Wenn Leute während des Laufens aufs Handy glotzen oder einen Klingelton eingestellt haben, gegen den Crazy Frog wie ein braves Rehlein wirkt, ist mir das nahezu gleichgültig. Zumindest, wenn sie nicht in mich reinrempeln und mit ihren akustischen Duftmarken keine epileptischen Anfälle auslösen. Aber eine Sache gibt es doch, die mich innert Sekunden in einen alten Grantler verwandelt, der sich bemüssigt fühlt darauf hinzuweisen, dass es «so etwas früher nicht gegeben hätte»:

Denn früher wussten wir, wie man sich ein Telefon an den Kopf hält. Diese Sache, die mich aufregt, nennt sich «waagrechtes Telefonieren» – es ist aber zum Glück bisher nicht so weitverbreitet, dass diese Bezeichnung schon im Duden stünde. Jedenfalls halten sich Leute ihr Mobiltelefon nicht ans Ohr, sondern vom Gesicht wegstehend in die Luft vor sich. Und man fragt sich: Wer würde freiwillig auf eine so demonstrative Weise darauf hinweisen wollen, dass er den korrekten Gebrauch eines simplen Geräts wie eines Mobiltelefons in seiner ursprünglichen Funktion als Fernsprechapparat nicht begriffen hat?
Sind das alles Ignoranten?
An dieser Stelle könnte dieser Post die mit «Tirade» beschriftete Abzweigung nehmen. Aber mein Blogger-Instinkt sagt mir, dass ich damit eine Chance vergeben würde. Steckt vielleicht mehr dahinter? Eine Form des Protests vielleicht? Eine Art kultureller Strömung? Als manche Jugendlichen in den 1990ern die Hosen verkehrt herum trugen, war die Albernheit natürlich Teil des Konzepts – so wie immer, wenn «die Jungen» etwas tun, damit «die Alten» sich darüber aufregen.
Doch leider nein. Ein Artikel des zu «Bild» gehörenden Magazins «Techbook» ging dem waagrechten Telefonieren nach, als es 2016 aufkam. Zwar haben die Jungen damit angefangen, weil die – so sagt es Zukunftsforscher Eike Wenzel im Artikel – überhaupt nicht damit vertraut waren, sich einen Hörer ans Ohr zu halten. Aber die Alten haben das nicht wie unsere bunten Irokesen-Frisuren damals oder meine langen Haare nicht abgelehnt, sondern selbst damit angefangen.
Na klar!
Im Artikel wird behauptet, die Klangqualität sei auf diese Weise besser. Theoretisch möglich, weil direkter auf die Membran des Mikrofons gesprochen wird. Kann sein. Aber viel einleuchtender finde ich die Begründung, die ich in einem Forum gelesen habe: Eine Person sagte, sie wolle einfach ihr Make-up nicht aufs Telefon schmieren.
Klar, logisch. Und auch Menschen, die kein Make-up tragen, mögen es vielleicht einfach nicht, sich das Gerät gegen die Backe zu drücken. Es ist unbestreitbar, dass es sich dort flach und hart anfühlt. Ein Telefonhörer orientiert sich an der Antomie des Kopfs. Doch das Smartphone muss gut in die Tasche passen und als mobiler Bildschirm überzeugen. Es ist eine Tatsache, dass der Schritt vom klassischen Mobiltelefon zum Smartphone zwar eine Revolution war, doch beim Komfort einen Rückschritt bedeutet.
Man hält ja auch nicht die Backe auf den WC-Sitz
Es kommen weitere Faktoren hinzu: Presseartikel, wonach sich auf einem Handydisplay 84-mal mehr Bakterien tummeln als auf einem Toilettensitz. Manche Menschen haben Angst vor Elektrosmog – meines Erachtens unberechtigterweise, aber wenn die Strahlen als bedrohlich wahrgenommen werden, ergibt das waagrechte Telefonieren Sinn. Und einen Punkt mag ich selbst auch nicht: Wenn ich das Telefon vor dem Anruf in Gebrauch hatte und es dabei so richtig warm geworden ist, dann stört mich der heisse Klotz an der Wange auch.
Als «Pizza Phone» verwende ich es dann trotzdem nicht. Stattdessen klaube ich die Ohrstöpsel aus dem Hosensack. Mit denen lässt es sich bequem telefonieren, und zwar mit völlig freien Händen. Womit wir an den Punkt wären, an dem sogar meine Toleranz endet: Wenn ich nämlich Leute sehe, die waagrecht telefonieren, obwohl sie fette Kopfhörer auf dem Schädel tragen, die nicht nur den Gesprächspartner hörbar machen, sondern auch tolle eingebaute Mikrofone haben. Wtf!
Beitragsbild: Wir Alten wissen noch, wie es geht (Jayson Hinrichsen, Unsplash-Lizenz).
Auch ein spannendes Thema: wer meldet sich noch mit Nachnamen?
Ich melde mich nicht bei unterdrückter Nummer, bei ausländischer Nummer, bei mir unbekannter Nummer.
Und dann auch nur mit: „Hallo“.
Wenn ich mich bei Jugendlichen so umhöre, nimmt man Anrufe von unbekannten Nummern nicht entgegen. So weit gehe ich nicht, aber Anrufe mit unterdrückter Nummer habe ich gesperrt. Ich öffne auch keinem maskierten Mann die Haustüre.
@Matthias das sieht immer aus, als würde jemand ein Butterbrot essen. 😄