Ich wohne in einem Mietshaus mit Flachdach. Und natürlich fragt ihr euch an dieser Stelle, warum ich euch mit dieser Feststellung langweile und ob mir nun endgültig die Themen ausgegangen sind. Aber fällt euer Urteil nicht vorschnell: Ich will nämlich tatsächlich auf etwas hinaus.
Also, ich habe neulich unser Miethaus mithilfe von Google Maps von oben angeschaut und festgestellt, dass es auf dem besagten Flachdach etwas nicht gibt, das meines Erachtens dort hingehört: Solarzellen, nämlich: Fotovoltaik!
Es wäre an dieser Stelle Eulen nach Athen getragen, wenn ich zu Ausführungen über erneuerbare Energien ansetzen würde. Denn wer nicht unter einem Stein lebt, der weiss: Wenn wir die Energiewende schaffen und die kürzlich schon einmal erwähnten Pariser Klimaziele erreichen wollen, dann sollten wir keine Gelegenheit ungenutzt lassen, Energie auf umweltfreundliche Art und Weise zu erzeugen.
Darum wollte ich wissen, warum ich keine Solarzellen sehe. Da mein Vermieter, Regimo in Zürich, eine praktische App zur Kommunikation zwischen Verwaltung und Mieter anbietet (iPhone und Android), habe ich dort die Frage deponiert, ob die Installation einer Fotovoltaikanlage schon einmal in Erwägung gezogen worden ist.
Bislang hat mir mein Vermieter noch keine Antwort zukommen lassen. Doch mit zweimal Googeln bin ich auf einige Fakten gestossen, die sich zu einem klaren Bild verdichtet haben, was die Attraktivität von Solarzellen auf Miethäusern angeht.
Strom zu verkaufen, ist kein attraktives Geschäft
Also, mein erster Google-Halt erfolgte beim HEV, dem Hauseigentümerverband Schweiz. Hier heisst es:
Wer heute den selbst produzierten Strom ins Netz zurückspeisen muss, macht oftmals ein Verlustgeschäft. Selbst mit einer entrichteten Einmalvergütung bei der Erstellung der Anlage, reichen drei bis acht Rappen nicht aus, eine Photovoltaikanlage rentabel betreiben zu können.
Ein Besuch bei den Stadtwerken bestätigt, dass die Vergütung für selbstproduzierten Solarstrom nicht üppig ist: 9,75 Rappen gibt es für die Kilowattstunde im Hochtarif, 8,75 Rappen im Niedertarif.
Das ist ein bisschen mehr, als im HEV-Beitrag erwähnt, aber es leuchtet ein, dass das kein superattraktiver Anreiz ist. Mich hat interessiert, wie das in Deutschland ausschaut und bin habe diese Zahlen hier gefunden: Nach denen ging die Einspeisevergütung von 57,40 Eurocent im Jahr 2004 auf inzwischen 7,58 Eurocent zurück. Das ist quasi Schweizer Niveau; aber wenn man die Anlage vor fünf Jahren gebaut hätte (12,31 Eurocent 2016), hätte man sie sicherlich deutlich besser amortisieren können.
Nur lukrativ, wenn man den Solarstrom selbst braucht?
Ist der Schluss des HEV zwingend, dass die Fotovoltaikanlage vor allem dann interessant ist, wenn man den eigenen Strom selbst verbraucht? Nicht unbedingt, finde ich, zumal wenn man ein grünes Gewissen hat. Aber eines ist auf alle Fälle klar: Die Solarstromanlage amortisiert sich schneller, wenn man einen grossen Eigenbedarf hat und den selbst decken kann: Wenn man beispielsweise der Besitzer eines Teslas ist und ständig durch die Gegend düsen möchte.
Umgekehrt kann ein Haus mit sparsamen Mietern eine Fotovoltaikanlage nur schwer rechtfertigen. Dabei liegt es auf der Hand, dass gerade die Sparsamen einen Überschuss produzieren könnten, der der Gemeinschaft zugutekäme und ein kleines Puzzleteilchen bei der Energiewende sein würde.
Es drängt sich die Frage auf, ob die richtigen Anreize gesetzt werden. Oder ob es nicht doch sinnvoller wäre, den auf Wohnhäusern produzierte Solarstrom zumindest ein bisschen zu subventionieren: Wenn das Einspeisen im Vergleich zum Selbstverbrauchen attraktiver wäre, könnte man sich den ganzen nachfolgenden Heckmeck sparen.
Unser Haus produziert Strom, was die Rendite des Vermieters erhöht. Und ob wir Mieter viel oder wenig Strom verbrauchen und ob es der eigene oder fremder ist, spielt auch keine Rolle. Der entscheidende Punkt ist, dass eine für Solarzellen geeignete Fläche nicht ungenutzt brach liegt.
