Von Elon Musk gekillt und jetzt wundersam wiederauferstanden

Ivory ist die derzeit beste App für Leute, die Mastodon an ihrem iPhone verwen­den möchten. Sie hat viele der tollen Funk­tionen, die wir bei dem kürzlich von Twitter gekillten Tweetbot so geschätzt haben.

Ob ein soziales Netzwerk Spass macht, hängt zu einem wesentlichen Teil von der mobilen App ab. Das gilt besonders für Mastodon: Denn die Website erfüllt ihren Zweck, ist aber weder besonders hübsch noch technisch innovativ.

Darum teste ich seit einiger Zeit Mastodon-Clients. Nach Tootle und Metatext ist heute Ivory dran. Und um die Katze gleich aus dem Sack zu lassen: Diese App ist mir den Abo-Preis von 15 Franken pro Jahr wert.

Zwei Gründe haben zu diesem Entscheid geführt: Erstens handelt es sich um den besten Mastodon-Client, den ich bislang in den Fingern hatte – mehr dazu gleich. Zweitens ist das Abo auch eine Sympathiebekundung für den Hersteller, Tapbots. Denn der wurde kürzlich zum Opfer einer von Elon Musks irrationalen Anwandlungen. Mitte Januar hat Twitter die wichtigen Twitter-Apps verstossen, indem ihnen der Zugang zu den Benutzerschnittstellen abgedreht wurde.

Unter aller Sau

Das ist ohne Vorwarnung passiert. Am 17. Januar wurde über @TwitterDev die halbherzige Entschuldigung nachgeschoben, Twitter würde «langjährige API-Regeln» durchsetzen, was dazu führen könne, «dass einige Apps nicht funktionieren».

Das ist, meiner freundlichen Meinung nach, unter aller Sau. Die Dritt-Apps haben massgeblich zum Erfolg von Twitter beigetragen. Sie sind ein eklatanter Widerspruch zu Elon Musks Versprechen, dass Twitter «einladender» werden soll. Und über den Stil, das ohne Ankündigung und Übergangsfrist zu tun, müssen wir gar nicht erst diskutieren.

Also, darum an dieser Stelle eine Gedenkminute für den verblichenen Twitter-Client von Tapbots. Das ist Tweetbot, den es seit 2011 gibt, und den ich seit 2012 im Einsatz habe. Ich habe ihn damals wohlwollend besprochen: Das entscheidende Feature für mich damals war die Möglichkeit, anstelle der normalen Zeitleiste eine Liste anzuzeigen. Die habe ich geschätzt, um die Aktivitäten des harten Kerns unter meinen Twitter-Freunden zu verfolgen. Und auch wenn ich später auch andere Twitter-Clients benutzt habe, so hatte ich Tweetbot immer griffbereit auf dem Smartphone parat.

Die flexibel anpassbare Startseite

Die leicht lesbare, übersichtliche Zeitleiste ist eine der grössten Stärken von Ivory.

Damit ist es jetzt vorbei. Aber zum Glück gibt es jetzt Ivory, die Mastodon-App. In der leben viele der tollen Funktionen von Tweetbot weiter. Das gilt für die besagte Funktion, sich den Home-Bildschirm anpassen zu können. Über eine Dropdown-Liste können wir auswählen, was wir sehen wollen:

  • Home: Die normale Zeitleiste mit all den Tröts der Leute, denen wir folgen.
  • Local: Die Zeitleiste mit all den Tröts, die von den Leuten auf der gleichen Instanz abgesetzt werden.
  • Federated: Das sind die Tröts von anderen Instanzen, die auf der eigenen Heim-Instanz eintreffen, d.h. von Leuten, denen andere Nutzer der eigenen Instanz folgen.
  • Listen: Wir können bei Mastodon eigene Listen anlegen und ihr Leute hinzufügen, die wir speziell im Auge behalten wollen. Im Angedenken an Tweetbot habe ich mir auch gleich eine Liste namens «Harter Kern» angelegt.

Die Oberfläche von Ivory hält einige weitere nützliche Funktionen bereit: Es gibt eine Suchfunktion, bei der wir sich allerdings bewusst sein müssen, dass wir nicht ganz Mastodon oder das komplette Fediversum durchsuchen, sondern nur die lokale Zeitleiste. Es gibt die Möglichkeit, die Suche durch Filter einzuschränken oder auf die Tröts mit Bildern oder Videos, Links oder auf die Boosts («Retweets») zu beschränken.

Die vielseitig konfigurierbare Symbolleiste

Die Benachrichtigungen – hier Leuten zurückzufolgen, ist simpel.

