Wenn schon klauen, dann bitte mit Charme

Mal die Seite wechseln: Ich habe mich als Urheber­rechts­troll betätigt und einen Youtuber angeschwärzt, der eines meiner Videos 1:1 neu hoch­ge­la­den hat.

Mit einem reichlich schlechten Gewissen vermelde ich: Ich habe mich neulich als Urheberrechtstroll betätigt. Anlass war mein Interview mit Richard Stallman, das jemand von Youtube herunter- und 1:1 unter seinem Account nochmals veröffentlicht hat. Ich habe also auf den Melden-Link geklickt, angegeben, dass mein Urheberrecht verletzt wird und abgewartet, was passiert.

Yep.

Bemerkenswert ist dabei, dass Youtube einen bei einer solchen Copyright Complaint Submission diverse Dinge abnicken lässt. Man muss bekräftigen, dass einem «bekannt ist, dass die wissentliche Falschbeschuldigung einer Urheberrechtsverletzung rechtliche Folgen nach sich ziehen kann». Und dass man «weiss, dass der Missbrauch der Meldefunktion zur Kündigung meines YouTube-Kontos führt».

Kein Schindluder mit dem Melde-Knopf

Youtube will vermeiden, dass man mit den Melden-Knopf für Schindluder benutzt. Was durchaus einleuchtend ist – denn bei mehr als einer Milliarde Nutzer ergeben schon Missbrauchsfälle im Promillebereich in absoluten Zahlen gigantisch viele potenzielle Streitfälle. Kein Wunder, dass sich Youtube und Google versuchen, möglichst viele Fälle via Youtube-Content-ID vom Hals zu halten. Und Nutzer rauswerfen, die andere leichtfertig oder aus Schabernack beschuldigen.

Man muss ausserdem bestätigen, dass man sich bereithält, seinen Vorwurf ggf. mit zusätzlichen Unterlagen zu untermauern. Diese Dinge muss man, so wird einem klargemacht, relativ zügig beibringen, weil einem sonst ebenfalls das Konto gelöscht wird. Also, liebe Kinder: Ihr müsst es ernst meinen, wenn ihr ein Youtube-Video zum Verschwinden bringen wollt.

Es ging ruckzuck

In meinem Fall verlief das Prozedere schnell und ohne weitere Nachfragen. Klar, denn wenn ein Video in identischer Form ein zweites Mal hochgeladen wird, lässt das keine Fragen offen. Ausser der vielleicht: Ist es eventuell scheinheilig, wenn ich sonst immer gegen restriktive Auslegungen des Urheberrechts anpredige, um dann bei der erstbesten Gelegenheit selbst diese Keule zu schwingen?

Antwort: Einerseits bin ich ein gebranntes Kind, das schon schlechte Erfahrungen mit geklauten Inhalten gemacht hat. Andererseits finde ich es unoriginell, ein Video 1:1 nochmals hochzuladen. Es bringt nichts, wenn das gleiche Video zweimal bei Youtube vorhanden ist. Ausser, dass es mich Werbeeinnahmen kostet. (Die eh nicht üppig sind.) Wenn jemand mit dem Video sonstwas tut, beispielsweise einen Zusammenschnitt anfertigt wie diese 5-Minuten-Version hier, dann hat er meinen Segen.

2 Kommentare zu «Wenn schon klauen, dann bitte mit Charme»

  1. In der Praxis sind bei falschen Copyright Complaints normalerweise keine Folgen zu befürchten – das bildet die Grundlage für den weitverbreiteten Copyfraud bei Youtube. Anders sieht es bei den abgemahnten Youtube-Nutzern aus, die tatsächlich risikieren, ihr Konto zu verlieren … relevant sind insbesondere jene (bisweilen nur scheinbaren) Rechteinhaber, die mittels «Content ID» direkten Zugang zu Youtube haben. Es ist klar, dass ein vollautomatisches Löschverfahren, das nur auf Behauptungen basiert, zum Missbrauch einlädt. Rechtliche Differenzierungen, wie sie im komplexen Urheberrecht fast immer notwendig sind, finden keine Berücksichtigung. In der Schweiz soll es übrigens im Rahmen der URG-Revision auch eingeführt werden …

    Nebenbei: Welche Rechte hast Du diesbezüglich eigentlich der Tamedia eingeräumt?

  2. Zu den Videos habe ich keine gesonderte Vereinbarung mit der Tamedia. Ich würde einfach mal die gleichen Regeln anwenden, die für Text gelten: Bei den Texten, die ich als Festangestellter schreibe, hat die Tamedia die Rechte. Diejenigen, die ich als Freier produziere, dürfen Tamedia und ich jeweils nutzen. Das Stallman-Video habe ich in meiner Freizeit und mit meinem Privat-Equipment produziert, daher betrachte ich das als mein alleiniges Werk.

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