Deepseek, ihr erinnert euch vielleicht noch? Das ist das chinesische Sprachmodell, das ähnlich leistungsfähig ist wie die westliche Konkurrenz, jedoch Ressourcen so effizient nutzt, dass viele der Investoren bei Nvidia zumindest zwischenzeitlich kalte Füsse bekamen und man das als Kampfansage von China an den Westen verstehen muss.
Eine Eigenschaft dieses Sprachmodells besteht darin, dass man ihm seine Herkunft unter Umständen anmerkt. Es gibt keine Auskunft zu Themen, die nach der Lesart der chinesischen Regierung als heikel gelten. Dazu zählen die Menschenrechte in China, die Unterdrückung der Uiguren, das Tian’anmen-Massaker und Kritik am Sozialkredit-System.
Es gab deswegen viel Kritik und Warnungen vor Deepseek. Einleuchtend – doch nach längerem Nachdenken¹ bin ich zum Schluss gekommen, dass das erstens nichts bringt und zweitens eine vertane Chance wäre. Stattdessen mache ich hier etwas anderes – ich präsentiere euch eine neue Rubrik: Sie heisst KI-Weltanschauungen. Die Idee ist, zu einer bestimmten Frage Antworten von mehreren Modellen einzuholen, die zu vergleichen und zu bewerten. Probieren wir das doch aus – und zwar mit ein bisschen Kapitalismuskritik.
Die Frage lautet wie folgt: Ist es nicht ironisch, dass Dagobert Duck als Parodie bzw. Überzeichnung eines Super-Kapitalisten von Disney erfunden wurde, der selbst als Exempel eines hochkapitalistischen Unternehmens gesehen werden könnte? Urteile kritisch und prägnant!
Das Resultat fällt nicht so klar aus, wie erhofft. Trotzdem: Wenn wir genau hinsehen, lassen sich weltanschauliche Unterschiede feststellen. Und es gelingt uns, eine Unterscheidung zu treffen: In KIs, die Dagobert Duck zumindest in Ansätzen verteidigen – und in solche, die ihn als Symbol des exzessiven Kapitalismus sehen.
1) Dagoberts Gegner: Deepseek

Deepseek wird den Erwartungen auf alle Fälle gerecht. Die chinesische KI urteilt am härtesten² über Disney, mit Formulierungen wie «kapitalistische Exzesse und Gier», «marktbeherrschender Stellung», «aggressive Geschäftspraktiken» und «Doppelmoral». Das Verdickt ist vernichtend: Es sei keine echte Selbstkritik, sondern vielmehr die «die Vereinnahmung von Kritik zur Unterhaltung und Profitmaximierung».
2) Dagoberts Verteidiger: Claude, Gemini, Le Chat – und vor allem Grok
Zu den Verteidigern Dagobert Ducks zählen auf der anderen Seite vor allem Claude³. Er verdammt die Ente nicht in Bausch und Bogen, sondern streicht ihre positiven Eigenschaften wie «Fleiss, Ehrlichkeit und Familiensinn» hervor. Und die überträgt diese KI auch auf den Schöpfer und sein «eigenes Selbstbild als ‹ehrbarer Kapitalist›».
Auch Google Gemini bemüht sich um Differenzierung und schafft es, Dagobert auch positive Seiten abzugewinnen⁴: Die reiche Ente werde «für ihre Geschäftstüchtigkeit und ihren Erfolg gefeiert, was eine positive Sicht auf kapitalistische Werte impliziert». Er «verkörpert den amerikanischen Traum vom Aufstieg, aber auch die Gefahren des ungezügelten Kapitalismus». Und: Er ist «das Spiegelbild der Widersprüche und Ambivalenzen unserer Gesellschaft».
Zwei Nachträge vom 17. und 21. Februar 2025: Ich habe diesen Prompt auch den zwei Sprachmodellen vorgesetzt, die nach der Veröffentlichung dieses Blogposts erschienen sind, nämlich Le Chat von Mistral und Grok von X. Beide verorten sich demnach im Pro-Duck-Disney-Lager:
- Le Chat von Mistral findet in einer differenzierten Analyse Argumente für Disney und Dagobert Duck.
