative Benutzerschnittstelle betrachten – und allein deswegen lohnt sich meines Erachtens ein Account dort.

Beitragsbild: Völlig klar – sie stellt ihr Foto nicht auf Instagram (Split Shire, Pixabay-Lizenz).

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