Eines der grossen Versprechen zu Windows 11 war, dass man damit auch Android-Apps würde ausführen können. Das hat uns Microsoft damals als grosse Neuerung verkauft: Es würde ein Manko wettmachen, nämlich das nach wie vor bescheidene App-Angebot im Microsoft Store. Denn auf einen Schlag wären auch Millionen von Android-Apps mit einem Klick installier- und nutzbar.
Nach bald 16 Monaten stellt sich die Frage, was aus diesem Versprechen geworden ist. Im März 2022 habe ich festgestellt, dass wir weiterhin Geduld haben müssen. Neulich habe ich diese Sache noch einmal aufgegriffen und war freudig überrascht – am Anfang, zumindest. Denn die Android-Apps gibt es jetzt auch ausserhalb der USA und auf meinem deutschsprachigen Windows-PC.
Doch die Ernüchterung folgte auf dem Fuss: Erstens ist der Android-App-Store so gut versteckt, dass niemand ihn finden wird, der nicht danach sucht. Und zweitens ist dieser App Store die ganze Aufregung nicht wert.
Erst braucht es einige Handgriffe am System
Aber darauf komme ich gleich noch. Erst geht es darum, wie man Windows dazu bringt, Android-Apps auszuführen. Das geht wie folgt:

Als Erstes müssen wir das Windows Subsystem für Android (WSA) installieren. Das hat etwas höhere Systemanforderungen als Windows 11; es braucht nämlich acht Gigabyte Arbeitsspeicher, während das Betriebssystem schon mit vier GB zufrieden ist. Allerdings würde ich empfehlen, heute keinen Computer mehr mit nur vier GB RAM zu kaufen. Acht sind das Minimum, 16 auch kein übertriebener Luxus.
WSA finden wir, indem wir ins Suchfeld Windows-Features aktivieren oder deaktivieren
eingeben und das gleichnamige Systemsteuerungs-Element öffnen. Dort aktivieren wir die beiden Optionen VM-Plattform und Windows-Hypervisor-Plattform. Wir klicken auf OK, lassen die Installation ablaufen und führen einen Neustart durch.
Die Store-App aus dem Store
Nun begeben wir uns zum Microsoft Store, aus dem wir den Amazon Appstore installieren. Nach getaner Arbeit öffnen wir diesen Store wie jede andere Windows-App. Sie funktioniert wie der Windows Store: Wir wählen Apps aus und klicken auf den Installations-Knopf (der mehr als grobschlächtig mit «Erhalten» beschriftet ist), warten den Download ab und führen die App dann aus.

Und jetzt folgt der Moment der Enttäuschung: Wenn wir geglaubt haben, aus einem riesigen Angebot von Hunderttausenden tollen Android-Apps auswählen zu können, dann sehen wir uns eines Schlechteren belehrt: Es gibt nichts anderes als Spiele und Kinder-Apps – mit Tiktok als grosser Ausnahme. Und auch bei dem Angebot handelt es sich nicht um eine Auswahl von hochwertigen Vorzeige-Apps, sondern um den üblichen Free-to-Play-Dreck wie «Coin Master» oder den Hundertsten Match-3-Klon wie «Lily’s Garden».
Die Andrdoid-Vögel fliegen
Für einen Test installiere ich «Angry Birds Friends» – das es, nebenbei bemerkt, auch im Windows Store gibt, weswegen die Android-Variante in diesem Kontext vollkommen überflüssig ist. Das hat immerhin den Vorteil, dass ich weiss, wie sich das Spiel anfühlen müsste, zumal ich das Ur-Variante von «Angry Birds» seinerzeit viel gespielt habe.

Zu diesem Spiel fallen mir folgende Dinge auf:
- Das Laden von WSA dauert seine Zeit: Wir können Android-Apps nicht instantan ausführen, sondern müssen uns vor dem ersten Start einer solchen App mit Geduld wappnen.
- Die App selbst läuft flott und fühlt sich nicht gross anders an als eine normale Windows-App. «Angry Birds» lässt sich mit Maus spielen, aber mehr Spass macht es per Finger; was dank des Touchscreens meines HP Spectre-Laptops wunderbar funktioniert.
- Die App läuft im Vollbild oder im Fenster. Im Fenster lässt sie sich auch skalieren, wobei das Seitenverhältnis fix bleibt. Klar, Android-Apps laufen für gewöhnlich im Vollbild auf Handy-Displays, deren Seitenverhältnis sich nicht ändert.
- Das Spiel bringt die Lüfter meines Laptops dazu, nach wenigen Sekunden auf vollen Touren zu drehen.
An dieser Stelle kommen wir nicht umhin, ein ernüchtertes Fazit zu ziehen: Android-Apps unter Windows 11 sind nicht die tolle Sache, als die sie uns Microsoft seinerzeit verkaufen wollte. Das Angebot im Amazon-Store ist so dürftig, dass wir problemlos darauf verzichten können.
Das Angebot ist lachhaft
Das Potenzial wäre vorhanden: Microsoft und Amazon müssten dieses Projekt allerdings ernsthaft verfolgen und dafür sorgen, dass sich das Angebot rasant ausweitet. Eine offene Frage bleibt, wie gut die Android-Apps unter Windows performen, d.h. insbesondere, wie stark die Emulation den Laptop-Akku belastet.
Darüber kann ich noch keine abschliessende Aussage treffen. Wie angedeutet, dreht der Prozessor bei «Angry Birds» voll auf. Der Amazon Store, der selbst über WSA ausgeführt wird, tut das jedoch nicht. Die Chancen stehen damit gut, dass «normale» Apps (d.h. solche, die anders als Spiele keine aufwändige Grafik haben) durchaus tauglich für den Alltag wären.
APKs direkt installieren?
Eine Frage bleibt: Besteht die Möglichkeit des Sideloadings für Android-Apps? Das heisst, lassen sich APK-Dateien (ausführbare Android-Apps) direkt und ohne den Amazon Store installieren?
Die gute Nachricht ist: Das geht. Und auf diese Weise ist es auch möglich, einen anderen App Store zu installieren, der wirklich hilfreich ist. Auf diese Weise bringen wir dann auch Apps wie die Play SRF oder das E-Paper vom Tagesanzeiger zum Laufen. Wie das geht, erkläre ich im Beitrag Wie man Windows 11 echte Android-Zugeständnisse abringt.
Beitragsbild: Süss ist sie ja (Ricky Kharawala, Unsplash-Lizenz).