In der Kürze liegt die Hose

Die Shortify-App liefert von langen Texten eine kom­pakte Zusam­men­fas­sung – und zwar nicht nur von Artikeln im Web, son­dern auch von eige­nen Doku­men­ten. Ein guter Weg, um bei Re­cher­chen Zeit zu sparen?

Shortify ist eine App fürs iPhone, deren Nutzen sofort einleuchtet: Sie fasst lange Texte zusammen. Das spart Zeit beim Lesen und ist vor allem für Recherchen praktisch: Wir können uns anhand der Kurzfassung ein Bild verschaffen, ob es sich lohnt, den Text in Gänze zu lesen.

Zumindest wäre das der Nutzen, wenn sie dieses Versprechen auch erfüllt und die Zusammenfassungen auch brauchbar sind. Um herauszufinden, ob das der Fall ist, habe ich sie mit einigen Beispielen getestet:

Wenn der Blogger wieder einmal übers Ziel hinausgeschossen hat!

Als erstes kam mein Blogpost über die Exportfunktion von Instagram zum Zug. Und siehe da: Shortify dampft den Beitrag von 777 Wörtern auf 116 Wörter ein – das ergibt, wie die App auch gleich mitteilt, eine Zeitersparnis von ungefähr zwei Minuten.

Die App überrascht mich, weil die Zusammenfassung des deutschen Texts auf Englisch erfolgt. Das ist für einen englischsprachigen Nutzer ein Vorteil, für alle anderen nicht. Ich würde die Zusammenfassung natürlich auf Deutsch lesen wollen. Inhaltlich ist das Resultat¹ ist ordentlich; wobei es Details zu bemängeln gibt. Den Hinweis auf die DSGVO hätte ich in der Zusammenfassung weggelassen. Stattdessen hätte der Aspekt mit den völlig seltsamen Werbeinteressen, die mir Instagram bzw. Meta unterstellt, näher ausgeführt werden müssen – das ist die interessante Kernbotschaft des Blogposts.

Neutral und integral

Shortify bleibt indes so neutral wie möglich und versucht den ganzen Text integral zu kürzen. Das ist einerseits einleuchtend; andererseits wäre es für viele Belange besser, wenn die einführenden Sätze und Erklärungen gänzlich weggelassen würden und sich die Zusammenfassung auf die eigentliche Erkenntnis beschränken würde – die aber ausführlicher darlegen würde. Es liegt aber auf der Hand, dass dafür ein inhaltliches Verständnis vorhanden sein müsste. Und für eine richtig gute, gewichtete Zusammenfassung müsste die App die speziellen Interessen des Nutzer bzw. der Nutzerin verstehen. Das kann sie nicht – und daher bleibt es dabei, dass eine KI wie diese zwangsläufig weniger auf den Punkt arbeitet, als es ein Mensch tun würde.

Sprachlich fällt auf, dass die App nicht versucht, die Tonalität des Texts zu widerspiegeln. Im Gegenteil; die Zusammenfassung ist anscheinend bewusst nüchtern gehalten. In der Zusammenfassung kommt etwa das Wort «Anzeigenpräferenzen» vor, das ich in meinem Text nicht verwendet habe. Ich habe das Wort «Werbeinteressen» benutzt, das von Instagram stammt – und das in diesem Fall nicht nur besser passt, sondern auch weniger schwerfällig wirkt.

Zwei weitere Beobachtungen:

1) Es geht noch kürzer

Die App hält zwei Optionen bereit, entweder kurz (short) oder kürzer (shorter). Ich teste die kürzere Variante anhand des Blogposts The Fox is in the Henhouse von Petapixel. Sie reduziert 944 Wörter auf 72².Das Ergebnis ist einwandfrei und gibt den Inhalt des Blogposts sauber wieder.

2) Ganz lange Texte packt die App nicht

Ich probiere mein Glück mit dem Transkript einer unserer Radiosendungen – denn wie genial wäre es, wenn diese KI anhand des Transkripts einer anderen KI eine inhaltliche Zusammenfassung liefern könnte? Das klappt aber nicht: Auch nach mehreren Minuten Wartezeit entsteht kein brauchbares Resultat. Zum Vergleich füttere ich das Transkript an ChatGPT, zusammen mit der Aufforderung, mir eine Zusammenfassung von zwanzig Sätzen anzufertigen. Rückmeldung: «Die von Ihnen übermittelte Nachricht war zu lang. Bitte laden Sie die Konversation neu und übermitteln Sie eine kürzere Nachricht.»

In allen Apps zugänglich

Noch einige Hinweise zur Benutzung: Die App wird über das Teilen-Menü verwendet und steht daher nicht nur für Websites, sondern auch in anderen Apps und für lokal gespeicherte Dokumente zur Verfügung. Die App ist kostenlos und als neue Nutzerin erhalten wir hundert kostenlose Verkürzungen. Wenn die aufgebraucht sind, müssen wir weitere «Shorts» kaufen. Zehn Stück gibt es für einen Franken, hundert für fünf Franken, tausend für zehn und 10’000 für 48 Franken.

Und weil diese «Shorts», also Verkürzungen in der App tatsächlich mit «Shorts», also kurzen Hosen, dargestellt sind, haben wir jetzt auch eine Erklärung für den Titel dieses Blogposts und das Beitragsbild.

Fussnoten

1) Die deutsche Übersetzung der Zusammenfassung: «Der Artikel beschreibt die Vorteile der Exportfunktion von Instagram, mit der alle Daten, einschliesslich Fotos, Videos, Nachrichten und Metadaten, heruntergeladen werden können. Dies ermöglicht eine einfache Sicherung im Falle von Plattformausfällen oder Datenverlusten. Die DSGVO-Vorschriften der Europäischen Union erlauben diese Datenübertragbarkeitsfunktion. Das heruntergeladene Archiv enthält eine Ordnerstruktur mit verschiedenen Ordnern, die Informationen wie Kontakte, Kommentare, Chat-Nachrichten, Anmeldeaktivitäten und mehr enthalten. Die Sortierung der Fotos ist jedoch nicht chronologisch oder alphabetisch, sondern willkürlich. Darüber hinaus bezweifelt der Autor, dass Instagram die Interessen der Nutzer auf der Grundlage ihrer Anzeigenpräferenzen korrekt ermittelt. Insgesamt ist die Exportfunktion sowohl für praktische Sicherungszwecke als auch für eine aufschlussreiche Überprüfung der von Instagram gesammelten persönlichen Daten zu empfehlen.»

2) Die deutsche Übersetzung dieser Zusammenfassung lautet wie folgt: «Die Bilderzeugung durch künstliche Intelligenz ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass sie die Fotobranche aktiv untergräbt. Zwei Vorfälle aus jüngster Zeit, darunter ein KI-generiertes Bild, das einen Fotowettbewerb gewonnen hat, und ein beliebter Instagram-Account, der gefälschte Porträts gepostet hat, haben die Besorgnis darüber geweckt, welche weiteren Betrügereien es in der Branche gibt. Die Möglichkeit, dass nicht unterscheidbare KI-Bilder die Fotobranche untergraben, ist beängstigend und könnte in der breiten Öffentlichkeit zu Zynismus gegenüber der Fotografie führen.»

Beitragsbild: Die Länge passt, aber was ist mit den Löchern? (Engin Akyurt, Unsplash-Lizenz).

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