In schöner Regelmässigkeit habe ich das Vergnügen, Leserinnen-Zuschriften zu bekommen. Nein, nicht von euch, die ihr dieses Blog hier lest: Ihr seid bemerkenswert schreibfaul. Ausser natürlich die Stammgäste in den Kommentarspalten, denen ich an dieser Stelle gern ein Dankeschön für ihre Rückmeldungen zukommen lasse.
Nein, die Zuschriften kommen aus den Reihen der Leserinnen und Leser der Tamedia-Titel. Seit 2015 und dem Ende der Kummerbox hat die Korrespondenz mengenmässig nachgelassen, aber sie ist nicht versiegt. Und ab und zu kommt es sogar vor, dass jemand aus der Leserschaft anruft. Ja: per Telefon! Auf meine Redaktions-Festnetz-Nummer!
Das ist neulich wieder einmal passiert. Eine Dame aus Bern war am Draht, die sich höflich als Leserin von «Der Bund» vorgestellt hat und mir ihr Anliegen schilderte: Sie war in einem Laden ihres Telekom-Anbieters, der Swisscom, wo man ihr gesagt hat, sie brauche ein neues iPhone, weil ihr altes «von Apple nicht mehr unterstützt» werde. Doch weil sie der Auskunft nicht so ganz getraut hat, wollte sie es genau wissen.
Zum Glück hat sie das gemacht – statt sich ein neues Mobiltelefon für Tausend Franken oder mehr aufschwatzen zu lassen. Denn was die Frau im Swisscom-Shop eigentlich hätte sagen müssen, war folgendes: «Sie brauchen nur dann ein neues Telefon, wenn Sie Wert auf die neueste Version des Betriebssystems legen. Ansonsten ist alles gut.»
Schon etwas älter, aber noch kein altes Eisen
Die Dame, die mich angerufen hat, verwendet ein iPhone 7. Das ist nicht mehr brandneu. Apple verkaufte es ab September 2016 und hat die Produktion 2019 eingestellt. Ich habe es seinerzeit auch benutzt und das uniforme Design bewundert, bei dem man bei dunklem Display nicht sagen kann, wo vorn und hinten ist.
Auf dem iPhone 7 läuft das aktuelle Betriebssystem, iOS 15.6. Aber wenn man bei Apple nachliest, braucht man für die im Herbst erscheinende Nachfolgeversion mindestens ein iPhone 8. Das iPhone 7 bleibt aussen vor.
Deswegen kann man natürlich nicht behaupten, das iPhone 7 werde von Apple «nicht mehr unterstützt». Apple hat dazu ein Dokument, das ich Leuten, die die Lebensdauer ihrer Geräte gern ausreizen, unbedingt zur Lektüre empfehle. Serviceleistungen für ein Apple-Produkt nach Ablauf der Garantie erhalten heisst es, und es hält klar fest:
Produkte werden als abgekündigt eingestuft, wenn Apple den Vertrieb für den Verkauf vor mehr als sieben Jahren eingestellt hat. (…) Apple stellt jeglichen Hardwareservice für abgekündigte Produkte ein, mit der einzigen Ausnahme von Mac-Notebooks, die für einen zusätzlichen Reparaturzeitraum nur für die Batterie qualifiziert sind. Service Provider können keine Ersatzteile für abgekündigte Produkte bestellen.
Wie oben erwähnt, hat Apple die Produktion des iPhone 7 im Jahr 2019 eingestellt. Die Leserin darf damit rechnen, dass ihr Telefon noch bis 2026 mit Service-Leistungen versorgt wird. In der Liste der «abgekündigten» Modelle (falls das ein deutsches Wort ist) findet sich das iPhone 4S von 2011 und seine Vorgänger.
Wann ist bei einer alten iOS-Version Schluss?
Apples Supportdokument bezieht sich auf den Hardware-Service. Aber entscheidender ist die Frage, wie lange Apple Sicherheits-Updates liefert, wenn nicht mehr die neueste Version des Betriebssystems installiert werden kann. Denn wie man nicht genug betonen kann, sollten keine internetfähigen Gerät benutzt werden, bei denen der Hersteller die Sicherheitslücken nicht mehr stopft.
Auf diese Frage habe ich keine allgemeingültige Antwort gefunden. Doch es lohnt sich, einen Blick ins Supportdokument Apple-Sicherheitsupdates zu werfen: Dort sieht man, dass noch im September 2021 ein Update für iOS 12.5 ausgeliefert wurde (iOS 12.5.5). Diese Version des Betriebssystems stammt von 2018 und ist die letzte Version fürs iPhone 5 und 5c.
Das deute ich so, dass man davon ausgehen kann, dass sich iOS-Versionen noch plus/minus fünf Jahre verwenden lassen, nachdem sie durch einen Nachfolger abgelöst wurden. Auch das passt zur Prognose, dass die «Bund»-Leserin ihr iPhone 7 noch bis ungefähr 2026 weiterverwenden darf.