In der Leiste am unteren Rand gibt es einen Knopf für die Home-Ansicht, für die Erwähnungen (Mentions) und die Benachrichtigungen. Die drei Knöpfe rechts lassen sich nach Belieben mit diversen Funktionen belegen. Zur Auswahl stehen:

  • Das eigene Profil: Hier sind die Posts, Favoriten und Lesezeichen zugänglich.
  • Statistiken: Diese Ansicht schlüsselt die eigenen Aktivitäten auf und zeigt die Zahl der Tröts, Favoriten, Antworten, Posts, Boosts, Erwähnungen und neuen Follower.
  • Die Filter: Über die filtern wir die Zeitleisten anhand von Nutzern, Schlagwörtern oder Hashtags. Die Filterung nach Hashtags und Schlagwörtern ist bei der Haupt-Zeitleiste, den Erwähnungen, Threads, Listen und der öffentlichen Zeitleiste separat einstellbar.
  • Lesezeichen: Hier verwalten wir abgespeicherte Tröts. Anders als Favoriten sind diese Lesezeichen nicht öffentlich – wir speichern hier also jene Mitteilungen, von denen der Urheber nicht wissen muss, dass wir sie uns aufgehoben haben.
  • Favoriten: In dieser Ansicht sind die Tröts zu sehen, die wir mit Sternchen ausgezeichnet haben.
  • Search: Diese Suchfunktion unterscheidet nach Posts und Nutzer, ausserdem finden wir hier die gerade beliebten Themen (Trending) und die lokale und föderierte Zeitleiste.

Wisch- und Tippgesten

Last but not least: Vielfältige Einstlelungsmöglichkeiten.

Eine weitere Stärke von Tweetbot, die sich bei Ivory wiederfindet, ist die Unterstützung von Wischgesten. Wenn wir einen Tweet von links nach rechts wischen, können wir eine Antwort verfassen. Wenn wir nur kurz wischen, favorisieren wir den Post.

Durch Wischen von rechts nach links erscheint die Detailansicht mit den Antworten. Und auch das ist nützlich: Durch langes Antippen erscheint eine Voransicht, die in einem Menü die Befehle Favorite (Favorisieren), Bookmark (Lesezeichen setzen), Boost («Retweeten»), Reply (Antworten) und Share (Teilen) bereithält.

Es lohnt sich übrigens auch, die Einstellungen bei den Nutzerprofilen anzusehen: Wir können uns dort für bestimmte Leute Benachrichtigungen einschalten, die Boots von notorischen Boostern deaktivieren und Filter (Stummschaltungen) einrichten.

Einstellungen für Profis

Eine letzte Sache, die mir an Ivory gefällt, sind die umfangreichen Einstellungen:

  • Add Accounts: Wir dürfen dort mehrere Accounts erfassen.
  • Display: Wir konfigurieren die Darstellung der Timeline: Wir geben die Schrift, Schriftgrösse, Darstellung der Nutzernamen (voller Name, Username oder beide) und Grösse der Bearbeitungsknöpfe vor. Wir legen fest, ob Medien automatisch wiedergegeben werden sollen (immer, nur WLAN oder nur manuell), wählen das Dateiformat und helles oder dunkles Schema und die Akzentfarbe.
  • Behaviors: Hier gibt es die erwähnten Einstellungen zu den Wisch- und Tippgesten, aber noch einiges mehr; beispielsweise die Möglichkeit, Content-Warnungen zu ignorieren und sensible Medien immer zu zeigen.
  • Notifications: Detaillierte Einstellungen zu den Benachrichtigungen.
  • Sounds: Soll die App Erwähnungen oder andere Benachrichtigungen akustisch untermalen?
  • Browser: Wie werden Links geöffnet? Wir können hier zwischen dem internen Browser und einem externen Browser wählen, wobei wir alle installierten Browser zur Auswahl haben. Auch schön: Links können gleich in der Leseansicht geöffnet werden.

Fazit: Paul Haddad, der Mann hinter Tapbots, hat mit Ivory ganze Arbeit geleistet. Wir es mit Mastodon ernst meint, ist mit dieser App hervorragend bedient.

Wie die Roadmap auf der Website zeigt, ist die Entwicklung der App noch längst nicht fertig. Eine der wichtigsten, noch ausstehenden Funktionen ist der Bearbeitungsknopf für die veröffentlichten Tröts.

Was das Abo angeht, gibt es zwei Varianten: Das normale Abo für 15 Franken pro Jahr und ein «Premier»-Abo für 25 Franken. Wenn wir uns fragen, was dieses teurere Abo zu bieten hat, dann werden wir auf der Website bislang nicht fündig. Bei «Techcrunch» ist es aber wie folgt erklärt:

Haddad erklärt, dass er die Premier-Stufe vor allem deshalb hinzugefügt hat, weil manche Leute mehr zahlen wollten, um das Unternehmen zu unterstützen. Er plant, diesen Leuten in Zukunft einige Extras anzubieten, namentlich Dinge wie zusätzliche Symbole oder Hintergrundbilder.

One thought on “Von Elon Musk gekillt und jetzt wundersam wiederauferstanden

  1. Ich habe bei Tapbots nachgefragt, weshalb eine Abo-Lösung und was die Unterschiede sind. Hier die Antwort: „Social media apps take tons of work and constant maintenance. If we don’t do a subscription, there would be no Ivory. It’s just the only way we can continue to maintain it. The pro and premium give you the same features. It’s just a matter of how much you want to support the development of the app.“
    Es ist also zu überlegen, ob man die Arbeit zusätzlich würdigen und die Premium-Version abonnieren möchte. Zumindest im ersten Jahr überlege ich es mir tatsächlich.

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