Hallo Zukunft!

Wir leben in der Zukunft. Das ist die unausweichliche Erkenntnis, wenn ich mich daran zurückerinnere, wie das Leben in den 1970er- und 1980er-Jahre im Zürcher Hinterland war.

In diesem Jahr hatte ich immer mal wieder diese Stimme im Kopf: Juhuu, wir leben in der Zukunft!, schreit diese Stimme. Stimmen zu hören, ist normalerweise kein gutes Zeichen. Aber in dem Fall auch kein Grund, sich selbst einzuweisen. Es geht nämlich auch anderen so. Der Listicles-King Buzzfeed beweist es in der für ihn typischen plakativ-oberflächlichen Art im Beitrag 22 Pictures That Prove That 2014 Is The Damn Future.

Diese Kompaktkassette hat irgendwie bis heute überlebt.

Ich erinnere mich vage, wie ich in der Primarschule einmal einen Aufsatz darüber schreiben musste, wie ich mir das Leben im Jahr 2000 vorstelle. Ich habe sicherlich über fliegende Autos und solchen Quatsch geschrieben. Aber ich bilde mir ein, auch das Internet vorweggenommen zu haben. Nicht nur das Internet, sondern (hört, hört!) das Internet der Dinge. Oder zumindest das Prinzip der Nachrichten-Pushes. Und da ich meinen Aufsatz auch nach diversen Suchaktionen nicht aufgestöbert habe, kann mir nun auch niemand das Gegenteil beweisen!

Glotzenfreie Zone

Damals gab es sechs Fernsehsender, die die meisten Leute in Schwarzweiss empfingen. Bei mir zu Hause war glotzenfreie Zone, weswegen ich mich eh immer bei einem meiner Schulkollegen einladen musste, wenn ich mir eine meiner Lieblingsserien reinziehen wollte (nämlich Wickie und die starken Männer und später, hört, hört!, Captain Future).

Da kam einmal pro Woche eine neue Folge. Und weil unsere Eltern damals der festen Überzeugung waren, dass der übermässige Gebrauch der Bildröhre viereckige Augen verursacht, war nix mit Binge Watching. Die Glotze wurde, wie Peter Lustig das damals in höchst miesepetriger Weise empfohlen hat, immer gleich nach dem Ende des zum Konsum freigegebenen Programms abgeschaltet.

An den anderen Medienfronten sah es genauso düster aus. Meine Lieblingsmusik kam ab Kassetten, die wir selbst aufgenommen haben («Hoffentlich quatscht der Moderator nicht rein!»/«Wenn bloss nicht vorzeitig ausgeblendet wird!»). Ab und zu konnte ich mir eine Platte oder ein Kassettli leisten, wobei ich mich dann doch nie entscheiden konnte.

Die Qual der Wahl im Plattenladen

Wie findet man im Plattenladen jenes Exemplar, das einem gut genug gefällt, um es die nächsten drei oder vier Monate nonstop zu ertragen? Das Schlimmste waren die Platten, die man wegen eines tollen Hits gekauft hatte, und die daneben nur Müll zu bieten hatte.

Die «Comet», das Raumschiff aus «Captain Future».

Und die Bücher… da hatte man das zur Auswahl, was die Bibliothekarinnen auf dem Lande für gute Jugendliteratur hielten. Ich will ihnen nicht zu nahe treten – meine Grossmutter war schliesslich lange Jahre eine von ihnen. Doch es ist keine Beleidigung, wenn ich sage, dass Sciencefiction oder Fantasy nicht zu ihren bevorzugten Genres gehörten.

So habe ich Karl May gelesen – der mich damals auch beeindruckt hat. Obwohl mir das Gefasel über religiöse Erweckungsmomente und der rassistische Bullshit über Schwarze und «Mulatten» damals gehörig auf den Wecker ging. Da hätte ich mich wirklich besser Heinlein oder Tolkien zugewandt. (Wobei ich mich erinnere, als 14-Jähriger mit «Herr der Ringe» angefangen zu haben und wenig begeistert gewesen zu sein. Das endlose Gelatsche durch Mittelerde empfand ich einfach nur als langweilig.)

Btw: Bill Gates Vision ist heute Realität

Heute haben wir Information at our fingertips (Bill Gates’ Vision aus den 90er-Jahren). Und wir haben alle Inhalte, die wir uns nur wünschen können, jederzeit abrufbereit. Natürlich motzen wir darüber, dass das Angebot bei Netflix noch viel zu dünn und dürftig ist. Aber wenn ich mit dem iPad Mini oder dem iPhone in der Badewanne liege und mich frage, für welchen Titel ich mich denn nun entscheiden könnte – dann denke ich, dass mein jüngeres Selbst, das einmal pro Woche «Wickie» sehen durfte, das schon verdammt geil fände… nein halt. «Geil» hat man damals noch nicht gesagt. Er würde es wahnsinnig lässig finden und es kaum abwarten können, alt zu sein.

Und ja… so langsam löse ich mich vom damals erworbenen Drang, Medien zu «besitzen», um sie autonom geniessen zu können. Ich habe 2014 jegliche Lust verloren, Zeit in meine iTunes-Library zu investieren. Nach dem Ende der CD-Sammelei war das umso wichtiger geworden: Die richtigen Titel und guten Playlists – das musste einfach sein. Doch heute läuft Spotify. Den Bluray-Player habe ich seit unserem Umzug im September noch nicht einmal angeschlossen. Und Bücher irgendwo zu horten, muss auch nicht mehr sein. Die sind in der Cloud verflixt gut aufgehoben.

Natürlich – ab und zu holt es mich wieder ein, das Bedürfnis, meine Lieblingsmedien für den Fall des Internetzusammenbruchs in direkter Reichweite zu haben. Dann investiere ich doch wieder etwas in meine Offline-Mediathek. Wie letzte Woche durch den Kauf von Eddie Vedders grossartigem Soundtrack für «Into the Wild» (einem Film, den wir auf Netflix entdeckt haben). Aber auch diese Impulse werden sich legen, nehme ich an.

Hallo Zukunft! Schön, dass du endlich da bist.

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