Ein Jahr Vegetarier

Vor einem Jahr habe ich hier im Blog öffentlich dem Fleisch abge­schwo­ren. Und jetzt interes­siert euch natürlich alle, ob ich durch­gehal­ten habe oder reu­mütig zum karni­voren Lebens­wandel zurück­gekehrt bin.

Vor einem Jahr habe ich hier im Blog berichtet, dass ich Vegetarier geworden bin. Ich habe erklärt, welche Gründe mich zu diesem Schritt bewogen haben. Und ich habe gelobt, hier im Blog Rechenschaft abzulegen – gleichgültig, ob ich meinen neuen Lebenswandel treu bleibe oder zur karnivoren Gewohnheiten zurückkehre.

Und ich hätte offen darüber berichtet, wenn ich gescheitert wäre. Gleichwohl ist meine Situation hier leichter und angenehmer: Ich habe nämlich einen Erfolg zu vermelden. Die neue Ernährungsweise ist mir leicht gefallen. Sogar viel leichter, als ich erwartet hätte. Es gab Momente der Versuchung. Aber sie waren selten und schnell vorbei. Sie traten dann auf, wenn ich für die Familie gekocht oder grilliert und es mit einem zischenden Hamburger oder Steak zu tun bekommen habe.

Ungleiche Verführungsqualitäten

Natürlich, an ein brutzelndes Stück Fleisch kommt bezüglich der verführerischen Qualitäten kein Gemüse und kein Planted Meat heran – weder akustisch noch optisch noch geruchlich.

Aber die Fleischeslust war nie so gross, dass ich mich nicht beherrschen konnte oder meine Konversion zum Vegetarismus infrage gestellt hätte. Im Gegenteil: Mein Körper hat mich umgehend wissen lassen, dass er die neue Ernährung goutiert und er überzeugt ist, dass sie mir besser entspricht. Wobei, eine kleine Sache soll nicht unerwähnt bleiben, allerdings auch nicht im Detail erläutert werden: Meine Verdauung hatte Anpassungsschwierigkeiten, die sich lange hingezogen haben. Und auch heute lässt sie sich leichter als früher aus dem Gleichgewicht bringen.

Also, um genau zu sein: Ich lebe nicht vegetarisch, sondern pescetarisch. Das heisst, dass ich ab und zu Fisch esse. Nur selten; einmal pro Woche und vor allem deswegen, um in Restaurants etwas mehr Auswahlfreiheit zu haben. Wenn man auf Wikipedia nachliest, dann erfährt man dort, dass das nach der strengen Auslegung der Lehre keine Variante des Vegetarismus ist. Das kann ich nachvollziehen, aber ich will explizit keine Religion aus meiner Ernährung machen und keine Haarspalterei betreiben. Darum bezeichne ich mich als Vegetarier, aber kann damit leben, wenn das von einem «orthodoxen» Vertreter in Abrede gestellt wird.

Irgendwann auch ohne Fisch

Wie auch immer: Ich kann mir gut vorstellen, den Fisch-Anteil weiter zu reduzieren; demnächst vielleicht sogar auf null. Da würde es helfen, wenn die vegetarischen Optionen in den Menükarten der Restaurants und an den Take-away-Theken noch reichhaltiger würden. Beim Migros immer nur eins von zwei Vegi-Sandwiches auswählen zu können, nervt auf Dauer.

Mit anderen Worten: Im Gastrobereich besteht Luft nach oben. Es hilft nicht, wenn die Migros den Rückwärtsgang einlegt und im hiesigen Migros-Restaurant (im Neuwiesenzentrum in Winterthur) die Vegi-Theke durch eine Burger-Bar ersetzt. Die Freude an einer bewussten und Klima-bewussten Ernährung hängt mit dem Angebot zusammen – denn niemand mag das Gefühl, ein Kunde zweiter Klasse zu sein.

Freude herrscht – aber die Freude ist getrübt

Trotzdem bleibt nach einem Jahr ein positives Fazit. Wobei die Freude darüber, den richtigen Entscheid getroffen zu haben, getrübt ist. Nämlich durch die Erkenntnis, dass ich ihn problemlos schon vor zehn, zwanzig oder dreissig Jahren hätte treffen können. Ich habe in dieser Zeit Fleisch gegessen, weil es in meiner Familie Tradition war – und weil ich diese Gewohnheit nie hinterfragt habe.

Darum ist mein Plädoyer hier nicht, Vegetarier oder meinetwegen Pescetarier zu werden. Sondern Ernährungs- und andere Gewohnheiten zu hinterfragen. Nur weil man es immer getan hat, heisst das nicht, dass es schon immer richtig war. Vielleicht war es von Anfang an falsch. Aber auch für solche Erkenntnisse gilt, dass man sie besser spät als nie hat …

Beitragsbild: Es geht auch ohne Tiere (Sharon Pittaway, Unsplash-Lizenz).

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