Es braucht ein Abrechnungssystem
Doch wenn man davon ausgeht, dass es lukrativ ist, den selbst produzierten Strom auch selbst zu verbrauchen, dann macht das die Sache sofort ungleich komplizierter. Man kann nicht den ganzen Strom, den die Anlage produziert, ins Stromnetz einspeisen. Man will in prioritär unter den Mietern verteilen, und dafür braucht es ein Abrechnungssystem und die passende Organisationsform.
Ich habe versucht, das zu durchdringen und hoffe, es einigermassen verstanden zu haben. Falls nicht, freue ich mich über die Aufklärung meiner Irrtümer via Kommentare.
Also, damit alles seine Richtigkeit hat, wird ein Strom produzierendes Mietshaus als Verteilnetzbetreiber (VNB) betrachtet. Dazu habe ich folgende Erklärung gefunden:
Ursprünglich war der Eigenverbrauch nur in einem zusammenhängenden Gebäude realisierbar. Dabei konnten sich Mieter oder Stockwerkeigentümer in einem Mehrfamilienhaus zu einer Eigenverbrauchsgemeinschaft (EVG) zusammenschliessen. Seit der 2018 in Kraft getretenen Revision des Energiegesetzes kann der Eigenverbrauch auch über mehrere benachbarte Grundstücke realisiert werden. Hierfür sind sogenannte Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) zu gründen. Das ZEV-Modell ist dabei umfassender definiert als die bisherige EVG – viele Verteilnetzbetreiber (VNB) haben daher die bisher bestehenden EVG-Modelle in die ZEV überführt.
Die Stadtwerken Winterthur beschreiben die beiden Modelle in diesem PDF:
EVG
Sie setzt sich aus Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie dem Produzenten oder der Produzentin zusammen. Letztere/-r betreibt oder besitzt die EEA (in der Regel Fotovoltaikanlage). Die Parteien werden zusammen als Teilnehmende der EVG bezeichnet. Alle Teilnehmenden einer EVG treten als einzelne Endverbraucher/-innen gegenüber Stadtwerk Winterthur auf. Das heisst, sie erhalten individuelle Abrechnungen, die den Eigenverbrauch berücksichtigen.
ZEV
Sie ist ein Zusammenschluss zwischen dem Eigentümer oder der Eigentümerin einer Energieerzeugungsanlage (EEA) sowie den Verbraucherinnen und Verbrauchern in einer oder mehreren Liegenschaften. Die Parteien treten im Gegensatz zu einer EVG als ein einziger Endkunde gegenüber Stadtwerk Winterthur auf. Ein ZEV darf lediglich einen Anschluss an das öffentliche Stromnetz haben. Somit ist eine Kabelverbindung zwischen den verschiedenen Verbrauchern und Verbraucherinnen eines ZEV notwendig.
Was ist besser und einfacher, fragt man sich? Ganz klar EVG, ist meine spontane Antwort: Zwar kompliziert, aber doch nicht ganz so kompliziert wie das ZEV.
Die weniger komplizierte von beiden Lösungen, ist doch klar! Oder?
Doch wie der Zufall es will, habe ich am 5. Mai im «Landboten» einen Leserbrief entdeckt, in dem Marcel Hablützel aus Winterthur zu einem anderen Schluss kommt. Zum EVG schreibt er:
Der selbst verbrauchte Solarstrom wird jedem Bezüger verrechnet und der Eigentümergemeinschaft gutgeschrieben. Dafür verlangt das Stadtwerk vier Franken pro Zähler und Monat. Bei uns wären das vier Rappen pro kWh selbst verbrauchter Solarstrom, mit Mehrwertsteuer sogar 5,7 Rappen. Das ist viel zu teuer. Die Industriellen Betriebe Kloten z. B. machen das gratis.
Also wenig attraktiv. Zum ZEV kommentiert er wie folgt:
Man hat nur noch einen Zähler vom Stadtwerk zu neun Franken pro Monat (statt 14 mal neun Franken), die anderen Zähler sind eigene. Diese werden von NeoVac über LoRa (Internet der Dinge von Swisscom) alle 15 Minuten abgefragt und jährlich über unsere Verwaltung abgerechnet. Auf der App von NeoVac kann jeder Bezüger jederzeit alle Verbrauchszahlen ansehen. So eine App habe ich beim Stadtwerk noch nicht gesehen. Mit dem Abrechnungsmodell EVG vom Stadtwerk wäre unsere Anlage in etwa 30 Jahre amortisiert, mit dem ZEV in etwa 13 Jahren. Klar liebt das Stadtwerk den ZEV nicht und behindert ihn sogar.
Ob die Unterstellung am Ende stimmt oder nicht, kann ich nicht beurteilen; aber auf alle Fälle wundere ich mich künftig etwas weniger, wenn ich bei Google Maps zufälligerweise unser Haus ansehe und mich frage, warum keine Solarzellen obendrauf sind …
Beitragsbild: So müsste es auch auf den Miethäusern aussehen (Pixabay, Pexels-Lizenz).