Lohnt es sich noch, für Netflix zu zahlen? Diese Frage stellt sich mit einer umso grösseren Vehemenz, je näher das zehnjährige Jubiläum des Schweizer Starts rückt.
Der Schwung ist draussen, scheint es. Ausser beim Inkasso: Dieser Saftladen hält es nämlich schon wieder für nötig, die Preise zu erhöhen. Saftige 20.90 Franken pro Monat kostet das Standard-Abo inzwischen. Beim Start waren es, falls ich mich richtig erinnere, 12.90 Franken. Fünfmal gab es seitdem einen Aufschlag.
Was mich angeht, hätte ich Netflix nach dieser Frechheit eine (vorerst unbegrenzte) Auszeit gegönnt. Aber es gab Widerspruch: Die Familie (die die Rechnung nicht bezahlt) war dagegen. Ich habe hier keine Wahl, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und mir zu überlegen, welche Serien für den Verbleib sprechen könnten. Und immerhin: eine ist mir eingefallen.
Wenn das alte Leben nur noch eine blasse Erinnerung ist
Children Ruin Everything heisst sie. Sie stammt vom kanadischen Fernsehen CTV und gehört zum Genre der Sitcoms – aber zu der modernen Inkarnation, die ohne Lachspur auskommt.
Der Titel ist Programm: Die Serie dreht sich um Astrid (Meaghan Rath) und James (Aaron Abrams), die sich das Kinderkriegen nicht verkneifen konnten. Und nun haben sie den Dreck im Schächtele, wie meine Schwiegermutter sich ausdrücken würde: Die beiden stellen fest, dass ihnen 99 Prozent ihrer Unabhängigkeit abhandengekommen sind.
Das klingt nach jenem Gemütszustand, der – wie alles heutzutage –, ein Hashtag-kompatibles Label übergestülpt bekommen hat: Regretting motherhood heisst dieses Label. Und nebenbei fällt uns auf, dass es zu Regretting fatherhood hingegen kein Ding zu sein scheint. Es gibt für Männer, die ihre Vaterschaft bereuen, keinen eigenen Wikipedia-Beitrag, sondern nur ein Artikelchen bei «Men’s Health».
Wäre Aussetzen eine Option?
Aber fundamentale Reue wäre für eine Sitcom sowieso zu düster. Auch wenn Kinder ihnen das Leben demolieren, so würden Astrid und James nicht auf die Plagegeister verzichten wollen.
Den meisten von uns geht es genauso. Das heisst allerdings nicht, dass in der Serie nicht der Gedanke aufgekommen wäre, sie während eines Auto-Ausflugs bei den Mennoniten zurückzulassen.
Also: Eine amüsante Serie, die viele der grossen und kleinen Elternthemen auf oft einfühlsame Weise aufs Tapet bringt. Zum Beispiel: Wo ist noch Platz für die Intimität zwischen Mama und Papa? Braucht es Vorkehrungen für den Fall, dass beide Elternteile unerwartet durch eine Kohlenmonoxidvergiftung dahingerafft werden? Diese Dinge und andere Dinge werden im Episoden-Rhythmus aufgegriffen, wobei die Titel – Mahlzeiten, Ausflüge, Krankentage, Freunde, Schlaf, Bildschirmzeit, Privatsphäre – ein bisschen so klingen, als hätten die Macher sich an einem Papa- oder Mama-Blog abgearbeitet. Diese Struktur ist zu durchschaubar und stereotyp.
Es ginge noch aufgeklärter
Es gibt auch einige übergeordnete Handlungsstränge: James, der in seinem Job unglücklich ist, sich einen Ausstieg aber nicht leisten kann und es mit seiner Unentschlossenheit schafft, dass sein fauler Freund Ennis (Ennis Esmer) an seiner Stelle befördert wird. Astrid ihrerseits möchte noch ein drittes Kind, obwohl das mit ihrem Wunsch, wieder in den Job einzusteigen, kollidiert.
Das ist auch der Punkt, an dem die Kritik ansetzen könnte: Denn Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen, ist umso schwieriger, je aufgeklärter man sich gibt, sprich: je weniger der Alltag nach der traditionellen Rollenverteilung organisiert ist. Doch bei «Children Ruin Everything» kümmert sich Astrid um den Nachwuchs und James bringt das Geld nach Hause. Dabei könnte es vom Talent und den Karriereaussichten auch genau umgekehrt sein.
Trotzdem: sehenswert. Die letzte Folge der zweiten Staffel (Parenting) ist die gelungenste. Hier gab es mehr als einen Moment, wo ich mich selbst, unser Familienleben und unsere Tochter wiedererkannt habe.
Beitragsbild: «Könnte man nicht einfach ohne sie weiterfahren?» (Screenshot)