Jetzt könnte das Kontakt-Tracing eigentlich losgehen

Rückblick der Woche 21: iOS 13.5 ist da; Contact-Tracing-App gibt Daten weiter; Mark Zuckerberg ist ein grosser Freund des Homeoffice; Netflix beendet ungenutzte Abos

iOS 13.5 ist da

Apple hat diese Woche ein iPhone-Update veröffentlicht: iOS 13.5 integriert die Funktionen für die Covid-19-Kontaktverfolgung per Bluetooth ins Betriebssystem. Das Update ebnet den Weg für die Tracking-Apps der Gesundheitsbehörden. Wie in diesem Blog auch schon bedauert, geht es mit der Schweizer Tracing-App nicht so schnell vorwärts, wie es wünschenswert wäre. Aber immerhin weiss man inzwischen recht genau, wie die App aussehen wird (Paywall).

Aber ich konnte eine interessante Frage klären: Kann man (in den Einstellungen unter Datenschutz > Health), das Covid-19-Kontaktprotokoll einschalten, wenn keine Tracking-App installiert ist – sodass die Daten nach Installation auch rückwirkend ausgewertet werden können? Das ist aber leider nicht möglich.

Einen kleinen Twitter-Sturm im Wasserglas gab es um die Gesichtserkennung in iOS 13.5. Das Update «beschleunigt den Zugriff auf das Codefeld auf Geräten mit Face ID, falls eine Gesichtsmaske getragen wird». Das heisst, dass man seinen Code schneller eintippen kann, wenn die Gesichtserkennung wegen der Maske nicht funktioniert. Ich habe zur Verwirrung beigetragen, indem ich in meinem Tweet das nicht explizit klargemacht habe.

Das Kontaktprotokoll lässt sich erst einschalten, wenn auch eine passende App vorhanden ist.

Allerdings habe ich deswegen nicht mit den schulmeisterlichen Reaktionen gerechnet: Schliesslich ist es noch immer so, dass man Dinge auch dann testen darf, wenn sie nicht explizit in Apples Release-Informationen stehen. Die Frage, ob sich die Gesichtserkennung mit Schutzmaske verbessern lässt, ist relevant, weil sich viele Nutzer das derzeit wünschen.

Aber eben: Das ist grundsätzlich nicht möglich, weil die Gesichtserkennung dann nur noch anhand der Augenpartie erfolgen könnte, wenn Mund, Nase und Kinn verdeckt sind und die Gesichtskonturen nicht mehr vollständig ersichtlich ist. Das würde die Sicherheit über Gebühr schwächen und die Gefahr von False Positives massiv erhöhen.


Contact-Tracing-App gibt Daten weiter

Bei dieser Meldung kann man nicht anders, als tief zu seufzen und die Augen zu rollen. Ein Unternehmen hat die Contact-Tracing-App von North Dakota unter die Lupe genommen und zwei bemerkenswerte Dinge festgestellt:

Erstens teilt die App offenbar Standortdaten mit Foursquare. Das ist ein Checkin-Dienst, der noch immer einen gewissen Gruselfaktor hat.

Zweitens sei die App nicht wirklich anonym. Es gibt einen Code, der zwar für sich selbst nicht viel aussagt, der aber mit anderen Daten kombiniert an Foursquare und ein weiteres Unternehmen weitergegeben wird. Und wie wir alle wissen, haben Unternehmen mit grossen Datenbeständen Mittel und Wege, mit solchen Informationen auch eine anonyme Nummer einer Person zuzuordnen.

Pierre Valade, der Chef des Sicherheitsunternehmens, empfiehlt denn auch in einem Blogbeitrag, die App nicht zu installieren.

Muss man an dieser Stelle das Offensichtliche festhalten? Wenn man das Vertrauen in die Tracing-Apps erschüttern will, dann macht man es genauso. Dabei haben Google und Apple wirklich klargemacht, dass die COVID‑19 Exposure Notifications API die Anonymität der Nutzer gewährleisten müssen, kein geografisches Tracking erfolgen soll und keine Daten an Dritte weitergegeben werden dürfen.