- Am klarsten positioniert sich Grok in seiner Deepsearch-Analyse: «Dagoberts Charakter zeigt Konsistenz, nicht Widerspruch»
3) Die neutralen: ChatGPT und Perplexitiy
Es erstaunt nun, dass es auch zwei westliche KIs gibt, die meine Suggestivfrage schlucken und nichts oder wenig tun, um Dagobert Duck zu verteidigen – aber ihn auch nicht in die Pfanne hauen, wie Deepseek. Ich werte das als Versuch um Neutralität.
In diese Kategorie fällt ChatGPT⁵. Das Sprachmodell von OpenAI attestiert der Marke Disney immerhin «Brillanz», aber auch Widersprüchlichkeit.
Das gilt auch für Perplexity⁶: Dieser Bot spricht von «Faszination» und der «Kritik an kapitalistischen Idealen». Auch er erwähnt den «amerikanischen Traum». Im Urteil bemüht er sich um Unparteilichkeit: «Dies macht die Verbindung zwischen Schöpfer und Figur zu einem komplexen Spiegelbild kapitalistischer Widersprüche».
Fazit: Lehrreich!
Für sich stehend, hätte ich die Deepseek-Antwort hingenommen: Sie ist zwar harsch formuliert, aber genauso könnte sich auch Linker im Westen äussern. Doch im direkten Vergleich sind die weltanschaulichen Unterschiede deutlich spürbar. Und wir stellen auch Unterschiede bei der Prägnanz fest: Was die angeht, bin ich von ChatGPT etwas enttäuscht. Und Gemini ist und bleibt ein altes Plappermaul.
Also, eine spannende neue Rubrik, die allerdings viel Arbeit macht. Trotzdem, wenn ihr eine Idee habt, welche Frage ich als nächstes auf den weltanschaulichen Prüfstand stellen soll, dann lasst mich das doch via Kommentare wissen!
Fussnoten
1) Die Befürchtung lautet, via KI könnte sich die Weltsicht der chinesischen Regierung auch ausserhalb der Volksrepublik verbreiten. Tiktok hat vorgeführt, wie diese Methode funktionieren kann: Der lange Propaganda-Arm Chinas reiche bis auf deutsche Handys, bringt die Tibet-Initiative Deutschland die Bedenken auf den Punkt.
Kollege Reto Vogt, den ihr von seiner Zeit als Chefredaktor bei inside-it.ch her kennt, weist auf einen wichtigen Punkt hin. Auch die westlichen KIs sind nicht der reinen Wahrheit verpflichtet, sondern haben Vorurteile. Denn es existiert kein neutrales Trainingsmaterial, mit dem sich ein hundertprozentig objektives Sprachmodell erzeugen liesse.
Diesem Standpunkt lässt sich entgegenhalten, dass Vorurteile und Propaganda zwei unterschiedliche Stiefelpaare sind. Dem pflichte ich bei. Doch was sollte die Konsequenz aus dieser Erkenntnis sein? Muss Deepseek verboten werden?
Dummerweise würden wir dann genau die Zensur ausüben, die wir bei Deepseek kritisieren. Es gibt natürlich einen wesentlichen Unterschied, indem wir antreten, unsere Werte zu verteidigen und nicht Unterdrückung zu vertuschen. Dennoch müssen wir uns fragen, ob wir nach unseren Regeln spielen und die freie Meinungsäusserung weiterhin hochhalten wollen. Wenn wir das bejahen, dann sollten wir damit leben, dass in einer global vernetzten Welt unterschiedliche Weltanschauungen aufeinanderprallen. Dann bringt es auch nichts, laut aufzuheulen, dass Deepseek bestimmte Informationen nicht herausrückt – denn wer hätte auch etwas anderes erwartet?
