Godzilla lebt!

«The Kaiju Preservation Society» von John Scalzi ist das ideale Buch für diese oder die nächste Pande­mie: Mit coolen Dialogen und Helden, sowie furcht­ein­flös­senden Urzeit-Biestern hält es Es­kapis­mus in seiner besten Form bereit.

Es ist so weit: Als Leserinnen und Leser bekommen wir es mit Geschichten zu tun, die während der Pandemie entstanden sind. Es steht ausser Frage, dass das nicht ohne Auswirkungen bleibt – denn es gehört schliesslich Jobbeschreibung von Autorinnen und Autoren, auf gesellschaftliche Ereignisse zu reagieren.

Was uns Leserinnen und Leser angeht, so ist unsere Hoffnung gross, dass nicht ständig eine Retraumatisierung stattfindet: Die Gefahr bestünde, würden wir es mit Seuchen, Plagen, Viren und medizinischen Ausnahmesituationen zu tun bekommen, obwohl wir uns doch eigentlich lesenderweise aus der Realität ausklinken wollten.

Aber natürlich gehört es auch zum Beruf des Autors, derlei Themen literarisch zu verwandeln. Denn schliesslich muss es einen Unterschied machen, ob wir die Zeitung oder einen Roman zur Hand nehmen.

Der Pandemie entflohen

Nicht ganz so artenreich wie «Jurassic Park».

Auf das Buch The Kaiju Preservation Society¹ von John Scalzi trifft das nur bedingt zu: Die Coronapandemie hat in diesem Buch einen doppelten Auftritt: Einerseits kommt sie in der Geschichte vor – allerdings auf so nebensächliche Weise, dass wir uns nicht gestört zu brauchen fühlen, auch wenn wir derzeit von diesem Thema verschont werden wollen.

Andererseits hat sie die Entstehungsgeschichte massgeblich beeinflusst, wie Scalzi in einem persönlichen Nachwort schreibt: Er erzählt, wie ihn Corona so aus der Bahn geworfen hat, dass er erstmals nicht in der Lage war, ein vereinbartes Buch termingerecht abzuliefern. Das hat eine Art Sinnkrise ausgelöst, die er mit «The Kaiju Preservation Society» überwinden konnte.

Coole Figuren, lockere Dialoge und ein Popcorn-Kino-würdiger Plot

Das ist dem Buch anzumerken – dass es eine Art Befreiungsschlag war. Es ist eine Popcorn-Abenteuergeschichte mit coolen Figuren und lockeren Dialogen – Scalzi ist für mich ein Meister der lockeren dialogischen Wortgeplänkel. Für Spannung und Unterhaltung ist gesorgt, doch es ist nie eine existenzielle Bedrohung spürbar, die uns den Eskapismus-Trip versauen könnte: Ideal für vergnügliche Lesestunden – und damit eine gute Ergänzung zu den beiden anderen Büchern von Scalzi mit einer ähnlichen Tonalität, nämlich «Redshirts» und «Fuzzy Nation», die ich beide hier besprochen habe.

«The Kaiju Preservation Society» versetzt uns ins japanische Kaijū-Universum, das von seltsamen Kreaturen bevölkert wird, und dem in unzähligen Filmen, Comics und Geschichten gehuldigt wird. Am bekanntesten ist eine Bestie aus dieser Erzählsphäre, die 1954 im Film Godzilla ihren Auftritt hatte. Auch in Scalzis Buch ist gespickt mit Anspielungen an die Filme und Bücher, von denen ich die allermeisten überhaupt nicht mitbekommen haben dürfte. Immerhin, wenn japanische Namen auftauchen, ist das ein klares Anzeichen darauf, dass es sich um eine solche Referenz handelt. Und einige davon erklärt Scalzi Ignoranten wie mir – beispielsweise, dass der Name der Honda-Basis nicht aufs Auto zurückzuführen ist, sondern auf Ishirō Honda, den Regisseur des Godzilla-Films von 1954.

Godzilla lebt!

