Besser als Google, aber nicht brillant

Die Start-App von Microsoft im Test: Besser als Google-News, aber trotzdem nicht das Nonplusultra für Wissensmenschen.

Seit September 2021 gibt es eine App namens Microsoft Start. Sie liefert personalisierte Nachrichten, führt Websuchen mit Bing durch und ist Ausdruck von Microsofts Willen, nicht nur auf PC-Desktops vertreten zu sein, sondern auch auf Android-Telefonen und den iPhones.

Diese App ist verwandt mit der Funktion Neuigkeiten und interessante Themen, die bei Windows 10 im Juni 2021 Einzug gehalten hat und meines Erachtens eine kleine Neuerung war, die Microsoft ganz gross verbockt hat. Bei Windows 11 gibt es sie in Form der Widgets, die ich aber abgeschaltet habe, weil Microsoft meine Vorgabe bezüglich des Standard-Browsers nicht respektiert.

Aber gut – das soll uns nicht davon abhalten, diese App einer Inspektion zu unterziehen: Wenn sie brauchbar ist, wieso sollte man sie am Smartphone nicht benutzen, selbst wenn man die Widgets in der Taskleiste als überflüssig erachtet?

News, Wetter, Finanzen

Die Startseite der Start-App.

Die App hat eine Rubrik namens Startseite, auf der Kästchen mit Wetter, Schlagzeilen und der sogenannten «Geldfunktion» vorzufinden sind. Gemeint sind mit letzterem eigentlich Finanzinformationen: Wir finden hier Aktien- und Wechselkurse sowie börsengehandelte Fonds, wobei die Auswahl natürlich wiederum personalisierbar ist.

Es gibt für die News eine eigene Rubrik namens Nachrichten, in der es nebst den wichtigen Schlagzeilen auch Reiter für die Themengebiete gibt, die wir selbst auswählen dürfen. Die Auswahl an Rubriken ist beträchtlich; in der Liste sind 45 Einträge vorhanden, die nebst lokalen und regionalen Auswahlmöglichkeiten (z.B. Schweiz, International, Zürich, Bern, etc.) auch Rubriken wie Kino, Musik, Stars, Royals, Wohnen, Gesundheit und Fitness, Wissenschaft und Technik und Sport-Unterkategorien wie Tennis oder Fussball umfassen. Über eine Suchfunktion dürfen wir auch eigene Stichworte hinzufügen, zu denen dann die passenden Nachrichten erscheinen.

Vorteile und Mankos

Diese Anpassungsmöglichkeiten gefallen mir einigermassen gut – ebenso, wie die lesefreundlich aufbereitete Darstellung der Newsbeiträge in einem konfigurierbaren Lesemodus. Weniger gut gefällt mir, dass es keine offensichtliche Möglichkeit gibt, zu der Originalquelle aufzurufen.

So weit, so einleuchtend. Das entscheidende Kriterium ist jetzt, dass uns die App einen personalisierten Nachrichtenmix liefern will. Und das ist auch dringend nötig, weil von Haus aus der übliche boulevardeske bzw. clickbaitige Klamauk nach oben gespült wird. Wir können, wie beschrieben, unsere Lieblings-Themenbereiche bestimmen.

Den Auswahl-Algorithmus trainieren

Hier geben wir an, wovon wir mehr oder weniger lesen wollen.

Aber nicht nur; wir haben noch zwei weitere Möglichkeiten:

  • Wir geben an, was uns gefällt und was nicht. Dazu tippen wir in der Liste mit den Artikeln auf das Menü und wählen Mehr Artikel dieser Art oder Weniger Artikel dieser Art.
  • Wir blockieren Quellen, die uns nerven. Das passiert an gleicher Stelle, d.h., indem wir den Menüpunkt Artikel von [Quelle] ausblenden betätigen.

Entscheidend ist jetzt, wie wirksam dieses Training ist. Das kann ich nicht abschliessend beurteilen. Mein erster Eindruck ist, dass Microsoft sich etwas besser schlägt als die Google-News-App, die ich bei meinem Test als erstaunlich schlecht erlebt habe. Das grundsätzliche Verdikt gilt aber auch für die Microsoft-Start-App: Man liefert sich der Auswahl aus, die die App und deren Algorithmen für gut befunden haben. Wer das nicht möchte, verwendet einen Newsreader und RSS.

Verzettelte Diskussionen

Noch zwei Beobachtungen zur App: Es gibt die Möglichkeit, Artikel in der App zu kommentieren. Diese Kommentare erscheinen aber nur im Microsoft-Universum, nicht aber auf der Ursprungs-Website. Das habe ich bei einer früheren Gelegenheit im Bezug auf die sozialen Medien bemängelt, weil sich die Diskussion auf diese Weise verzettelt.

Die App hat noch zwei weitere Funktionen:

  • Die Microsoft Rewards: Das ist eine Art Treueprogramm, bei dem es Punkte dafür gibt, dass wir Bing benutzen oder Edge zum Standard-Browser erheben. Microsoft findet anscheinend, dass eine Methode, die den Discountern dieser Welt recht ist, einem grossen Softwarekonzern nur billig sein kann. Mehr dazu gibt es im Beitrag Microsoft gibt den billigen Jakob.
  • Hintergrundbilder: Schöne Fotos, meist vom Bilderdienst Getty, die schon auf die Dimensionen des Handydisplays zugeschnitten sind. Sie direkt als Wallpaper einzurichten, ist beim iPhone nicht möglich; da müssen wir sie erst speichern und dann über die Einstellungen hinterlegen.
  • Die Apps: Das sind weitere Informationsfelder – und müssten darum eigentlich auch hier Widgets heissen; die Bezeichnung «App» ist hochgradig verwirrend. Es gibt Widgets für Webvideos (Ansehen), zu Covid-19, fürs Umrechnen von Einheiten, für Mathe, das Übersetzen und zur Umgebungssuche.

Fazit: Nicht völlig verkehrt, aber auch nicht das Nonplusultra für Wissensmenschen. Die App erspart es uns, uns durch die gängigen Newsportale zu klicken, doch die überraschenden, eindrücklichen und faszinierenden Lesestücke finden wir nicht. Für die empfehle ich weiterhin Blendle oder auch einen kuratierten Dienst wie Refind (Sieben tägliche Links für die Horizonterweiterung).

Beitragsbild: Wenn es nach Microsoft geht, müsste der sein Handy benutzen (Roman Kraft, Unsplash-Lizenz).

One thought on “Besser als Google, aber nicht brillant

  1. Ich mag den „neuen Tab“ in Firefox, in welchem seit einiger Zeit Artikel von Pocket erscheinen. Diese kann man kostenlos in ganzer Länge lesen. Die Interessen können nicht ausgewählt werden. Das empfinde ich als Vorteil, denn sonst hätte ich kaum den Artikel über Pestizide im Obstanbau im Südtirol gelesen und auch nicht das Rezept für spanischen Orangenkuchen.

    Die verlinkten Artikel stammen von seriösen Medien. Es ist kein Vergleich zur Startseite im Edge, auf welcher man in Bildstrecken erfährt, wie Promis früher ausgesehen haben, wie Fritz aus $Nachbarort über sein neues Hörgerät staunt und welche Verdienstmöglichkeiten sich mit Kryptowährungen bieten.

    Nachteil: Jeder neue Tab in Firefox birgt das Risiko, ein paar Minuten ungeplant in eine Lektüre vertieft zu sein.

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