Es gibt eine weitere Möglichkeit: Wir können aus der Not eine Tugend machen. Die künstliche Intelligenz bietet uns die Chance, unsere Ansichten und Überzeugungen jederzeit durch die verschiedenen Sprachmodelle einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Deepseek hilft, uns eine andere Perspektive auf gewisse Fragen zu bekommen. Das sollte uns davor schützen, jegliche KIs leichtgläubig zu verwenden. ↩
2) Deepseek:
Ja, es ist durchaus ironisch, dass Dagobert Duck als überzeichneter Super-Kapitalist von Disney geschaffen wurde, einem Unternehmen, das selbst oft als Inbegriff des Kapitalismus gilt. Disney nutzt die Figur, um kapitalistische Exzesse und Gier satirisch darzustellen, während das Unternehmen gleichzeitig durch seine marktbeherrschende Stellung, aggressive Geschäftspraktiken und kommerzielle Ausrichtung selbst als kapitalistisches Machtzentrum wahrgenommen wird. Diese Doppelmoral zeigt, wie Kunst und Kritik oft von den Strukturen profitieren, die sie gleichzeitig parodieren. Es ist eine selbstreflexive Ironie, die jedoch weniger auf echte Selbstkritik als vielmehr auf die Vereinnahmung von Kritik zur Unterhaltung und Profitmaximierung verweist. ↩
3) Claude:
Das ist in der Tat eine faszinierende Ironie. Carl Barks erschuf Dagobert Duck 1947 tatsächlich als satirische Figur – einen geradezu karikaturhaft geizigen Kapitalisten, der im Geldspeicher schwimmt und dessen grösstes Glück die Anhäufung von Reichtum ist. Die Ironie liegt darin, dass ausgerechnet Disney, ein Konzern der schon damals für seine aggressive Geschäftspolitik und Kommerzialisierung bekannt war, diese Kapitalismuskarikatur zu einer seiner beliebtesten Figuren machte.
Besonders interessant ist, dass Dagobert im Laufe der Zeit von einer reinen Satirefigur zu einem komplexeren Charakter wurde, der zwar geizig bleibt, aber auch positive Eigenschaften wie Fleiss, Ehrlichkeit und Familiensinn zeigt. Diese Entwicklung spiegelt möglicherweise Disneys eigenes Selbstbild als «ehrbarer Kapitalist» wider.
Man könnte sagen: Disney hat die Kritik am Kapitalismus selbst kapitalisiert und in ein profitables Produkt verwandelt – was die ursprüngliche Satire auf eine Meta-Ebene hebt. ↩
4) Gemini:
Die von Ihnen angesprochene Ironie ist in der Tat ein interessanter Punkt, der viele Beobachter und Analysten der Popkultur beschäftigt. Dagobert Duck, der als Karikatur eines übertriebenen Kapitalisten geschaffen wurde, ist ironischerweise zu einer Ikone des Disney-Konzerns geworden, der selbst als Inbegriff eines hochkapitalistischen Unternehmens gelten kann. Die Analyse:
- Doppelte Ironie: Die Ironie besteht nicht nur darin, dass Disney einen Kapitalisten karikiert, sondern auch darin, dass die Figur Dagobert Duck selbst oft als Vorbild für Unternehmertum und finanziellen Erfolg dargestellt wird. Dies wirft Fragen nach der Haltung von Disney zum Kapitalismus auf.
- Ambivalenz: Einerseits kritisiert die Figur Dagobert Duck durch ihre Überzeichnung kapitalistische Exzesse wie Geiz und Profitgier. Andererseits wird er aber auch für seine Geschäftstüchtigkeit und seinen Erfolg gefeiert, was eine positive Sicht auf kapitalistische Werte impliziert.
- Kommerzialisierung: Disney nutzt Dagobert Duck und seinen Geldspeicher für eine Vielzahl von Merchandising-Produkten und Attraktionen. Dadurch wird die Kritik an der übermässigen Anhäufung von Reichtum durch die Figur selbst konterkariert.
- Kulturelle Bedeutung: Dagobert Duck ist eine komplexe Figur, die sowohl Kritik als auch Identifikationspotenzial bietet. Er verkörpert den amerikanischen Traum vom Aufstieg, aber auch die Gefahren des ungezügelten Kapitalismus.