Hier kurz zur Geschichte – mit einigen Spoilern. Darum der Tipp, dass Leute, die gerne ein flottes, nerd-mässig angehauchtes Abenteuer mit einem radioaktiven Drachenmonster lesen würden, hier aus der Rezension aussteigen sollten. Zuerst aber noch der Hinweis, dass das Hörbuch von Wil Wheaton gelesen wird, der sich hervorragend für das leichte Sciencefiction-Genre eignet. Ich höre ihn gern – auch wenn er dieses Mal für meinen Geschmack etwas zu euphorisch und exaltiert ans Werk geht.

Jamie Gray ist der Ich-Erzähler des Abenteuers, der eingangs ziemlich viel Pech hat. Er verliert seinen Job beim Start-up «füdmüd», bei dem er als Manager angestellt war – und zwar, wie er später erfährt, weil sein Boss Rob Sanders eine Wette abgeschlossen hat, ob er denn auch verzweifelt genug wäre, auch den Job als Essens-Ausfahrer anzunehmen. Jamie tut es, denn da New York City wie die meisten anderen Städte unter der Coronapandemie leidet, gibt es kaum Job-Alternativen. Doch während er Essen an einen alten Bekannten ausliefert, wendet sich das Blatt: Gray erhält ein Angebot für einen mysteriösen Job.

Gray nimmt es an und wird von der Kaiju Preservation Society (KPS) engagiert. Das ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich dem Schutz der Kaijūs verschrieben hat. Denn Godzilla und ihre Geschwister sind nicht nur ein Mythos: Mit den ersten Atomversuchen hat es sich ergeben, dass sich mehrmals solche Kreaturen von einer Parallel-Erde zu uns verirrt haben. Denn anscheinend führen die nuklearen Ereignisse dazu, dass die Barriere zwischen den Parallel-Universen geschwächt wird und schliesslich verschwindet.

Radioaktiv betriebene Riesentiere

Via Grönland reist Gray auf diese Parallel-Erde, wo sie die Kaijūs wissenschaftlich untersuchen und auch alles zu ihrem Schutz unternehmen. Es handelt sich nämlich um anfällige Kreaturen: Sie sind etwas begriffsstutzig, was die Fortpflanzung angeht. Und sie leben auch in einer Art Symbiose mit Wesen, die zwar parasitär auf ihnen leben, ihnen aber auch ihrer Entwicklung helfen. Denn ein Kaijū ist kein Tiere im herkömmlichen Sinn, sondern eine eigene Ordnung. Es wird Hunderte Meter gross, kann fliegen und bestreitet seinen ungeheuren Energiebedarf durch einen internen nuklearen Bio-Reaktor.

Dieser Reaktor ist es denn auch, an dem Rob Sanders interessiert ist. Er hat «füdmüd» verkauft und will sich nun «Bella» bemächtigen. Das ist eine Kaijū-Dame, die Eier legt und sie bebrütet und von Jamie Gray und seinen eingeschworenen Mitstreitern beschützt werden soll – weil die Gefahr gross ist, dass sie durch die dünne Barriere zwischen den Universen in unsere Welt hinübergeraten würde, wo sie wegen der geringeren Temperaturen und der dünneren Atmosphäre bald sterben würde. Was heisst sterben: Sie würde in einer riesigen Atomexplosion in einem grossen Bereich eine Zerstörung anrichten würde.

Doch dieses Risiko interessiert Sanders nicht: Er stellt sich vor, dass das Energieunternehmen im Familienbesitz künftig Atomreaktoren verkaufen kann, die er nicht bauen muss, sondern anhand von Bellas Genom bloss zu züchten braucht. Doch Jamie Gray und seine Mitarbeiter retten den Tag und Bella und erweisen ihrer Kaiju Preservation Society alle Ehre …

Fussnoten

1) Bislang ist das Buch offenbar nicht in Deutsch erschienen. Wenn sich das ändert, trage ich den Titel hier nach.

Beitragsbild: Schafft er es wirklich in die Zivilistaion? (Sinousxl, Pixabay-Lizenz)

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