Genau das hätte die Verkäuferin im Swisscom-Laden ihrer Kundin erklären sollen. Stattdessen hat sie ihr empfohlen, ein neues Gerät zu kaufen, weil «Apple das alte nicht mehr unterstütze».
Inkompetenz oder blanke Lüge?
Da ich diese Geschichte nur vom Hörensagen kenne, ist es müssig, darüber zu diskutieren, ob die Frau im Swisscom-Shop es nicht besser wusste oder ob sie des Umsatzes wegen absichtlich gelogen hat. Und ja: Auch wenn das Personal in diesen Telekom-Läden häufig so tut, als ob es unabhängig beraten würde, so hat es den Auftrag, Geräte und Mobilfunkverträge an den Mann und die Frau zu bringen – da sollte man sich keinen Illusionen hingeben.
Trotzdem: Wenn es Unwissenheit war, dann ist die Inkompetenz beim Swisscom-Shop-Personal erschreckend. Sollte es eine absichtliche Fehlinformation gewesen sein, dann wäre das schändlich: Der grösste Schweizer Telekom-Anbieter mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes sollte Abstand davon nehmen, achtzigjährige Frauen über den Ladentresen zu ziehen.
Randbemerkung: Ich finde nicht, dass derlei Fakenews bei einem jüngeren Kunden in Ordnung wären. Aber die haben meistens mehr Möglichkeiten, sich unabhängig zu informieren und sind im Umgang mit technischem Gerät (oft, aber nicht immer) selbstbewusster.
Noch mehr Verwirrung
Klar, vielleicht war es ein Einzelfall. Vielleicht auch nicht. Ich vermute auch deswegen eine Strategie, weil mir die «Bund»-Leserin noch mehr erzählt hat: Die Verkäuferin im Swisscom-Shop habe ihr gesagt, MMS werde abgeschaltet. Das stimmt, aber hat mit dem iPhone 7 nichts zu tun. Gehört das zur altbekannten Verkaufsstrategie, Kunden mit so vielen (oft irrelevanten) Informationen zu überhäufen, bis sie kapitulieren und sich vorbuchstabieren lassen, was das Beste für sie ist?
Ich habe die Leserin darüber aufgeklärt, dass sie auch mit ihrem alten Telefon natürlich auch ohne MMS Textnachrichten verschicken kann und für Fotos und Videos viele Ausweichmöglichkeiten hat: Threema kannte sie bereits, war sich aber nicht bewusst, dass sie den Messenger problemlos parallel zu der Nachrichten-App (iMessage) benutzen kann.
Also, liebe Swisscom: Es könnte sein, dass ich in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten mit einem alten Telefon in einen eurer Shops marschiere, ein paar Fragen stelle und gespannt bin, wie gut die Antworten sind, die ich darauf erhalte.
Beitragsbild: Hoffentlich sind die Sandwiches besser als die Beratung (Swisscom Media Centre).
Ähnliches habe ich auch schon erlebt. Senioren in der Bekanntschaft wurde im Shop ein neues Smartphone empfohlen, obwohl ihr Problem klar bei der Software lag.
Grundsätzlich erlebe ich die Leute im Swisscom-Shop aber als hilfsbereit und kompetent.
Ein Test (am besten bei allen Anbietern) ist aber sicher eine gute Idee. Interessant wäre auch, ob tatsächlich Senioren (oder Frauen) eher falsch beraten werden.
Zu Apple ist zu sagen, dass es unprofessionell ist, kein EOL bei den Betriebssystemen zu kommunizieren, sodass sich die Kunden auf Mutmassungen in Blogs und Foren verlassen müssen. Aber wie eine kurze Recherche ergeben hat, ist Google keinen Deut besser. Da muss man Microsoft ein Kränzchen winden: Die geben für jede Software ein EOL an und zwar von Anfang an. (Wobei das Konzept seit Windows 10 leider aufgeweicht wurde und sich immer nur auf den aktuellen Release bezieht.)
Ein berechtigter Einwand: Natürlich wenden sich die Leute nur dann an die Medien, wenn sie falsche Informationen bekommen haben – nicht dann, wenn sie rundum zufrieden sein dürfen. Darum kann ich hier auf keinen Fall Aussagen darüber treffen, wie die Qualität der Beratung im Allgemeinen ist.
Wobei es schon meiner Erfahrung entspricht, dass die Händler darauf geschult sind, einem immer noch etwas extra anzudrehen. Ich als Salt-Kunde muss mir bei jeder noch so banalen Frage noch einen Vortrag zum Glasfaser-Angebot anhören… 🙄
Inzwischen ist am 31.08.2022 noch ein Update für alte Geräte erschienen, iOS 12.5.6.