Die Lensa-App (Android und iPhone/iPad) hat uns Ende 2022 einen richtig schönen Medienrummel beschert.
Um genau zu sein, war es eine einzige Funktion, nämlich die «magischen Avatare» (macig avatars). Die sind nicht unbedingt magisch bzw. zauberhaft, aber eindrücklich sind sie schon. Sie zeigen nämlich, was mit einem Text-zu-Bild Generator möglich ist, wenn man es mit eigenen Daten füttert.
Konkret funktioniert das bei Lensa so, dass wir ihr ein paar Selfies zur Verfügung stellen. Daraufhin erzeugt sie auf dem Server mittels Stable Diffusion ein individuelles Modell, woraufhin sie in der Lage ist, Bilder nicht mit generischen Figuren, sondern mit unserem Antlitz zu erzeugen. Sie tut das denn auch, indem sie uns als Astronaut, als Superheld, als Anime-Figur oder als tapferer Krieger darstellt.
Das allein hätte wohl noch nicht zu der ganz grossen medialen Aufmerksamkeit gereicht, die der App zuteilgeworden ist. Geholfen hat darüber hinaus zwei Umstände: Erstens, dass manche der Bilder, vor allem von Nutzerinnen, eine sexuelle Konnotation hatten. Zweitens gibt es rund um diese Bildgeneratoren ungeklärte Fragen zum Datenschutz und zum Urheberrecht.
Scheinheilige Kritik
Ich finde die Kritik wegen der sexualisierten Bilder etwas scheinheilig: Klar, es ist nicht zu leugnen, dass Frauen stärker betroffen sind als Männer. Aber bezüglich Sexismus spiegelt die App die realen, betrüblichen Verhältnisse im Internet. Und die Verwendung der App ist freiwillig. Erinnern wir uns ausserdem, wie schon Mani Matter sang, dass Kunst immer ein Risiko sei: Auch ein menschlicher Porträtist kann uns auf eine Weise abbilden, die uns nicht behagt.
Einen Einwand ist indes schwerer auszuräumen: Nämlich die Tatsache, dass die App nicht nur mit den eigenen Selfies, sondern auch mit fremden Bildern gefüttert werden kann. Das ist auf alle Fälle missbräuchlich, weil niemand gegen seinen Willen in solchen Posen abgebildet werden sollte. Doch ob KI oder nicht, dieser Fall ist durch das Recht am eigenen Bild hinlänglich abgedeckt.
Bildbearbeitung mit KIs Hilfe
Nun, an dieser Stelle soll es darum gehen, dass die Lensa-App mehr zu bieten hat als die magischen Avatare. Es handelt sich nämlich um eine Bildbearbeitungs-App, mit der sich auch vorhandene Fotos aufpeppen lassen. Sie ist nicht ganz so universell wie Photoshop, sondern spezialisiert sich auf die Foto-Verbesserung mittels künstlicher Intelligenz (oder vielmehr dem maschinellen Lernen).
Die App hält die folgenden Rubriken bereit:
Gesicht: Über diverse Regler werden die Personen in einem Foto verschönert: Wir können automatisch Augenringe reduzieren, Wimpern und Augenbrauen verbessern, die Lippenfarbe intensivieren, Nasen-, Lippen- und Augengrösse anpassen, Wangen verändern, das Gesicht heller machen, den Hautton modifizieren und die Haarfarbe auf virtuellem Weg ändern. Das sind alles Funktionen, die wir von der populären Facetune-App her kennen (Mach mich hübsch!).
Hintergrund: In dieser Rubrik können wir den Hintergrund dezent verändern, indem wir ihn künstlich unscharf rechnen oder mit einem Bokeh versehen. Es ist auch möglich, ihn zu löschen oder auszutauschen. Versteht sich von selbst, dass dank KI die Freistellung, d.h. die Trennung von Vorder- und Hintergrund, vollautomatisch stattfindet. Es kommt vor, dass die KI nicht alle Elemente des Bildes sauber trennt, woraufhin ein entsprechender Hinweis erfolgt.
Anpassung: Hier finden sich die klassischen Bildbearbeitungsfunktionen wie Belichtung, Weissabgleich, Kontrast, Sättigung, Schärfen, Vignette, Farbtemperatur, Farbton, Licht und Tiefen (in der App «Höhepunkte» und «Schatten» genannt), sowie Farbschattierungen und Teiltonungen. Der Knopf Automatische Einstellung nimmt eigenmächtig Verbesserungen vor, die bei meinen Tests gar nicht so schlecht sind. Da die App von sich aus eine Trennung von Vordergrund und Hintergrund vornimmt, lassen sich die separat bearbeiten: Eine Möglichkeit, die sich effektvoll einsetzen lässt.
Effekte für Vor- und Hintergrund
Effekte: Über diesen Bereich lassen sich Fotos nach dem Instagram-Prinzip mit speziellen Looks versehen. Der Clou ist, dass die wiederum auf der Trennung von Vordergrund und Hintergrund basieren und so deutlich plastischer und elaborierter wirken als das, was wir und von herkömmlichen Bildeffekten gewohnt sind. Und auch wenn die Looks von Lensa reichlich plakativ und oft wahnsinnig überzogen sind, gefallen sie mir gut. Leute, die bei ihren Fotos in die Vollen gehen, werden nicht enttäuscht.
Kunststile: Diese Stile funktionieren ähnlich wie die Effekte, haben aber meist eine noch abstrahierendere Wirkung und nehmen dem Bild Fotorealismus. Sie arbeiten mit Texturen, expressionistischen Farbkontrasten und können auch mit passenden Hintergründen ergänzt werden: Letzteres passiert durch langes Antippen eines Stils. Dann erscheinen die Einstellungen, über die die Intensität und einige weitere Parameter festgelegt werden.
Filter: Das sind subtile Farbvorgaben, wie wir sie bei klassischen Bildbearbeitungsprogrammen kennen.
Rahmen: Das fertige Werk lässt sich über diese Rubrik für ein bestimmtes Format zuschneiden und mit einer Umrandung versehen.
Eine Empfehlung wert
Fazit: Lensa ist mehr, als es der Hype erahnen lässt: Diese App sticht aus der Masse der Bildbearbeitungs-Apps hervor, weil sie eine schnelle und effektive Aufpeppung von Fotos und Selfies ermöglicht – vor allem dann, wenn wir es grell und exaltiert mögen. Darum: eine Empfehlung!
Natürlich will einem Lensa ein Abo andrehen. Das kostet 55 Franken pro Jahr oder 5.50 Franken pro Monat, was ich als zu teuer erachte, aber angesichts der innovativen Funktionen nicht als masslos übertrieben bezeichnen würde. Die Bedingungen für die Gratisnutzung sind fair: Wir dürfen drei Fotos pro Tag bearbeiten und Videos – die sich ebenfalls importieren lassen – werden mit Wasserzeichen exportiert.