Baby steps oder Riesenschritte?

Was ist besser: Eine Software in Meilensteinen, also in sporadischen grossen Updates weiterzuentwickeln oder stattdessen kontinuierlich viele kleine Updates zu liefern? Ich diskutiere das anhand des Mai-2019-Update von Windows 10 (Version 1903, 19H1, Build 18362).

Ja, irgendwie vermisse ich sie ein bisschen: Die grossen Meilensteine der Software-Entwicklung. Die Momente, wo die Versionsnummer vor dem Punkt hochgezählt wird. Da konnte man dem Veröffentlichungszeitpunkt mit Freude entgegensehen. Oder mit Bangen. Was, mein Windows wird nun nicht mehr aussehen wie eine plattgefahrene Plastikente (Windows XP), sondern wie ein Bahnhofs-WC hinter einer Milchglasscheibe (Windows Vista)?

Ui, meine Textverarbeitung macht sich ein Bändchen ins Haar (Der Ribbon bei Office 2007)? Etc., ihr erinnert euch vielleicht auch. Das gab Gesprächsstoff vorher und Erklärungsbedarf hinterher. Und mitten im Auge des Sturms vielleicht sogar eine Presseveranstaltung, bei der wir Journis kostenlos belegte Brötchen und Weisswein abstauben konnten.

Ständig gibt es etwas Neues

Aber eben. Neuerdings werden uns seit Windows 10 und Office 365 kontinuierlich verabreicht und sind ständig ein Thema. Respektive fast gar nicht mehr. Das hat unweigerlich Vorteile, die die Verfechter dieser Methode mit der Vokabel Agilität subsumieren. Manche Nutzer schätzen es, weil es immer mal wieder etwas Neues zu entdecken gibt.

Und Leute wie ich sind zwiegespalten. Einerseits sind die Neuerungen oft nicht so spektakulär, dass sich eine grosse Berichterstattung überhaupt rechtfertigen würde. Damit fallen die Gelegenheiten für Standortbestimmungen und grosse Erklärstücke weg.

Aber vor allem wird es für weniger geübte Nutzer schwierig, sich überhaupt noch zurechtzufinden. Wenn die Einstellungen bei Windows 10 nach einem Update plötzlich umsortiert daherkommen, dann ist das im harmlosesten Fall bloss lästig. Es kann aber auch sein, dass es jemanden daran hindert, vernünftig mit seinem digitalen Werkzeug zu arbeiten und das zu tun, was er eigentlich tun wollte.

Softwarekonzerne könnten sich mehr Mühe geben

Die Softwarekonzerne könnten das zumindest abfedern: Indem sie Hilfestellung bieten, wenn sich etwas geändert hat. Nützlich wäre aufzuzeigen, wohin eine Funktion gewandert ist, wenn sie nicht mehr an der gewohnten Stelle zu finden ist. Und man könnte sich auch die Mühe machen zu erklären, warum eine Änderung vorgenommen wurde. Aber nein, da stellt man sich lieber auf den Standpunkt, dass die Leute das irgendwie schon selbst herausfinden werden. Gibt ja genügend Erklärvideos bei Youtube.

Doch wie im Beitrag Die Arroganz der Softwarehersteller ist es den Softwareherstellern inzwischen schon zu anstregend, überhaupt eine vernünftige Hilfe für ihre Produkte anzubieten. Das ist bedauerlich, aber immerhin auch eine Chance für Leute wie mich, die dann Wissenslücken schliessen.

Genügend Fleisch am Knochen für ein Video

Immerhin gab es beim jüngsten Update ausreichend Rechtfertigung für ein Video und eine Berichterstattung. Beim Mai-2019-Update von Windows 10 (1903) hat nämlich wieder einmal nicht alles geklappt. Siehe: Es bluescreent mal wieder. Und da sind schon die Warnungen Grund genug für die mediale Begleitung.

Und immerhin gibt es mit der neuen Einstellung zur Steuerung der Software-Bezugsquellen (Auch Windows macht jetzt einen auf Nanny) eine diskussionswürdige Neuerung.


Windows wird immer besser – nur zuverlässiger nicht

Aber vielleicht wird uns Microsoft bald eine grosse Gelegenheit liefern, ausführlich zum Thema Betriebssystem zu berichten. Angeblich ist ein neues Betriebssystem in Arbeit, wie Medien wie «The Verge» aufgeschnappt haben wollen: Microsoft hints at new modern Windows OS with ‘invisible’ background updates.

Das moderne Betriebssystem werde z.B. Updates unbemerkt im Hintergrund installieren – was die hier disktuierten Probleme dann noch akuter macht. Und weil im entsprechenden Abschnitt des Blogposts kein einziges Mal von Windows die Rede ist, spekulieren Medien wie «The Verge» schon darüber, ob dieses Betriebssystem überhaupt noch Windows sein wird.

Microsoft wird sich nicht von der Marke Windows trennen

Scheint mir müssig: Denn Windows entwickelt sich weiter, ganz egal, ob das nun in vielen kleinen oder in wenigen grossen Schritten passiert. Und der Name ist bei diesem Prozess kein komplett irrelevanter, aber doch ein nachgelagerter Aspekt, bei dem es um mehr um Marketing und weniger um Technik geht. Ich glaube übrigens nicht, dass sich Microsoft von der Marke Windows trennen wird, selbst wenn eine radikal andere Version des Systems anzupreisen wäre.

Beitragsbild: … und da verschwindet es hinter dem Horizont (Pexels/Pixabay, Pixabay-Lizenz).

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