Mark Zuckerberg ist ein grosser Freund des Homeoffice

Gestern ist mir Mark Zuckerbergs länglicher Facebook-Post begegnet, in dem er schreibt, dass innert fünf bis zehn Jahren die Hälfte der Belegschaft im Homeoffice arbeiten werde. Das geht nicht ohne ein bisschen Prahlerei ab:

Ich denke, dass Facebook jenes Unternehmen ist, das in unserer Liga am besten auf die zukünftige Fernarbeit ausgerichtet ist. Wir haben einen durchdachten und verantwortungsvollen Plan ausgearbeitet, um dies zu erreichen.

Abgesehen davon glaube ich, dass Facebook kein Vorreiter sein wird, sondern dass das sehr viele Unternehmen auch so sehen. Der Schweizer «Beobachter» hat neulich in einem launigen Artikel geschrieben, Grossraumbüros seien des Teufels und gehörten sofort abgeschafft:

Denn so klug die Idee einst schien, ist sie längst als Unfug entlarvt. Selbst der Erfinder des Grossraumbüros, der US-Designer Robert Probst, entschuldigte sich vor seinem Tod im Jahr 2000 für die «kahlen Rattenlöcher, in die Menschen hineingestopft werden».

Aber niemand erwartet, dass wir zu den Einer- und Zweierbüros der guten alten Zeit zurückkehren werden, oder? Heimarbeit wird zunehmen – und sicherlich auch Coworking-Arbeitsformen.

Und noch ein Tipp an Mark Zuckerberg: Facebook ist für kurze Beiträge ausgelegt. Lange Postings sind mühsam zu lesen, also fasse dich kürzer oder richte dir ein schönes WordPress-Blog mit einem angenehmen Theme ein.


Netflix beendet ungenutzte Abos

Seit dem 18. Mai verschickt Netflix offenbar Mails an Leute, die Netflix abonniert haben, aber nicht nutzen. «The Verge» schreibt, die Benachrichtigungen würden an Leute verschickt, die seit zwei Jahren oder länger nichts mehr geschaut haben. Das sind offenbar weniger als ein halbes Prozent – was bei 183 Millionen Kunden aber doch ein paar Hunderttausend Leute ergibt, denen Monat für Monat mindestens 9 US-Dollar via Kreditkarte abgebucht werden.

Es gibt zu dieser Massnahme auch einen Beitrag im Pressebereich von Netflix: «Das letzte, was wir wollen, ist, dass die Leute für etwas zahlen, was sie nicht nutzen», schreibt Entwicklungschef Eddy Wu. Er erklärt auch, was passiert, wenn die Leute nicht aufs Mail reagieren: Dann beendet Netflix die Mitgliedschaft.

Mein erster Impuls: Sympathisch von Netflix – andere Unternehmen würden das Geld stillschweigend einstreichen, bis die Kreditkarte nicht mehr gültig ist.

Wie ich etwas länger darüber nachdenke, komme ich aber zum Schluss, dass zwei Jahre eine verflixt lange Zeit ist: Da hat jemand mindestens 240 US-Dollar für nichts bezahlt. Eine wirklich konsumentenfreundliche Lösung würde so aussehen, dass die Abogebühr überhaupt nur dann fällig wird, wenn man mindestens einmal pro Monat Netflix einschaltet.


Libratone ist insolvent

Eine schlechte Nachricht gibt es vom dänischen Hersteller Libratone. Er ist, falls mein Dänisch (bzw. Google Translate) mich nicht im Stich lässt, insolvent. Das schreibt finans.dk.

Wir verwenden Seit fünf Jahren ein Libratone Zipp, das noch immer bestens seinen Dienst erfüllt (Der Musikkübel). Bei vernetzten Geräten bleibt die bange Frage, ob das auch so bleiben wird, wenn der Hersteller endgültig von der Bildfläche verschwinden sollte: Lässt sich das Gerät dann noch sicher benutzen? Kann es neu installiert werden, wenn das nötig sein sollte, oder braucht es dafür einen Server des Herstellers?

Interessant auch, dass viele Online-Hersteller (zum Beispiel Brack.ch, conrad.ch, digitec.ch) die Produkte weiterhin anbieten. Ob sie auch allfällige Lagerbestände noch verkaufen würden, habe ich nicht ausprobiert. Aber sonderlich kundenfreundlich wäre es nicht.

Beitragsbild: Screenshot aus dem Youtube-Video zur Schweizer Tracing-App Next Step.

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