Eine Website, auf die ich in letzter Zeit mehrfach hereingefallen bin, ist picryl.com. Auf den ersten Blick macht sie einen properen Eindruck: Es handelt sich um eine Sammlung von frei verwendbaren Fotos und Bildern. Sie sind Allgemeingut (Public Domain nach US-amerikanischem Recht); in aller Regel, weil das Urheberrecht abgelaufen ist.
Sie hält z.B. die spektakuläre Aufnahme des Eisenbahnunfalls am Gare Montparnasse vom 22. Oktober 1895 bereit. Auch auf der Suche nach einem Bild für meinen Artikel zu Atombombenexplosionen oder zu den Anfängen der virtuellen Realität bin ich bei Picryl gelandet.
Nach eigenen Angaben ist Picryl die grösste Suchmaschine ihrer Art. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen: Eine Angabe, die ich nicht überprüfen konnte, besagt, dass es um die sechs Millionen Bilder auf der Plattform gibt. Ich habe aber festgestellt, dass ich einige der Bilder aus diesem Katalog sonst nirgendwo aufspüren konnte. Zum Beispiel dieses schöne Bild eines Grosscomputers bei der Nasa oder diese Aufnahme eines Univac 1103-Computers von 1955.
Die nicht so ganz freiwillige Unterstützung
Was Picryl zu einem Online-Shit der Woche macht, ist das Nutzererlebnis, das die Website einem bietet, wenn man den Download-Knopf anklickt. Wenn wir eine niedere Auflösung auswählen, dann müssen wir erst ein Captcha lösen und anschliessend beim Verschlagworten des Bildes helfen. Wenn wir hingegen die Originalauflösung herunterladen wollen – was wir selbstverständlich immer tun, weil wir, wenn schon, Bilder selbst auf die benötigte Grösse herunterrechnen würden – dann erscheint eine «Aufforderung zur Unterstützung».
In der Auswahlliste stehen fünf, zehn oder zwanzig US-Dollar zur Auswahl. Wir dürfen auch einen eigenen Betrag angeben, wobei die Mindestsumme drei Dollar beträgt.
Nun kostet der Unterhalt einer Bilder-Website selbst dann Geld, wenn die angebotenen Fotos kostenlos erworben werden konnten. Und man könnte sich auch auf den Standpunkt stellen, dass mein Ärger an dieser Stelle und meine Klassifizierung als «Online-Shit der Woche» ein Zeichen dieser Gratismentalität ist, die ich andernorts gern kritisiere.
Warum nicht transparent informieren?
Vielleicht. Allerdings fühle ich mich veräppelt, wenn ich eine obligatorische Spende entrichten muss. Nach meinem Verständnis handelt es sich bei so einer Transaktion um einen Vorgang, den man in nicht-euphemistisch als Verkauf bezeichnen würde. Und da muss sich Picryl schon die Frage gefallen lassen, wie ethisch es ist, Dinge aus der Public Domain kostenlos zu verkaufen. Denn wie die Bezeichnung besagt, gehören sie der Öffentlichkeit. Entsprechend entfacht sich der Ärger bei vielen (auch bei ihr hier) daran, dass die kommerzielle Natur der Website verschleiert wird.
Bleibt die Frage, ob man mit seiner «Spende» etwas Gutes bewirkt. Wenn es in die Digitalisierung weiterer Bilder fliesst, würde ich mir vielleicht tatsächlich ein paar Dollar aus den Rippen leiern.
Damit sind wir beim zweiten irritierenden Punkt. Auf der About-Seite erfahren wir nichts darüber, wer diese Website betreibt. Es findet sich lediglich die Mailadresse team@getarchive.net dort. Auf getarchive.net wiederum wird ein Team vorgestellt, das aus Leuten besteht, die fast alle russische Namen haben. Der CEO, ein Mann namens Boris Tolkachev, hält es ausserdem für nötig zu erwähnen, dass er in seinen Betätigungsfeldern von 2003 bis 2017 Einnahmen von einer Million Dollar pro Jahr erzielt hat. Eine klassische Postadresse oder sonst eine Angabe, die dieses Unternehmen in der echten Welt verorten würde, habe ich auf dieser Website nicht entdeckt – dafür aber der Umstand, dass dieses Unternehmen auch ein Werbenetzwerk betreibt, an dem man sich beteiligen könnte.
Wie gemacht für einen Krimi
Wenn ich einen Krimi schreiben würde, dann wüsste ich, zu welchem Zweck eine solche Website wie Picryl ins Spiel käme. An dieser Stelle halte ich fest, dass ich sie weder empfehlen noch selbst nutzen werde. Stattdessen kommen die Websites auf meiner Liste der Bilder zum freien Gebrauch zum Zug. Eine gute Wahl sind auch spezialisierte Archive wie die Bildarchive der ETH-Bibliothek oder der Winterthurer Bibliotheken.
Und damit ich hier noch einen neuen Ratschlag anbieten kann, sei auf die Übersicht der freien Medienressourcen von Wikipedia verwiesen: Hier gibt es eine beeindruckend lange, nach Ländern, Gegenständen und formalen Kriterien aufgeschlüsselte Liste von Bildquellen. Und was die Fotos von Picryl angeht, lassen sich die mit der Google-Rückwärtssuche zwar nicht immer, aber oft in den ursprünglichen Archiven aufstöbern. Ausserdem gibt Picryl, und das muss ich positiv vermerken, diese Ursprungsquelle auch oft an.
Beitragsbild: Ein völlig zufällig gewähltes Beispiel für eine Aufnahme, die dem Public-Domain-Fundus entstammt und bei picryl.com für drei US-Dollar hier erhältlich ist (Al Capone in Miami, Florida, aufgenommen am 8. Mai 1930 im Miami Police Department/Wikimedia, CC0).