Das Fazit: Die Ironie um Dagobert Duck ist vielschichtig und regt zum Nachdenken über Kapitalismus, Kommerz und die Rolle von Popkultur an. Es bleibt eine offene Frage, ob Disney mit der Figur tatsächlich eine Kapitalismuskritik beabsichtigt oder ob sie nicht vielmehr als eine Art «Feigenblatt» dient, um von eigenen kapitalistischen Praktiken abzulenken. Die Figur Dagobert Duck ist und bleibt ein Spiegelbild der Widersprüche und Ambivalenzen unserer Gesellschaft. ↩
5) ChatGPT:
Ja, diese Ironie ist unübersehbar: Dagobert Duck karikiert den grenzenlosen Kapitalismus, während Disney selbst ein globales Imperium aufgebaut hat, das auf Gewinnmaximierung, Markenmacht und Marktmonopolen basiert. Die Figur zeigt die Gier und Absurditäten des Kapitalismus, aber zugleich hat Disney genau jene Mechanismen perfektioniert, die es parodiert. Es ist eine perfekte Symbiose von Kritik und kommerziellem Erfolg – und genau darin liegt die Brillanz (und die Widersprüchlichkeit) der Marke Disney. Die Parodie wird so zu einem Produkt, das den Kapitalismus nicht nur verspottet, sondern auch direkt speist. ↩
6) Perplexity:
Die Ironie, dass Dagobert Duck als Parodie eines Kapitalisten von Disney geschaffen wurde, während Disney selbst als Symbol eines kapitalistischen Grosskonzerns gilt, ist ein faszinierendes Spannungsfeld. Dagobert Duck, inspiriert von Charles Dickens’ Ebenezer Scrooge, verkörpert den Kapitalismus in seiner extremen Form: geizig, ehrgeizig und stets auf Profit bedacht. Er symbolisiert sowohl die Faszination als auch die Kritik an kapitalistischen Idealen, insbesondere durch seine Darstellung als Selfmade-Milliardär, der den «amerikanischen Traum» lebt (1, 2).
Disney wiederum steht als Unternehmen für eine hochkapitalistische Struktur, geprägt von globaler Expansion und umfassender Monetarisierung seiner Inhalte. Die Parallele zwischen Dagoberts Charakter und Disneys Unternehmenspolitik wird besonders deutlich in der Kritik von Kulturwissenschaftlern wie David Kunzle. Dieser beschreibt Dagobert als Verkörperung des amerikanischen Imperialismus und sieht in den Comics eine romantisierte Darstellung wirtschaftlicher Eroberung (4). Gleichzeitig wird Disney selbst oft als Beispiel für die Kommerzialisierung von Kultur und die Dominanz grosser Konzerne gesehen. Die Ironie liegt also darin, dass Disney mit Dagobert Duck eine Figur geschaffen hat, die den Kapitalismus persifliert und zugleich glorifiziert – ein System, das Disney selbst meisterhaft beherrscht. Während Dagoberts Abenteuer oft moralische Ambivalenzen zeigen, bleibt Disney als Konzern pragmatisch gewinnorientiert. Dies macht die Verbindung zwischen Schöpfer und Figur zu einem komplexen Spiegelbild kapitalistischer Widersprüche. ↩
Beitragsbild: Er schaut nicht ohne Grund so grimmig. Nebenbei erinnert uns dieses Bild daran, dass es auch in China ein Disneyland gibt; nämlich den Shanghai Disneyland Park in Pudong (Taha, Unsplash-Lizenz).
Erstaunlich, dass der Beitrag ohne Erwähnung des Wortes „Narrativ“ auskommt. 😀
Ein interessanter Test mit einem hervorragend gewählten Prompt! Man sieht, dass es verschiedene Weltanschauungen gibt, je nachdem, wo man lebt. Und dass es deshalb schwierig ist, ein „Wahrheitsministerium“ einzuführen, welches bestimmt, was richtig und was falsch ist.
Die aktuelle Situation mit Trump liefert viele Anschauungsbeispiele dafür, dass unsere vermeintlich objektiven Medien von ihrer Weltanschauung beeinflusst sind. Die Russen „vertreiben“ Ukrainer und wollen die Ukraine „erobern“. Trump hingegen plant, die Palästinenser „umzusiedeln“ und den Gazastreifen zu „entwickeln“. Wenn in den USA vorwiegend schwarze Wähler keine Wahlunterlagen erhalten, berichtet man von „Unregelmässigkeiten“. Ähnliche Vorkommnisse in südamerikanischen Pseudo-Demokratien werden als „Betrug“ bezeichnet. Der Krieg in der Ukraine wird immer als „Angriffskrieg“ bezeichnet, gerne ergänzt mit „völkerrechtswidrig“. Die Invasion in den Irak ist hingegen schlicht der „Irak-Krieg“.
Journalisten, achtet auf eure Adjektive! 😀