Wieso sollte man sich hierzulande einen Podcast über den US-Fernsehsender Foxnews anhören? Eine berechtigte Frage, zumal wir ihn hierzulande offiziell nicht empfangen können. Doch mit Sicherheit haben die meisten schon von dem gehört. Die US-Medien besitzen eine internationale Strahlkraft. Und wie ihr vielleicht gehört habt, finden in dieser Woche in den USA Präsidentschaftswahlen statt. Was uns zur politischen Rolle des Senders führt.
Schliesslich ist es auch interessant zu verstehen, wie ein Mediensystem aus den Fugen gerät. Denn ursprünglich richtete sich «das Fernsehen» in den Vereinigten Staaten an die ganze Familie: Die drei grossen Programmveranstalter ABC, NBC und CBS verstehen sich bis heute als Sender für das ganze Land. Zusammen erreichten sie zwischen 1950 und 1970 neunzig Prozent des Publikums. Kritiker monieren zu Recht, dass viele Bevölkerungsgruppen und -schichten damals nicht abgebildet wurden und eine weisse, männliche Perspektive herrschte. Aber zumindest wurde nicht auf abweichenden Meinungen herumgetrampelt.
Zuschauer hier, Fans da
Das ist heute anders: Foxnews brachte Figuren wie Bill O’Reilly, Megyn Kelly und den notorischen Tucker Carlson hervor, der gemäss «The Guardian» schon langem für rassistische und hetzerische Äusserungen bekannt ist.
Das war nicht immer so. Der Sendestart 1996 verlief dilettantisch und chaotisch. Dennoch war der Newskanal ursprünglich journalistischen Standards verpflichtet. Im Verlauf bis zum Jahr 2000 und darüber wuchs der Erfolg bei den Zuschauern im gleichen Mass, wie die Überparteilichkeit schwand. Fox gelang es, das Publikum länger am Bildschirm zu halten, als die Konkurrenz – der Sender gewöhnte ihm das Zappen ab. Die Zuschauer hatten ihn oft so lange eingeschaltet, dass sich das Senderlogo einbrannte. Um das zu verhindern, wurde das Logo animiert.
«Während andere Sender Zuschauer hatten, konnte Foxnews auf Fans zählen» – so drückt es ein Insider im Podcast Slow Burn (RSS, iTunes, Spotify) aus. Die zehnte Staffel dieser Produktion des Slate-Magazins widmet sich in sechs Folgen dem Aufstieg, dem Geheimrezept, der Kritik und den Eklats rund um den Medienkonzern. Viele, meist ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, kommen zu Wort; ebenso Gegner und Rivalen. Der Host, Josh Levin, macht, soweit ich das beurteilen kann, einen hervorragenden Job, die Entwicklung fair und ausgewogen darzustellen, ohne die manipulativen Tendenzen, die Propaganda, die aufwieglerischen Stimmen und die Seximus-Skandale auszuklammern. Diese Schilderungen sind auch für uns auf dem alten Kontinent nachvollziehbar.
Patriotismus und Kriegstreiberei
Daher eine hörenswerte Produktion. Wie angedeutet, bestand die Schlagseite nicht von Anfang an – und das, obwohl Besitzer und langjähriger Betreiber Rupert Murdoch nicht für seine politische Zurückhaltung bekannt ist. Ein Schlüsselmoment war 9/11, wo sich Foxnews im Nachgang als ungehemmt patriotisch und kriegstreiberisch von der Konkurrenz absetzen konnte.
Es gibt eine weitere spannende Erkenntnis. Sie besteht in der Analyse, warum The Daily Show sich mit der expliziten Gegenposition zwar Profil verschaffen konnte, andere Medien als Anti-Foxnews-Stimme aber keinen Erfolg hatten. Das Beispiel dafür im Podcast ist das Radionetzwerk Air America.
Also, für Medien-Interessierte eine Empfehlung. Irritierend ist die Werbung, die auch in diesem Podcast vom Host gesprochen wird. Sie bewirbt oft ein Medikament, mit dem man sich ungestraft volllaufen lassen kann, weil es angeblich die Symptome des Katers lindert. Ist das ein Bedürfnis des Zielpublikums – und bin ich dann hier richtig?
Falls das nicht abschreckt, sei darauf hingewiesen, dass es von «Slow Burn» neun Vorgängerstaffeln gibt. Auch die könnten interessant für Leute sein, die sich fürs Politgeschehen in den USA erwärmen: Die erste Staffel widmete sich dem Watergate-Skandal, die zweite dem Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton und Monica Lewinsky, die fünfte dem Irakkrieg und die siebte der Abtreibungskontroverse rund um Roe v. Wade.